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Tag der offenen TürDas Ehrenfelder Loft begeistert viele neue Besucher

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Hans-Martin Müller

Der Hausherr spielte auf: Hans-Mar­tin Müller brachte fran­zö­si­sche Flö­ten­mu­sik zu Gehör.

Köln-Ehrenfeld – Fast der gesamte Vorstand der Kölner Gesellschaft für Neue Musik führte "Kammerelektronik" auf. Piano-Legenden wie Simon Nabatov und Hans Lüdemann gaben sich die Ehre. Das Trio "Plattform Nicht Dokumentierbarer Ereignisse" war mit Piano, Tuba und Saxophon zugange und das Duo Dietmarei hatte Djoze- und Oud-Spieler zur gemeinsamen freien Improvisation eingeladen: An ungewöhnliche Klangerlebnisse und Musikkonzepte hat sich der Besucher des Ehrenfelder Lofts längst gewöhnt. Doch diesmal sorgte schon die schiere Anzahl ganz unterschiedlicher Darbietungen für Staunen.

Für Liebhaber experimenteller Musik

Denn ein gutes Dutzend kammermusikalischer Formationen und Solo-Künstler hatte Loft-Betreiber Hans-Martin Müller für kaum halbstündige Auftritte bei seinem Tag der offenen Tür gewinnen können.

"Normalerweise haben wir bei Konzerten maximal 40 Leute hier, aber heute war es fast von Anfang an rappelvoll", freute sich Müller, der jeweils Mühe hatte, sich einen Weg zwischen den im Mittelgang gelagerten Musikfreunden zur Bühne des kleinen Konzertraums zu bahnen, um den nächsten Auftritt anzusagen. "Und die meisten Gesichter habe ich noch nie gesehen. Meistens sind unsere Zuhörer ja selbst Musiker oder Freude und Bekannte von Musikern." Die Neugier der vielen Neulinge war ganz in Müllers Sinne, denn als Aufnahme- und Aufführungsort für komponierte und improvisierte zeitgenössische Musik hat das Loft in der Wissmannstraße seit knapp 30 Jahren zwar international einen vorzüglichen Ruf in der Szene. Doch die Gruppe der Liebhaber ungewöhnlicher, experimenteller und nicht selten dissonanter Klänge ist nun mal überschaubar.

Das wurmt Müller zuweilen, dem als Mitinitiator des Moers-Festivals, dem als ehemaliger Flötist des WDR-Sinfonieorchesters und Dozent an der Hochschule für Musik und Tanz auch persönlich an Aufmerksamkeit für zeitgenössische Klänge gelegen ist: "Im Dezember hat mich ein bekannter Kulturjournalist gefragt, ob es das Loft überhaupt noch gibt. Und dann sprach mich auch noch eine Bewohnerin des Hauses hier darauf an, ob wir auch Konzerte veranstalten." Da reichte es Hans-Martin Müller, der im vergangenen Jahr nicht weniger als 204 Konzerte buchen konnte: "Mit dem Tag der offenen Tür wollen wir das Loft vor allem in der unmittelbaren Umgebung besser bekannt machen, wir haben massenweise Flugzettel in die Briefkästen geworfen und auch die Politiker der Bezirksvertretung eingeladen."

Ehrenamtlich Musik machen

Die allerdings ließen sich nicht blicken, obwohl das Loft seit annähernd drei Jahrzehnten ein fester Bestandteil der mittlerweile sehr lebendigen Ehrenfelder Kulturszene ist: "Nachdem das Underground geschlossen hat, sind wir ja der älteste Ehrenfelder Club", erklärte Müller. Er erinnert sich noch an die Anfangszeiten Mitte/Ende der 80er Jahre: "Damals wollte ich ja eigentlich das spätere Gebäude des Underground anmieten, aber da gehörte dieser große Werkstattbereich zu, mit dem ich nichts anfangen konnte." So hat er die oberste Etage einer ehemaligen Parfümfabrik in der Wißmanstraße renoviert. "Der Schwerpunkt lag anfangs auf Alter und Neuer Musik, das hat sich später zum Jazz hin verlagert", erzählte Norbert Rodenkirchen, ein früherer Schüler von Hans-Martin Müller, der selbst mit einer elektronischen Collage von Flötenstücken am Tag der offenen Tür beteiligt war und wie alle Künstler ohne Gage auftrat.

Ein wichtiger Schritt sei damals die Anschaffung eines Steinway-Flügels sowie erstklassigen Aufnahme-Equipments gewesen: "Seither geht hier auch die New Yorker Szene ein und aus." Dietmar Bonnen bestätigte dies: "Neben dem ,Dom' in Moskau und dem ,Stone' in New York ist das Loft der bedeutendste Club überhaupt für experimentelle Musik." Bonnen arbeitet seit 1994 regelmäßig im Loft, hat hier für sein Obst-Label bislang mehr als 50 CDs produziert - etwa 1000 wurden im Studio bis dato insgesamt aufgenommen.

Hans-Martin Müller reagiert daher ganz entspannt auf alle Befürchtungen, der Tag der offenen Tür sei aufgrund von wirtschaftlichen Problemen veranstaltet worden: "Im Gegenteil, es läuft sehr gut. Seit einiger Zeit macht mein Sohn Urs Benedikt mit. Außerdem haben wir jetzt einen festen Kreis von neun jungen Musikern, die ehrenamtlich mitmachen", erklärt der Ruheständler lachend. "Damit es hier weitergeht, wenn ich mal umfalle." 

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