Tod von Lisa D. aus KölnEin Bahnunfall voller Ungereimtheiten wird verhandelt

Lesezeit 4 Minuten
nab220118_Unfallstelle_KVB_02

Eine Gedenktafel haben die Eltern und Freunde von Lisa D. an der Unfallstelle an der Luxemburger Straße angebracht. 

Köln – Der Verkehr rollt, als sei nie etwas passiert. Nur wenige Vorübergehende schauen noch auf die Blumen und Bilder an dem Bahnübergang der Linie 18 an der Luxemburger Straße. Dreht sich auch die Welt für die Eltern von Lisa D. seit dem Tod ihrer Tochter nicht mehr, die Zeit ist dennoch ins Land gegangen: Fast genau drei Jahre ist es her, dass die 27-Jahre junge Frau von der Stadtbahn erfasst wurde und wenig später ihren Verletzungen erlag. Vorbei und vergessen? Nein, eigentlich fängt es gerade erst an. Nur wenige Schritte entfernt von der Unglücksstelle. Am Landgericht. Die Verhandlung der von den Eltern eingereichten Klage gegen die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB).

KVB und Stadtwerke haken den Unfall schnell ab

Für die KVB und den für juristische Fragen zuständige Stadtwerkekonzern war der Unfall schnell abgehakt. Ein junger Mensch hat mal wieder nicht auf die Ampel geachtet. Wahrscheinlich Kopfhörer im Ohr und Handy vor den Augen. Wie es leider nicht ungewöhnlich ist im Großstadtgewimmel. Doch nichts ist gewöhnlich an dem Fall Lisa D.

Am frühen Abend des 15. Januar verlässt die junge Frau ein Sportstudio an der Luxemburgerstraße und will auf Höhe der Wittekindstraße die Seite wechseln. Die Stadt Köln ist gerade im Begriff, die veraltete Ampelanlage an dem Übergang gegen eine moderne auszutauschen. Eine Behelfsanlage ist aufgebaut. Lisa steht nicht allein am Übergang. Ihr Handy? Die Polizei wird es später in ihrer Sporttasche finden. Kopfhörer? Sie hat keine dabei.

War die Ampel nun grün oder rot?

Mehrere Zeugen, die hinter Lisa D. stehen, werden später aussagen, die Fußgängerampel habe auf Grün geschaltet, die junge Frau habe einen Schritt nach vorne gemacht und sei direkt von der Stadtbahn, die ohne Vorwarnung heran rauschte, mitgerissen worden. Sie selbst hätten noch in letzter Sekunde zurückschrecken können. Nur ein Zeuge widerspricht. Schildert den Vorfall völlig anders: Rot sei die Ampel gewesen und die schrille Glocke der Bahn habe gerasselt.

Anwohner melden sich zu Wort. Schön öfter habe es Probleme mit der Ampel an dem Übergang gegeben. Eine Anwohnerin macht mit ihrem Handy am Tag nach dem Unglück ein Foto. Darauf zu sehen: Eine Bahn der Linie 18, die den Übergang passiert. Durch die Fenster des Zuges ist auf der gegenüberliegenden Seite eine Fußgängerampel zu erkennen. Sie zeigt Grün.

Bahnfahrer trifft keine Schuld

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Bahnfahrer. Ein Gutachter wird beauftragt. Er soll untersuchen, ob der Fahrer das Haltesignal missachtete. Hat er nicht. Allerdings stellt der Sachverständige fest, die Signalanlage vor dem Übergang hat eine ungewöhnlich lange „Gelbphase“ – und die passierte er im letzten Augenblick. Als die Signalanlage auf den Aufzeichnungen der ersten Überwachungskamera in der Bahn, direkt hinter der Fahrerkabine, auftaucht, stand sie schon wieder auf „Rot“.

Für den Verteidiger der KVB ist das zum Prozessauftakt Beweis genug. Ist der Fahrer nicht über Rot gefahren, muss Lisa D. über Rot gegangen sein. Der Schaltplan der Ampel gebe ja gar nichts anderes her. Und dann noch der Zeuge, der das Klingeln hörte. Überhaupt: „In dieser Situation eine Bahn zu übersehen, das ist schon ein Kunststück“, sagt er in Richtung der Eltern.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wirklich alles so einfach? Die Richterin hakt nach: Was ist mit der Behelfsampel? Galt der Schaltplan da überhaupt? Das klingeln müsste im Fahrtenbuch, in der dafür vorgesehen Spalte auftauchen. Wie kann das sein? „Das war eine Bonner Bahn, die kenne ich nicht. Ich kenne nur die Kölner“, versucht der Verteidiger sich aus der Affäre zu ziehen. Die Strecke der Linie 18 wird in weiten Teilen von der KVB und der Bonner Stadtwerken in Kooperation genutzt.

Um den Tod von Lisa D. zu erklären, bräuchte es ein neues Gutachten, macht die Richterin klar. Das erste habe ja nur den Fahrer in den Blick genommen. Die Zeugen müssten ausfindig gemacht werden. Eine, die Lisa am nächsten stand, war eine Touristin aus Italien.

Die Eltern sacken in sich zusammen. Wie viele Jahre noch? Wie oft noch hören: Alle haben alles richtig gemacht, außer ihre Tochter? Ein Vergleich steht im Raum.

Rundschau abonnieren