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Trotz WahldebakelBernd Petelkau bleibt der starke Mann der CDU

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CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau

Köln – Die ersten dramatischen Zahlen für die CDU sind am Wahlsonntag noch keine drei Stunden alt, da macht Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau, was er in solchen Momenten macht: Er stellt sich und sagt etwas, ohne wirklich etwas zu sagen. Auf die Frage, was gut 20 Prozent für seine Position heißen, sagt Petelkau: „Hier geht es darum, in den nächsten Wochen gemeinsam zu schauen, dass wir Verantwortung tragen. Und das ist unser größtes Ziel, das werden wir in den Gesprächen umsetzen.“ Geschickt ausgewichen.

Petelkau, 55, hat die CDU vor knapp fünf Jahren in das schwarz-grüne Bündnis im Stadtrat geführt, und es hat tatsächlich bis zur Wahl gehalten. Es hat durchaus Stimmen gegeben, die die Überlebensfähigkeit von Schwarz-Grün angezweifelt hatten. Aber immer wieder soll Petelkau über die Jahre seine Leute ermahnt haben, im Stillen über die Grünen zu fluchen, statt öffentlich mal Rabatz zu machen, alles, um ja dieses Bündnis am Leben zu halten, trotz aller Unterschiede.

CDU ist nicht mehr sexy

Aber um welchen Preis für die CDU hielt die Vernunftehe? 2019 sackte die Partei bei der Europawahl auf 19,79 Prozent ab, bei der Kommunalwahl auf 21,49 Prozent – in Köln, der Stadt von Konrad Adenauer, das war undenkbar, als es weniger Parteien gab. Jetzt hat die Kommunalwahl bestätigt, was die Europawahl ahnen ließ: Die CDU ist in dieser Stadt aktuell nicht mehr sexy. Und Petelkau? Ist und bleibt Chef der Partei, Chef der Fraktion, hat viel Macht. Wie geht das? Warum ist diese Partei so still nach diesen Zahlen?

Alles zum Thema Henriette Reker

Es ist nicht eine Ursache allein, die das erklärt, unter anderem hat Petelkau nach der Kommunalwahl das Rezept angerührt wie nach der Europawahl: schnell weiter. Vor einem Jahr hatte die CDU sofort nach der Wahl mitgeteilt: „Der Vorstand hat beschlossen, an der bisherigen strategischen Grundausrichtung nichts zu ändern.“ Der Bundestrend habe das Kölner Ergebnis maßgeblich bestimmt. Eine Europawahl sei keine Kommunalwahl, die Themen andere. Das kann man so sehen, gut ein Jahr später weiß die Kölner CDU: Auch bei Kommunalwahlen rauscht sie nach unten.

Kein natürlicher Oberbürgermeisterkandidat

Petelkau ist kein starker Redner, kein Menschenfänger, keiner, der von seiner Empathie lebt. Deshalb ist er kein natürlicher Oberbürgermeisterkandidat, obwohl er das qua seiner Ämter sein müsste. Aber Petelkau ist ein Arbeitstier, ein Taktiker und ein Profi – er steht immer Rede und Antwort, egal, ob das Thema für ihn vorteilhaft ist, auch wenn schon mal die üblichen Politiker-Phasen kommen.

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Vieles davon ist gut für ihn und hat der CDU einiges gebracht: endlich mitgestalten, endlich mal keine SPD an der Macht, endlich mal bei der Beigeordneten-Besetzung richtig mitreden, endlich gute Kontakte ins Rathaus. Aber was bleibt davon, wenn jetzt der Bündnispartner Grünen dank 29 Prozent keine Lust mehr auf die CDU hat? Dass die CDU hinter den Grünen verkümmert ist? Dass sie zur 20-Prozent-Partei wird? Dass die CDU in der Opposition sitzt und nichts mehr zu kamellen hat?

Nach einem solchen Katastrophenjahr wäre laut Politik-Handbuch jede Führungskraft wie Petelkau angezweifelt worden, wenn nicht sogar offen angegriffen worden. Zwar raunten am Wahlabend vereinzelte Stimmen aus der Partei: „Die Fragen nach Petelkau werden kommen.“ Nur: Da ist offenkundig niemand in der Kölner CDU.

Petelkau steht immer wieder Kritik gegenüber

Und die Partei, deren Chef Petelkau ist, wird die Fraktion nicht härter regulieren, weil deren Chef ist ja, genau, ebenfalls Petelkau. Er selbst bezeichnet das gemeinsam mit seinem Landtagsmandat als Synergieeffekte. Trotzdem fehlt der Partei so ein unabhängiges Regulativ. Die Grünen hatten das nach der Stadtwerke-Affäre, die Partei griff ein, sprach gegenüber der Fraktion vom verloren gegangenen Kompass. Petelkau sagte immer auf die Frage, ob er zu viel Macht habe: „Überhaupt nicht. Es geht viel über Teamarbeit.“

Immer wieder kritisieren CDU-Parteimitglieder, auch aus Vorstand und Fraktion, Petelkau, doch selten wagt sich einer nach vorne – und wenn ist es einer aus der älteren Generation, die zwar nichts mehr zu verlieren hat, aber eben nicht genug Strahlkraft hat, um Anhänger für eine Revolte zu versammeln. Beispielsweise hatte Franz-Xaver Corneth, Vorsitzender des Mietervereins, nach dem Debakel der Europawahl gefordert: „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir einen eigenen Kandidaten aufstellen müssen, am besten eine Frau.“ So sehe er das Selbstverständnis der Partei.

Doch eine Welle entstand daraus nicht – zumal es ein riskanter Plan gewesen wäre, der parteilosen Oberbürgermeisterin Henriette Reker das Vertrauen zu entziehen, einer Frau, die im Wahlkampf 2015 fast ihr Leben bei einem Attentat gelassen hatte, die einen Amtsbonus hat und die als Vehikel diente, die rote SPD-Dominanz zu brechen.

Fehlende Debattenkultur wird beklagt

Aber kann diese Kölner CDU noch streiten? Immer wieder beklagen auch hochrangige Mitglieder die fehlende Debattenkultur, die wenigen Mitglieder auf den Versammlungen. Es ist bezeichnend, dass Ex-CDU-Parteichef Richard Blömer Corneth im Herbst 2019 aufgefordert hatte, sein Parteibuch zurückzugeben. Der Grund: Corneth hatte es erfolglos gewagt, eine geheime Abstimmung zur erneuten Unterstützung von Reker zu beantragen – ein normaler demokratischer Vorgang, um möglicherweise ein ehrlicheres Bild zu erhalten. Aber schon das war Blömer zu viel. Bemerkenswert.

Das stete Grummeln bleibt so ein Grummeln, zumal Petelkau immer liefert, wenn es darauf ankommt: Bei der Wiederwahl zum Parteichef holte er 2018 zumindest rund 80 Prozent, bei der Aufstellung für die Kommunalwahl 88 Prozent. Die Partei kürte Reker mit 94 Prozent zur Kandidatin der CDU. Sollte es Unzufriedene in der CDU geben, Petelkau kann auf seine Werte verweisen, nach dem Motto: Was wollt ihr denn, ihr wählt mich doch immer wieder. Und bei der Landtagswahl 2017 holten er und die CDU ein gutes Ergebnis.

Das Problem der Kölner CDU

Er versteht es, seine Macht zu zementieren, den potenziell Unzufriedenen Zückerchen zu liefern, „er hat sie alle mit Posten versorgt“, sagen Mitglieder. Aus der Fraktion können ohnehin kaum Selbstreinigungskräfte erwartet werden, die 19 Mitglieder wollen weiter im Rat gestalten, klar, notfalls eben wieder mit den Grünen, mit wem sonst – alles war und ist auf diesen Kurs ausgerichtet, Juniorpartner hin oder her. Ja, es komme auf die Themen an, die die CDU bei den Grünen durchbekommen könne in den Verhandlungen, versichern Fraktionsmitglieder.

Aber Petelkau hat schon klar gemacht, dass die CDU nicht den Lindner machen wolle. FDP-Chef Christian Lindner hatte 2017 eine Regierungsbeteiligung in Berlin abgelehnt, zu wenig liberale Politik sei drin gewesen. Es droht die Gefahr, dass die CDU sich zu billig hergeben muss für ein neues Bündnis, weil sie kaum eine andere Option hat – zumal ein hochrangiges Grünen-Mitglied sagt: „Petelkau ist inhaltlich maximal flexibel.“

Stellt man neuen Fraktionsmitgliedern die Frage, warum sich ein Chef mit solchen Wahlergebnisse halten kann, wird eines der Mitglieder plötzlich still. Und dann: „Ich habe in der Politik gelernt, dass es manchmal besser ist, nichts zu sagen.“ Vielleicht liegt genau da das Problem der Kölner CDU.

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