Unbekannte FaktenWarum Köln die „abscheulichste Stadt Deutschlands“ war

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köln stadtgeschichte

Eine stetig wachsende Stadt: Blick auf die Karte von Köln und Deutz 1842.

Köln – Römerstadt, stolzer Dom, Karneval – das kommt den meisten als erstes in den Sinn wenn es um Köln geht. Doch die 2000-jährige Stadtgeschichte ist komplex. Die Historische Gesellschaft Köln hat es sich zur Aufgabe gemacht, dafür zu sorgen, dass sie aufgearbeitet und weitergegeben wird. Ihr Ziel: 13 umfangreiche und prachtvolle Buch-Bände sollen die wechselvollen Ereignisse und Entwicklungen im historischen Gesamtkontext darstellen. Neun Bände sind bisher erschienen.

„Die Historische Gesellschaft Köln ist eine Erfolgsgeschichte der Kölner Bürgerschaft. Mit ihren über 500 Mitgliedern hat sie es geschafft, die Geschichte unserer Stadt wissenschaftlich fundiert und gleichzeitig gut lesbar vor den Augen der Bürgerschaft erscheinen zu lassen“, erklärt der Vorsitzende Professor Dr. Jürgen Wilhelm zum 25-jährigen Jubiläum der gemeinnützigen Gesellschaft. Der Althistoriker, der die Reihe als wissenschaftlicher Herausgeber betreut, und der Historiker und Mit-Autor zweier Bände, Dr. Carl Dietmar, haben im Gespräch mit der Rundschau neun weniger bekannte historische Fakten hervorgehoben. Appetithappen auf mehrere tausend Seiten Lesegenuss.

1 Köln statt Rom

Als der römische Statthalter in Mainz vom römischen Kaiser Nerva adoptiert wurde, eilte er nicht nach Rom, um seinem neuen Vater zu danken. Stattdessen reiste er nach Köln. Der Grund: Krisenmanagement. „Das Heer in Niedergermanien war enttäuscht, dass ausgerechnet Trajan, der Statthalter von Obergermanien, römischer Kaiser werden sollte“, erläutert Eck. Es galt, die Gemüter zu beschwichtigen. Als Nerva starb, wurde Trajan im Jahr 98 in Köln zum römischen Kaiser ausgerufen.

2 Schummeln über Herkunft

Im 15. Jahrhundert entstand in Köln die so genannte Abstammungslegende. Einige Geschlechter, die lange in der Stadtgesellschaft den Ton angegeben hatten, behaupteten einfach von sich, römische Wurzeln zu haben. Sie seien von Trajan aus Rom nach Köln gebracht worden. „Das war völlig frei erfunden“, urteilt Eck. Der simple Zweck der Abstammungslegende: Es erhöhte in gehobenen Kölner Kreisen das Prestige, sich mit römischen Wurzeln zu schmücken.

3 „Kölnisch“ als Gütesiegel

Die überragende wirtschaftliche Bedeutung der Stadt zeigte sich im Mittelalter an der Benennung zahlreicher Waren als „kölnisch“. Beliebt war das „kölnische Garn“. Aber auch, was gar nicht in der Stadt hergestellt wurde, erhielt den Qualitäts-Zusatz. So wurde Salz aus Portugal, das Kölner Zwischenhändler vertrieben, „kölnisches Salz“ genannt. Hintergrund: die enorme wirtschaftliche Bedeutung Kölns als bevölkerungsreichste deutsche Stadt im Mittelalter.

4 Wein runter, Hering rauf

Der wichtigste Handelsartikel im Umschlagplatz Köln war im Mittelalter der Wein. Er wurde hier umgeladen, um bis nach England verschifft zu werden. Die andere Richtung nahm der Hering von der Nordsee aus. Eine Art „Lebensmittelkontrolleur“ überprüfte die Heringe in Köln, wo sie umgefüllt und eingesalzen wurden. Heringe, die für gut befunden waren, bekamen den „Kölner Brand“, ein Brandzeichen als Gütesiegel.

5 Rechte für Frauen

Frauen hatten in Köln im Mittelalter weit mehr Rechte und berufliche und wirtschaftliche Möglichkeiten als in vergleichbaren deutschen Städten. So konnten Witwen den Betrieb ihres Mannes weiterführen. In der Stadt gab es einen außergewöhnlich hohen Anteil von Frauen im Wirtschaftsleben. Und: Nur in Paris und Köln sind Frauenzünfte, also Zusammenschlüsse von Handwerkerinnen wie den Seidmacherinnen, belegt.

6 Vorreiter für Verwaltung

Die selbstbewussten und reichen Kölner Kaufleute sorgten schon früh dafür, dass sie von Päpsten und Kaisern respektiert wurden. Die Bürgergemeinde schuf sich Mitte des 13. Jahrhunderts eigene Gremien wie den Rat.

„Die Kölner waren ab dem zwölften Jahrhundert aktiv an der Ausbildung des europäischen Städtewesens beteiligt“, hat Carl Dietmar bei seinen Recherchen festgestellt. Wichtige Grundsteine für die kommunale Selbstverwaltung der Städte wurden in Köln gelegt.

7 Die Spitzenkünstler

Die bedeutendsten Künstler ihrer Zeit waren im 15. Jahrhundert – zumindest jenseits der Alpen – in Köln tätig. „Das Problem ist, dass man zwar ihre Werke, aber nicht ihre Namen kennt“, sagt Historiker Dietmar. Die Werke wurden nicht signiert. Albrecht Dürer ist es zu verdanken, dass ein bedeutender Künstler, Stefan Lochner, bekannt wurde. Als Dürer nach Köln reiste, verfasste er eine Notiz, die die Zuordnung von Werken wie „Altar der Stadtpatrone“ zum Werk Lochners möglich machte.

8 Platz für Nachrichten

Als „Nachrichtenbörse ersten Ranges“ fungierte Köln bereits im 16. Jahrhundert. „Die Stadt war eine ganz wichtige Station im Postsystem der Thurn und Taxis“, sagt Eck. Köln lag an der wichtigen Postlinie zwischen Innsbruck und Mechelen. Die Stadt war ein Knotenpunkt, an dem die Post gesammelt wurde.

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9 Verfall und Niedergang

Die Reichsstadt Köln erlebte im 18. Jahrhundert einen Niedergang. „Cöln ist in jedem Betracht die abscheulichste Stadt Deutschlands“, urteilte ein reisender Franzose im 18. Jahrhundert. Die Urteile der Reiseschriftsteller in jener Zeit waren vernichtend: Sie erlebten Köln als hässlich, dreckig, rückständig und reformbedürftig.

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