Uni KölnForscher untersuchen die Bedingungen der Sternentstehung

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Sofia

„Sofia“ das Astronomie-Flugzeug der US-Weltraumagentur Nasa.

Köln – „Adresse: Milchstraße“ steht groß am Eingang zu den Laboren mitten in Köln. Vom I. Physikalischen Institut der Universität aus greifen Teams des Sonderforschungsbereichs (SFB) 956 wissenschaftlich nach den Sternen (s. Infotext). Sie ergründen Geheimnisse, wie Sterne geboren werden und wie sich Galaxien wie unsere eigene Milchstraße entwickeln. Dafür müssen sie in die interstellaren Gas- und Molekülwolken im All schauen. Deren Hauptbestandteil: Wasserstoff.

„Der Orionnebel zum Beispiel ist eine solche Sternenkrippe, rund 1400 Lichtjahre von uns entfernt“, erläutert SFB-Sprecher Professor Stephan Schlemmer von der Uni Köln. Das international vernetzte Team mit rund 100 Mitarbeitern untersucht Bedingungen und Auswirkungen der Sternentstehung – mit Astrophysik, Laborversuchen und selbst entwickelten und konstruierten Instrumenten.

High-Tech-Werkstätten an der Zülpicher Straße

In High-Tech-Werkstätten an der Zülpicher Straße wird experimentiert, simulieren Wissenschaftler in Apparaturen und in Hochleistungscomputern die speziellen Bedingungen der Gaswolken zwischen den Sternen. Die Forscher gehen zur Erkundung der Kinderstuben im Weltall aber auch buchstäblich in die Luft und darüber hinaus: Auf Expeditionen ins All weisen an der Instituts-Decke schwebende Modelle hin: Miniaturen des „Herschel“-Weltraumteleskops und von „Sofia“ , einem Astronomie-Flugzeug der US-Weltraumagentur Nasa und des in Köln sitzenden Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.

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Wesentliche Instrumente an Bord dieser Teleskope sind an den SFB-Standorten Köln und Bonn entwickelt worden. Die Sofia-Mission ist eines der wichtigen Projekte, mit denen die Kölner Astrophysiker mit internationaler Unterstützung den Himmel kartieren.

Da Sofia oberhalb des Großteils des Wasserdampfes der Erdatmosphäre fliegt, der ansonsten Infrarotlicht abblockt, können sie die physikalischen Eigenschaften von Sternenwinden, Geburtswolken und bisher noch nicht geklärten Wechselwirkungen erforschen, erläutert der SFB-Sprecher. „Wenn sie denn fliegen darf... Wegen des Shutdowns in den USA musste sie zuletzt am Boden bleiben“, sagt Schlemmer. Einsätze des Astro-Fliegers kosten immerhin über 100 Millionen Dollar im Jahr, 80 Prozent der Kosten trägt die NASA, 20 Prozent das DLR.

„Das ist eine ernsthafte Frage!“

Mit an Bord hat die umgebaute Boeing 747SP ein Stratosphären-Observatorium samt 2,7 Meter-Teleskop für astronomische Beobachtungen. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Infrarot- und Radiowellenbereich, in dem Staub und Moleküle Licht aussenden. Aus ihrer Analyse erhalten die Wissenschaftler den spektralen chemischen Fingerabdruck, Detailinformationen über die Sterngeburten.

Für Herschel, bis 2013 im Einsatz, und auch für Sofia haben Kölner Physiker und Ingenieure Instrumente entwickelt: Diese höchst sensiblen „Augen ins All“, so Schlemmer, unterstützen die Forscher dabei, auch Antworten auf galaktisch große Fragen zu finden: Wie ist unser heutiges Universum entstanden? Wie entwickelt es sich weiter oder wie ist das Wasser der Ozeane auf die Erde gekommen? Ist es vielleicht im gefrorenen Zustand mit Meteoriten auf die Erde gelangt und damit Aminosäuren, Bausteine des Lebens? „Das ist eine ernsthafte Frage!“

Aktuell macht ein Team Schlagzeilen mit neuen Entdeckungen im Herz des Orionnebels: „Winde eines jungen Sterns verhindern die Bildung neuer Sterne in der Nachbarschaft.“ Beobachtungen der Uni Köln, des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie und der Universität Leiden/Niederlande legen nahe, dass junge Sterne Winde erzeugen, die das für ihre Entstehung nötige Material wegwehen. Massive junge Sterne wie Theta Orionis C entwickeln eine enorme Dynamik. Bisher ging man laut der in „Nature“ veröffentlichten Studie eher davon aus, dass hauptsächlich Prozesse wie explodierende Sterne, Supernovae, das Werden und Vergehen im All beeinflussen.

Zurück in die Zukunft: Die ständig weiterentwickelten Methoden und Instrumentarien des SFB 956 kommen weltweit zum Einsatz. Im Bau befindet sich ein Sechs-Meter-Teleskop in der Atacama-Wüste in Chile, das ab 2021 auf 5600 Metern Höhe Licht-Wellenlängen im Submillimeterbereich erfassen kann.

Das weltweit höchstgelegene Teleskop soll ab 2021 das Geheimnis der Entstehung des Kosmos enträtseln. Das „CCAT-prime“ ist eine Partnerschaft der Unis Köln und Bonn sowie der Cornell University/USA, des MPI für Astrophysik in Garching und kanadischen Kollegen. „Mit CCAT-prime haben wir einzigartige Möglichkeiten“, betont Projektleiter Prof. Jürgen Stutzki, „ganz neue Chancen für die Erforschung des Weltalls.“

Von „Kosma“ und anderen Physik-Geschichten

Der Bau des Super-Teleskops CCAD -Prime in Chile macht aktuell Schlagzeilen. Ein Teleskop war es auch, das der Astrophysik in Köln seit den 80er Jahren an die Fach-Spitze katapultierte und den Studierenden besonders gute Möglichkeiten bot, sich an Instrumenten und Methoden zu erproben, bestätigt der Kölner Uni-Professor Jürgen Stutzki, damals Doktorand. Die Absolventen seien damals wie heute nicht zuletzt aufgrund solcher Spitzen-Ausbildungsmöglichkeiten sehr gefragt, betont der CCAD-Projektleiter.

„KOSMA“ erregte Aufsehen, als die Testversion des Drei-Meter-Radioteleskops 1984 auf Initiative des damaligen Professors Gisbert Winnewisser auf dem Dach des Instituts an der Zülpicher Straße installiert wurde. Schlagzeilen machte das Kölner Auge ins All auch, als es 1985 mit einem 75-Tonner zum Gornergrat in der Schweiz verlagert und per Hubschrauber auf 3135 Meter Höhe geflogen wurde (s. Foto von Uni Köln). Dort wurde es von der Uni Köln und dem Bonner Argelander Institut betrieben. 2011 kam es nach Tibet.

Die Geschichte der Physik an der Uni in Köln begann mit den Bereichen Kern- und Festkörper- sowie Theoretischer Physik. Von der wohl ersten Wirkungsstätte an der Claudiusstraße und später einem Rundbau zogen die Institute Ende der 60er in die Neubauten Zülpicher 77. Laut des emeritierten Kernphysikprofessors Hans Paetz genannt Schieck gab es Ende der 30er Jahre Pläne, das Institut zum modernsten Deutschlands auszubauen, 1939 sei Richtfest des Baus samt 24-Meter-Turm gefeiert worden. Das Gebäude sei im Krieg zerstört worden.

Die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät mit der Physik wurde 1955 aus der Philosophischen Fakultät heraus gegründet. (MW)

Millionen Euro für Spitzenforscher

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Millionen Euro bewilligte im vergangenen Dezember die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Astrophysik-SFB für weitere vier Jahre. Partner sind neben der Universität zu Köln das Argelander Institut für Astronomie der Uni Bonn, das MPI für Radioastronomie Bonn und die ETH Zürich. Die DFG lobt den seit 2011 stark geförderten Bereich: An einigen Hochschulen in Deutschland „haben Sonderforschungsbereiche dazu beigetragen, ganze Fachbereiche auf und Forschungsschwerpunkte auszubauen.“

Das gilt besonders etwa für die Astrophysik an der Uni Köln, wo schon 1990 ein erster SFB startete. Außerdem werden aktuell vier Exzellenz-Bereiche (Cluster) an der Uni gefördert. Das neue, am II. Physikalischen Institut angesiedelte Cluster „Materie und Licht für Quanteninformation (ML4Q)“ hat das Ziel, neue Computer- und Netzwerk-Architekturen auf Grundlage der Quantenmechanik zu schaffen.

In Quantenrechnern werden extrem schnelle Prozessoren eingesetzt und vernetzt. Die Spitzenforscher kooperieren mit der Uni Bonn, RWTH Aachen und dem Forschungszentrum Jülich. (MW)

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