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Dank Uni Köln bald real?Nie wieder unleserliche Mitschriften aus dem Gerichtssaal

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elektronischer Gerichtssaal in Köln

Oberstaatsanwalt Markus Hartmann (Mitte) im Gerichtslabor der Uni Köln. 

Köln – „Ich sehne den Tag herbei, an dem ich nicht mehr meine schrecklichen Mitschriften entziffern muss“, sagt Oberstaatsanwalt Markus Hartmann. Mit dem so genannten Gerichtslabor, das am Mittwoch an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Kölner Universität in Betrieb genommen wurde, ist er diesem Tag vielleicht ein Stückchen näher gekommen. Denn die Kölner Universität hat ein Forschungsprojekt für den elektronischen Gerichtssaal der Zukunft gestartet. Am Mittwoch wurde das Labor eingeweiht.

Uni Köln testest audiovisuelle Dokumentation im Gericht: Umsetzung wäre Revolution

Es ist ein Projekt, dessen Umsetzung in der juristischen Praxis in Deutschland einiges revolutionieren würde. So viel, dass Landesjustizminister Peter Biesenbach bei aller Anerkennung für den Pioniergeist auch Skepsis äußerte. „Das sind dicke Bretter, die es zu bohren gilt“, sagte er. Der Minister betonte aber auch: „Mir ist kein ähnliches Projekt in ganz Deutschland bekannt.“

Im Gerichtslabor ist ein Gerichtssaal nachgebaut. Mit einem entscheidenden Unterschied: Kameras an der Decke und Mikrofone vor den Plätzen sorgen dafür, dass alle Aussagen aufgezeichnet werden. Sie werden in einer Cloud gespeichert und als Wortlaut-Dokument automatisch verschriftlicht. Die Technik stellt die Firma Fujitsu, die bereits seit Jahren Aufzeichnungen in spanischen Gerichten betreut. In Deutschland ist so etwas bisher nicht erlaubt.

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Uni Köln macht Gerichtssaal zum Forschungslabor

Das Forschungsprojekt wird neben der Uni Köln vom Deutschen EDV-Gerichtstag, dem Kölner Anwaltsverein, dem Landgericht und der Zentral-und Ansprechstelle Cybercrime NRW getragen. Diese Stelle leitet Oberstaatsanwalt Hartmann. Er beschäftigt sich intensiv mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz.

In einem rund einjährigen Forschungsprojekt sollen die Rechtswissenschaftler untersuchen, wie die audiovisuelle Dokumentation von Strafprozessen Gerichtsverfahren in Zukunft unterstützen kann. Dabei geht es aber auch um Fragen wie Datenschutz und vor allem den Umgang mit dem Revisionsrecht. Viele Fragen müssen geklärt werden.

Uni Köln testet audiovisuelle Dokumentation im Gericht: Praxistest nach einem Jahr

Während erst einmal nur Studenten im elektronischen Gerichtssaal Verhandlungen mit verteilten Rollen üben und Auftritt und Plädoyers kritisch überprüfen können, ist bereits ein nächster Schritt geplant. Nach etwa einjähriger Erprobung bei der auch juristische Fragen geklärt werden, will das Kölner Landgericht das audiovisuelle System in ausgewählten Verfahren anwenden. „Wir haben das fest vor“, sagte Gerichtssprecher Jan F. Orth und hob hervor, dass in einem solchen Fall alle Prozessbeteiligten einverstanden sein müssten.

Bei der Vorstellung des Gerichtslabors jedenfalls gab es vor allem Euphorie. Nicht nur die Effizienz durch den Einsatz von digitaler Technik wurde gepriesen. Der designierte Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Bernhard Kempen ging noch weiter.

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„Wir experimentieren mit verschiedenen Zutaten, um herauszufinden, wie man gerechtere Urteile macht“, habe er seiner siebenjährigen Tochter erklärt. Und Oberstaatsanwalt Hartmann ist von der digitalen Unterstützung nicht nur wegen seiner schlechten Handschrift überzeugt. „Plädoyers werden faktenbasierter statt erinnerungsbasiert“, glaubt er.

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