Veedels-CheckLindenthal ist ein gutbürgerliches Veedel ohne Probleme

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Dürener

Die Schlagader im Veedel: Die Dürener Straße

Mondän wäre sicherlich zu hoch gegriffen. Aber wenn es den Begriff „gutbürgerlich“ noch nicht gäbe, müsste man ihn für Lindenthal erfinden. Ein Stadtteilporträt also. Aber wo soll man anfangen angesichts der Fülle, die dieses Veedel bietet?

Ich wohne nicht in Lindenthal und habe dort auch nie gewohnt. Der Stadtteil und ich führen eine seit 25 Jahren glückliche binnenstädtische Fernbeziehung. Angefangen hat alles in der Bezirksvertretung, über die ich jetzt ein Vierteljahrhundert berichte. Damals war Hubert Frysch Bezirksbürgermeister. Jetzt führt Helga Blömer-Frerker die Geschäfte im Bezirksrathaus an der Aachener Straße. Sie macht das jetzt seit 1999. Kontinuität wird groß geschrieben im gutbürgerlichen Milieu. Wird wohl allmählich Zeit, von einer Ära zu sprechen. Helga Blömer-Frerker wohnt in Lindenthal. Sie kam 1970 aus Dinslaken an den Rhein.

Dürener Straße als Schlagader

Die Schlagader des Veedels ist natürlich die Dürener Straße. Die Einkaufsmeile ist stadtweit eine mit den meisten inhabergeführten Geschäften. Nur ganz vereinzelt trifft man auf Filialen großer Ketten. Kunden und Geschäftsleute kennen sich zum Teil schon seit Jahrzehnten. Auch dort steht Kontinuität an erster Stelle. 140 Mitglieder hat der Ring Lindenthaler Geschäftsleute, deren Fest auf der Dürener Straße vor kurzem wieder die Massen anlockte. Ganz ohne ist die Dürener Straße allerdings nicht.

Melaten

Der Melatenfriedhof in Lindenthal

Die Verkehrssituation ist mindestens chaotisch. Und es ist nicht besser geworden, seit die Benutzungspflicht für die Radwege beiderseits der Straße aufgehoben wurde. Es geht eng zu. Fußgänger queren so häufig wie unerwartet die Radwege, Türen geparkter Autos werden geöffnet, ohne auf den Radverkehr zu achten. „Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme sind auf der Dürener Straße unerlässlich für ein einvernehmliches miteinander Auskommen“, sagt Helga Blömer-Frerker.

Was die öffentlichen Grünanlagen angeht, sind die Menschen im Stadtteil mehr als üppig versorgt. Die berühmten „Kanäle“ sind einzigartig in Köln. Nach einer umfangreichen Sanierung hat das Grünflächenamt mittlerweile auch das Algenwachstum in den Gewässern im Griff. Jogger, Radfahrer und Fußgänger stellen entlang der Ufer täglich unter Beweis, dass sie sich in der Regel sehr wohl Flächen teilen können, ohne den sozialen Frieden im Stadtteil einer Belastungsprobe zu stellen (s. dazu auch S. 32). Hat man die Kanäle hinter sich gelassen, öffnet sich das Jogger-Paradies: Der Stadtwald, durchzogen von Wegen, bietet Laufstrecken aller Art. Wer mag, rennt von Lindenthal durch den Äußeren Grüngürtel bis nach Merkenich im Norden oder Marienburg im Süden. Und zurück. Wer hingegen Wert auf Gemütlichkeit legt, umrundet im Stadtwald den Decksteiner Weiher oder den Adenauerweiher.

Magnus

Albertus Magnus als Denker vor der Uni

Letzterer ist benannt nach einem ziemlich berühmten Lindenthaler. Der legendäre Konrad wohnte als Oberbürgermeister von Köln an der Max-Bruch-Straße 8. Die stattliche Villa kann man heute noch anschauen. Der damalige erste Beigeordnete der Stadt konnte sie sich 1909 nur leisten, weil sein ohnehin stattliches Gehalt von 15 000 auf 18 000 Mark aufgestockt worden war. Als Oberbürgermeister verdiente Adenauer während der Weimarer Republik mehr als der Reichskanzler in Berlin. Gut verhandelt.

Das könnte man wohl auch mehr als einmal über Heribert Resch sagen. Der war 18 Jahre lang Vorsitzender des Fördervereins des Lindenthaler Tierparks. Eine weitere Attraktion insbesondere für die Kinder. Fast eine Million Euro haben Resch und seine Mitstreiter seit 2000 gesammelt. Reiches, großzügiges Lindenthal.

Gute Gründe, sich an öffentlichem Grün zu erfreuen, bieten auch die Orte der Trauer. Der Melatenfriedhof ist eine grüne Lunge mitten in der Stadt und liegt am östlichen Rand von Lindenthal. Der Name Melaten rührt von dem bereits im 12. Jahrhundert an dieser Stelle nachgewiesenen Heim für Kranke und Aussätzige. 1243 wurde der „hoff to Malaten“ – Hof zu Melaten – erstmals urkundlich erwähnt. Ein Teil des Melatenareals diente als Hinrichtungsstätte. Heute findet man auf dem 43,5 Hektar großen Friedhof 55 000 Gräber, darunter die zahlreicher Prominenter. Unter anderem die letzte Ruhestätte der kölschen Legende Willy Millowitsch.

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In Vergessenheit geraten ist der Geusenfriedhof an der Kerpener Straße neben der Uni-Bibliothek. Er ist der älteste evangelische Friedhof des Rheinlandes. Bei seiner Erstbelegung im Jahre 1584 befand er sich außerhalb der Stadttore Kölns und bot während der Gegenreformation zunächst die einzige Möglichkeit der Bestattung evangelischer Christen. Die Bezeichnung Geusenfriedhof geht zurück auf niederländische Protestanten, die im 16. Jahrhundert als Glaubensflüchtlinge nach Köln kamen. Die letzte Beerdigung auf dem Geusenfriedhof fand 1875 statt. Seit 1829 dürfen Protestanten auf dem seitdem überkonfessionellen Melaten-Friedhof beerdigt werden.

Kanäle

Eines der Higlights im Veedel sind die Kanäle.

Kein Text über Lindenthal kann die Universität ausklammern. Genauso wenig wie die Uni-Kliniken. Beide drücken dem Viertel schon lange ihren Stempel auf. Manche sagen, sie halten den Stadtteil im Würgegriff. Gerade die Bautätigkeit der Uni-Klinik schreitet mit großer Geschwindigkeit voran. Ein Neubau nach dem anderen gibt dem Veedel permanent ein anderes Gesicht. Und schafft die üblichen Schwierigkeiten: Die ständigen Straßensperren wegen der Großbaustellen sind nicht jedermanns Sache. Anwohner konkurrieren mit Pendlern um ein auch in Lindenthal rares Gut: Parkplätze.

kriche

Der Krieler Dom

Deren Fehlen ist laut Blömer-Frerker eines der wenigen wirklichen Probleme. „Es sind zu viele Autos unterwegs. Aber sonst: Lindenthal geht es gut“, bringt sie es auf den Punkt. Natürlich könne man immer meckern. Aber in Lindenthal geschehe das auf hohem Niveau. Das wurde jüngst deutlich während der Sitzung der Bezirksvertretung: Dort beschwerte sich ein Anwohner am Clarenbachkanal, dass frühmorgens zur Schule radelnde Kinder Fußgänger behinderten. Er forderte, beide Gruppen zu trennen. Man darf Lindenthal einen glücklichen Stadtteil nennen, wenn es sonst keine Probleme hat.

Die Geschichte Lindenthals

Im April 1888 wurde das heutige Lindenthal nach Köln eingemeindet. Bei den  Eingemeindungsverhandlungen zwischen der Bürgermeisterei Efferen, zu der das heutige Lindenthal gehörte, und der Stadt Köln wurden die Orte der Landgemeinde Kriel und Teile der Bürgermeisterei Müngersdorf wie zum Beispiel  Melaten, das Weyertal und die Linder Höhe zum neuen Vorort Köln-Lindenthal zusammengefasst. Viele der Güter und Höfe im Umfeld Kriels und Lindenthals, die sich wie auch die Kitschburg im Besitz geistlicher Gemeinschaften befunden  hatten, wurden in französischer Zeit säkularisiert. 1894 kaufte die Stadt Köln die Kitschburg mit ihrem englischen Landschaftspark und die angrenzenden Ländereien im Gebiet zwischen Dürener und Aachener Straße: insgesamt 412 Morgen Land. Am 4. Juli 1895 beschloss der Rat der Stadt Köln auf der Basis des von Gartenbaudirektor Adolf Kowallek vorgelegten Entwurfes, das  150 Hektar große  Gelände in eine vom Stil des Historismus geprägte Parkanlage und den Kölner Stadtwald mit Sport- und Spielplätzen umzugestalten.

Offene Baustellen im Veedel

Eine offene Baustelle im Veedel ist streng genommen keine. Auf den Nägeln brennt den Lindenthalern die Sache trotzdem. Es geht um die Verlängerung der Buslinie 136. Im Moment verkehren die Busse bis zum St.-Elisabeth-Krankenhaus in Hohenlind.

Geplant ist, dass die Fahrgäste von Hohenlind weiterfahren können nach Westen durch die Stadtwaldsiedlung und Junkersdorf bis nach Weiden. Der Linienweg würde dann führen über die Dürener Straße mit Querung des Militärrings und dem abschließenden Abbiegen auf den Salzburger Weg. Testfahrten der KVB förderten ein erwartbares Ergebnis ans Tageslicht. Auf der Kreuzung Dürener/Militärring herrscht den ganzen Tag Hochbetrieb. Aus allen Richtungen stehen die Autofahrer im Stau.

Das Schicksal würde auch die Busse ereilen. Die Lindenthaler Bezirksvertreter beschlossen die  „unechte Zweispurigkeit“. Das heißt: Die Fahrbahn bleibt breit genug für zwei Fahrzeuge, wird aber nicht mehr unterteilt. Dann, so die Hoffnung, ist der Durchfluss an Autos größer als derzeit. Am Ende stehen soll die Dreispurigkeit der Dürener Straße  mit Wechselzeichenanlage und einem Geh- und Radweg auf  der Nordseite.

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