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Veedels-CheckPorz-Langel – eine große Familie am Rheinstrand

Lesezeit 7 Minuten
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Der Blick von Porz-Langel auf den Rhein

Porz-Langel – „Ich habe gedacht, mein Leben wäre zu Ende.“ Franz Wallraff kann sich noch gut daran erinnern, was er als 14-Jähriger gedacht hatte, als er mit seinen Eltern aus dem Severinsviertel ans gefühlte Ende der Welt ziehen musste. Das war 1974, als die Debatte um die Eingemeindung nach Köln bei den meisten Porzern für Wut und Empörung sorgte. Heute sagt der 57-jährige Speditionsleiter und Vorsitzende des Sportvereins TuS Langel: „Ich kann mir nicht mehr vorstellen, woanders zu wohnen.“ Das „Miteinander“ mache Langel schön. „Das haben wir als Städter nicht gekannt.“ Die Dorfgemeinschaft funktioniere bis heute gut, auch wenn es wie überall schwieriger werde, junge Leute für ehrenamtliche Arbeit in Vereinen zu finden. „Wir sind eine große Familie“, meint auch die Vorsitzende des Bürgervereins, Elfriede Thoma. Die vielen neuen Langeler in diese Familie zu integrieren, sei nicht immer ganz einfach. Da brauche man wohl etwas Geduld.

Seit 2010 ist die Bevölkerung um zehn Prozent gestiegen. Weitere Häuser sollen gebaut werden. Das Leben im Veedel verändert sich. Aber bislang deutet nichts darauf hin, dass Langel das, was es unverwechselbar macht, verliert. „Dat janz pettite hier“, sagt Thoma auf Kölsch-Französisch. Tatsächlich gibt es hier nur eins, was wirklich groß ist: Die wunderbare Natur des Rheinbogens mit Feldern und Wiesen, malerischen Teichen, Sand- und Kieselstränden, die je nach Pegelstand riesig werden, und ein malerischer Auwald mit Pappeln, Eschen und Bergahorn, die im Laufe des Jahres immer wieder mal im Rheinwasser stehen. Auf der anderen Rheinseite befindet sich Wesseling – das genaue Gegenteil von diesem Ort im Grünen.

653 Porzer wohnen im Durchschnitt auf einem Quadratkilometer Langel. In Nippes oder der Kölner Südstadt liegt der Durchschnittswert bei weit mehr als 12 000. Das sind 20 Mal so viele Menschen. Fast 90 Prozent der Wohnhäuser in Porz-Langel sind Ein- oder Zweifamilienhäuser. Mit dem, was man gemeinhin unter einer Großstadt versteht, hat das alles nichts zu tun.

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Die Ausflügler aus der Stadt kommen in der Regel nur bis ins benachbarte Zündorf. Dort fährt die Rheinfähre „Krokodil“, dort endet die Linie 7. Feinschmecker, die gerne lecker essen gehen, erreichen zumindest noch das Restaurant „Zur Tant“ kurz hinter der Stadtteilgrenze. Das Lokal am Rhein ist das einzige im rechtsrheinischen Köln, das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Dass sich noch etwas weiter im Süden ein wunderschönes Stückchen Köln und ein Rheindorf hinterm Deich versteckt, wissen die meisten Kölner nicht. Anfang des vergangenen Jahrhunderts war das für ein paar Jahre einmal ganz anders: Da pilgerten an manchen Tagen Tausende aus Köln und Umgebung ins Langeler Strandbad. Wie man sagt, war das bunte Treiben mit Musik und Tanz im Badeanzug einigen Honoratioren im prüden Kaiserreich zu frivol.

Als das Schwimmbad abbrannte, hatte mancher brandstiftende Sittenwächter im Verdacht. Der Rhein fließt heute deutlich schneller als damals an Langel vorbei, Schlamm und Kies lagerten sich ab, die Vegetation veränderte sich. So ist es schon lange nicht mehr möglich, schwimmen zu gehen. Das Strandbad am Langeler Lido gibt es trotzdem noch – als einfaches Lokal mit gemütlicher Außengastronomie, ein bisschen Sand fürs Strandgefühl, einem schönen Blick ins Grüne und naturtrübem Langeler Landbier.

Das ist eine der Kreationen des Langelers Timo Scharrenbroich. Der 28-jährige Diplombraumeister mit eigener Mikro-Brauerei „Scharrenbräu“ hat seinem Veedel zu einem trinkbaren Alleinstellungsmerkmal verholfen, „weil Langel so ein schöner, zusammen gewachsener Haufen mit einem Super-Zusammenhalt ist“, wie er sagt. Kölsch sei ein „Alltagsbier“, seine Angebote etwas besonderes, „so wie der Ort hier“. Als Klassenkamerad des Präsidenten der KG Rut-Wiess Löstige Langeler hat er auch für die Karnevalsgesellschaft ein eigenes Getränk gebraut, das schlicht „KG Bier“ getauft wurde.

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Wer nach weiteren Besonderheiten und Superlativen im Viertel sucht, muss bei Familie Fischer vorstellig werden. Gemeinsam geht man einem eher ungewöhnlichen Hobby nach, bei dem die meisten eher an ein kurzweiliges Freizeitvergnügen denken als an eine Vereinssportart. Die Fischers sind Mitglieder im 1. Porzer Minigolfclub Grün-Weiß von 1969 e.V.

Tochter Alexandra ist die erfolgreichste Nachwuchs-Bahngolferin der gesamten Stadt: Sie hat Medaillen bei den deutschen Jugendmeisterschaften gewonnen und rangiert zurzeit auf dem dritten Platz der nordrhein-westfälischen Jugendrangliste. Das alles klingt wohl für die meisten Kölner recht exotisch, irgendwie sehr weit weg. In jedem Fall passt es zum rechtsrheinischen Veedel am Ufer des Rheins. „Langel ist ein schönes, kleines Dorf“, sagt die 17-jährige Bahngolferin. „Man kann hier schön spazieren gehen.“ Und was kann man sonst so anstellen? „Viel mehr würde mir nicht einfallen.“ Alexandra meint das nicht böse. Ihr gefällt es hier. Wenn sie „in die Stadt“ fährt, sei sie eine gute Stunde mit Bus und Bahn unterwegs. „Man gewöhnt sich dran.“ Sie macht eine Ausbildung als Floristin – im sehr fernen Nippes. „Da merkt man schon einen Unterschied zwischen den beiden Stadtteilen“, sagt sie wertfrei.

Der Minigolfclub ist in Zündorf wie vieles, was die Langeler zum Leben brauchen. Die Verbindungen zwischen den beiden Orten ist eng, sogar die Langeler Bürgervereinsvorsitzende wohnt im Nachbarort. Elfriede Thoma ist in beiden Veedeln aktiv. Die Themen Stadtentwicklung, Wohnungsbau und Verkehr sind für beide Orte wichtig. „Wir sind nicht nur ein Verschönerungsverein, man muss sich auch um Politik kümmern“, betont Thoma.

Die große Stärke des Ortes sei das Vereinsleben. Es gibt gleich mehrere Garanten für beste Stimmung und Festivitäten. Porz-Langel hat einen eigenen Karnevalszug, für den man den Karnevalssonntag in Rosensonntag umgetauft hat. Dazu kommen Sitzungen in der Jakob-Engels-Halle. Einmal im Jahr ist Kirmes, der „Ortsring“ der Vereine lädt zum Martinsmarkt auf dem Fronhof. Weitere Gruppen organisieren sich rund um den Kirchturm der neugotischen Clemens-Kirche. „Irgendwo sind immer ein Kuchen und ein Fässchen unterwegs“, so Thoma.

Die größten Baustellen in Porz-Langel

Vom Mangel an Kita-Plätzen ist Porz-Langel deutlich stärker betroffen als andere – ein Beispiel dafür, dass es in Sachen Infrastruktur noch viel zu tun gibt. Zum Einkaufen fahren die Langeler nach Zündorf oder über die Stadtgrenze nach Ranzel – und stehen dabei nicht selten im Stau.

Anbindung verbessern

Die Verkehrsverbindungen müssten deutlich verbessert werden. Sie sind nicht gemacht für einen Stadtteil, der weiter durch Neubauten wächst. Befürchtet wird auch, dass der Schwerlastverkehr zunehmen wird, wenn Evonik im benachbarten Lülsdorf seinen Container-Hafen weiter ausbaut. Seit Jahrzehnten wird die Verlängerung der Straßenbahn-Linie 7 über Zündorf hinaus durch Langel am besten gleich bis nach Niederkassel gefordert. Für eine kurze Fortführung der Trasse mit zwei neuen Stationen gibt es seit längerem sehr konkrete Planungen. Keiner versteht, warum die Schienen nicht längst gelegt sind. Eine leistungsfähige Nahverkehrsanbindung würde zur Entlastung beitragen. 

Ausbau des Hochwasserschutzes

Bei Hochwasser steigt das Grundwasser. In einigen Straßen in Porz-Langel laufen die Keller voll. Durch die vielen Neubauten könnte das Problem noch größer geworden sein, befürchten die Anwohner. Sie wünschen sich eine Grundwassermessstelle.  

Die Geschichte von Porz-Langel

Der Ort wird bereits im Jahr 965  urkundlich erwähnt. Im Testament des Erzbischofs Bruno I. ist von einem Hof in „Lanaglon“ die Rede. Funde aus der Steinzeit deuten darauf hin, dass hier schon sehr viel früher Menschen lebten.   Bei Ausgrabungen wurde zudem ein fränkisches Gräberfeld aus dem 3. oder 4. Jahrhundert gefunden. Seit dem Mittelalter gehört Langel verwaltungstechnisch zum Amt Porz.  Mit der Eingemeindung von Porz 1975 wurde aus Langel ein Vorort Kölns.  Bis heute erinnern Kieselbänke, die sich je nach Pegelhöhe des Rheins mit Grundwasser füllen, an die nicht immer einfache Situation des Ortes.  Die Nähe zum Fluss ist nicht nur ein Segen, sondern manchmal auch Fluch.  Für die Verbindung zur linken Rheinseite sorgten lange Zeit Fähren, auch für die Dampfschifffahrt gab es eine Anlegestelle.  Mitten im Ort steht die „Friedenseiche“, die Heimkehrer aus dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 pflanzten. 

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