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Veedels-CheckFlittard – ein Paradies neben Schornsteinen

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Flittards Natur am Rheinufer vor den Türmen des Bayer-Werks.

Flittard – Hält man im Jahr 2018 zusammen in den Veedeln? Gibt es sie noch, die typisch kölschen Veedel? Mehr als 30.000 Kölner haben sich an unserer nicht repräsentativen Umfrage beteiligt und Noten für Ihre Stadtteile verteilt. Alle 14 Tage veröffentlichen wir die Ergebnisse von fünf weiteren Veedeln.

Die Ergebnisse zu den bislang veröffentlichten Stadtteilen mit Bewertungen zu den Themen Verkehr, Einkaufen, Sicherheit und vielem mehr finden Sie hier.

Flittard – das Porträt

Das Zwitschern der unzähligen Vögel, die unterschiedlichsten Pflanzen und die weitläufige Natur auf mehr als einem Quadratkilometer Fläche sind das, was Manfred Hebborn überaus schätzt an seiner Heimat Flittard. Kurz vor der Stadtgrenze zu Leverkusen befindet sich der Kölner Stadtteil, dem wohl am wenigsten von allen 86 Kölner Veedeln die Großstadtzugehörigkeit anzusehen ist. In dem im Westen an den Fluss, im Osten an das Stammheimer Klärwerk grenzenden Gebiet gibt es Auenlandschaften, Felder und naturbelassene Waldstücke rund um den "Bennewasser" genannten Altarm des Rheins.

Alles zum Thema Ford

Viel zu entdecken gibt es also für naturbegeisterte Besucher. Dank der Initiative Hebborns und der Naturschutzgruppe aus den Bürgervereinen Flittards und Stammheims können sie seit 2013 in der "Natur-Station" erfahren, was genau dort in üppiger Flora und Fauna lebt und wächst. Monatlich finden Führungen von der ehemaligen Unterkunft der städtischen Gärtner im Obstgarten direkt neben dem Stammheimer Schlosspark aus in die Umgebung statt. Der Rentner Manfred Hebborn nimmt sich viel Zeit, alles genau zu erklären. Und auch mit der Stadtgeschichte Flittards kennt der 77-Jährige sich bestens aus.

Erinnerung an die Fähre von "Utze Fritz"

"Bis in die 50er Jahre gab es eine Fähre von "Utze Fritz", die von Riehl herüber nach Flittard führte", erläutert er. Damals war die Rheinaue noch kein Naturschutzgebiet, und viele linksrheinische Kölner kamen, um die Sandstrände von Flittard zu genießen. "Auf dem Schiff von Fährmann Fritz Billstein haben sich auch viele Paare trauen lassen", erinnert sich Hebborn. Baden ist am Flittarder Rheinufer längst nicht mehr erlaubt, seit 1992 steht das Gebiet auch unter Naturschutz. Es gilt als Musterbeispiel städtischer Renaturierungspolitik, denn jetzt fühlen sich dort Reiher und Kormorane wohl, und Beerensträucher und wilde Kräuter wachsen.

Nicht völlig ungestört jedoch, denn von Flittard aus sieht man auf der anderen Rheinseite die Werke des Autoherstellers Ford - und im Norden der Schäl Sick sind die hohen Schornsteine des Bayer-Werks unübersehbare Monumente der industrialisierten Umgebung. "Wir haben uns arrangiert, auch der Austausch funktioniert gut", sagt Hebborn. Viermal jährlich gebe es Treffen, zu denen Bayer die Flittarder einlädt, um Fragen der Anwohner zu klären. Mehr als einmal hat der Chemie-Riese schon Bürgerwünsche oder Kita- und Schulprojekte finanziert.

Schützenbruderschaft, Chöre und Kegelclubs

Das stärkt auch den Zusammenhalt, den die meisten Bewohner Flittards als Markenzeichen ihres Örtchens empfinden. Seit 500 Jahren existiert bereits die Schützenbruderschaft. Chöre, Kegelclubs und viele weitere Vereine prägen das Leben im Veedel. Nicht zuletzt die große Kirmes ist weit über Flittard hinaus bekannt. Dass mit dem "Flittarder Hof" nur noch ein gastronomisches Angebot im Ortskern verblieben ist, bedauern Manfred Hebborn und viele andere Flittarder, hier wird es schnell mal eng, denn etwa das monatliche Singen des Chors und die Aktivitäten der anderen Vereine brauchen einen Ort. Auch deshalb koordiniert man sich gern und regelmäßig mit den Stammheimern - ob es die Pflege der Pflanzen und des Schlossparks betrifft oder die Karnevalsumzüge durch die Veedel. "Früher gab es mal Konkurrenz zwischen den Stammheimer Muhren und den Öß aus Flittard, heute ist das Verhältnis sehr gut", versichert Hebborn. Die Bezeichnungen als "Möhren" und "Ochsen" leitet der 77-Jährige von den historischen Wappen ab, die beide Orte lange in der Tradition der Bauern verankerten.

Davon sind nur einige wenige noch sichtbare Spuren geblieben. So pachten Brigitte und Thomas Dammann seit rund 25 Jahren den "Bongartzhof" im Ortskern Flittards von der Stadt. Mehr als 130 Hektar Ackerfläche bearbeitet das Landwirt-Ehepaar, "aber im gesamten rechtsrheinischen Stadtgebiet", fügt Brigitte Dammann hinzu. Bis vor wenigen Wochen gab es sogar noch einen Dorfladen mit Gemüse, Obst, Milch und Fleisch. Obwohl Flittard mit drei Supermärkten nicht überversorgt ist, musste der wie viele Geschäfte im ländlichen Raum nun schließen.

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