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Verkauf ohne PersonalDigitalisierungsentwickler von Rewe planen täglich die Zukunft

Lesezeit 3 Minuten
Rewe automatisch

Kisten fahren computergesteuert durch ein Hochregallager von Rewe. Waren aus verschiedenen Kältezonen werden eingepackt.

Köln – Verkäufer gibt es im Lebensmittelgeschäft der Zukunft nicht – zumindest nicht in den Modellen, die sich die Entwickler bei Rewe-Digital in Mülheim für bestimmte Anwendungen ausdenken.

Selbstfahrende Lieferwagen bringen in den Zukunftsszenarien Waren aus vollautomatisierten Lagern gekühlt bis an die Haustür, und auf dem Land rollt– ebenso unbemannt – zu bestimmten Zeiten ein mit regionalen Frischeprodukten bestückter Laden an, dessen Türen und Kühltruhen sich auf Anforderung öffnen.

„Ladengeschäft wird immer den Kern bilden“

„Grundsätzlich wird aber immer das Ladengeschäft den Kern bilden“, sagt Christoph Eltze, Vorsitzender der Geschäftsführung von Rewe Digital: „Aber die Erfahrung hat auch gezeigt, dass Digitalisiertes immer mehr und nie weniger wird.“

Alles zum Thema Henriette Reker

Das ist Rewe

Rewe ist ein Kölner Handelsunternehmen. Es machte 2018 nach eigenen Angaben 23,8 Milliarden Euro Umsatz und hat mehr als 140.000 Mitarbeiter.

Mehr als 3600 Märkte gehören zur Rewe Markt GmbH. Die Märkte werden als Filialen oder durch Rewe-Kaufleute betrieben.

1927 wurde das Unternehmen als „Revisionsverband der Westkauf-Genossenschaften“ gegründet. Die Gruppe mit heute mehr als 360.000 Beschäftigten in 22 europäischen Ländern präsent. Für das Jahr 2018 meldete sie einen Gesamtaußenumsatz von mehr als 61 Milliarden Euro. Penny, Nahkauf, Toom, Kölner Weinkeller, Karstadt Lebensmittel, Glockenbäckerei, Zooroyal, DER Touristik, ADAC reisen und einige andere Unternehmen, etwa die Billa-Kette in Österreich, gehören zur Rewe Group.

Im Juli 2014 begann Rewe Digital als Startup mit 40 Mitarbeitern. „Die saßen alle auf einem Flur. Die Betreiber des Carlswerks hier an der Schanzenstraße haben für uns benachbarte Hallen freigehalten und schrittweise ausgebaut.“

600 Spezialisten

Inzwischen arbeiten 600 Spezialisten an der Digitalisierung von Rewe und den Konzerntöchtern wie Penny, Toom und DER (siehe Kasten) – etwa 250 Entwickler, zudem Logistiker, und viele andere Spezialisten.

„Es geht nicht allein um die Webseite mit dem Warenkorb. Digitalisierung besteht aus einer Fülle von Prozessen, mit denen etwa Kunden über ihre Handy-App in einem Laden geführt werden, oder mit denen Produkte, die bei verschiedenen Temperaturen gelagert werden müssen, in ein gemeinsames Paket gepackt und bis an die Haustür geliefert werden“, sagte Eltze.

Große Mathematik

Die Prognose, welche Bestellungen an einem bestimmten Tag eingehen werden, sei dann „Big Data“, also „nicht einfach eine Excel-Tabelle“, sondern „Mathematik, die meine durchaus guten Mathe-Kenntnisse überschreitet“, erklärte Eltze.

Es sei nur eine kleine Elite von Experten, die so etwas könne, und die sei nicht komplett in Köln zu finden. „ Darum haben wir weitere 60 Entwickler in Sofia und 20 in Ilmenau“, sagte Eltze.

„Das Wetter, die wievielte Ferienwoche, die Zahl der Bestellungen an den vorangegangenen Tagen – eine Fülle von Faktoren bestimmt mit, ob eine Ladestraße im Warenlager mit einem Marketing-Push noch schnell ausgelastet werden kann, oder ob Fahrer frei haben.“

Ganz undigital

Weil Entwickeln ein kreativer Prozess ist, der anderen Regeln folgt als jahrzehntelang eingefahrene Bürohierarchien arbeiten bei Rewe Digital fachübergreifend besetzte Teams. Ganz un-digital kleben sie Zettel auf Tafeln und schreiben an weiß gestrichene Wände.

Natalia Schwarz erklärte die „agile Arbeitsweise“, die zwischen Bekanntem und Chaos in festen Zeitrhythmen funktioniert. „Zu fixen Terminen treffen sich alle an der Tafel, schnappen sich die Aufgaben und sorgen dafür, dass die Aufgabenzettel an der Wand durch alle Umsetzungsschritte ganz nach rechts in den Bereich ,erledigt‘ wandern.“

Zwei Wochen hat eine Lösung Zeit. Teammitglieder müssen vor allem Mut aufbringen. „Ohne Mut und Fehler wären wir noch lange nicht so weit“, sagte Eltze. OB Henriette Reker, die Rewe auf einer Tour zu digitalen Unternehmen besuchte, staunte und suchte Parallelen zur Verwaltungsreform. „Das ist der große Unterschied zur Verwaltung. Sie ist perfektionistisch angelegt und nicht auf Fehlerquoten.“

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