Verpflichtendes EhrenamtAmtsgericht Köln benötigt rund 900 mehr Schöffen

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Köln – Ihr Innenleben kann Doris Scherer-Ohnemüller gut verbergen. „Irgendwann kam dann die erste Faust“, schildert ein jugendlicher Zeuge den Beginn einer Schlägerei. Seinem Kumpel, der neben ihm in Saal 10 des Amtsgerichts sitzt, war damals die Schulter ausgekugelt worden. Scherer-Ohnemüller sitzt als Schöffin neben dem Richter. Die Ellenbogen hat sie auf den Tisch gestützt, die Hände gefaltet, es ist nicht zu erkennen, was sie gerade denkt.

Etwa zwölf Sitzungstermine im Jahr

Angeklagt ist ein junger Mann (21) aus Syrien, der vor vier Jahren ohne seine Eltern nach Deutschland floh. Unter anderem im Mülheimer Stadtgarten war er in eine Schlägerei verwickelt. Einem jungen Mann soll er durch einen Schlag eine Platzwunde am Hinterkopf verpasst haben. Die Tat gibt er zu. Ein Dolmetscher übersetzt ihm die Fragen des Richters. Ob ihm Sozialstunden oder eine Geldbuße lieber seien, fragt der Richter, denn der Angeklagte hat einen Job in einem Restaurant in Aussicht. Ohne große Beratung mit den beiden Schöffen wird er schließlich zu einer Geldbuße von 600 Euro verurteilt. „Manchmal reicht ein Kopfnicken. Denn Richter und zwei Schöffen sind ein ganzes Jahr als Team im Einsatz“, sagt Scherer-Ohnemüller.

Derzeit wirbt die Stadt großflächig für das Ehrenamt des Schöffen. Im September beginnt die neue Wahlperiode, dann werden für fünf Jahre wieder Laienrichter berufen. Doris Scherer-Ohnemüller hat schon beinahe 20 Jahre Erfahrung als Schöffin. „Wir haben ein sehr gutes Jugendstrafrecht mit der Motivation der Erziehung“, sagt die gelernte Sozialarbeiterin. Während ihrer Tätigkeit im Landesjugendamt sei sie einst gefragt worden, ob sie als Schöffin fungieren wolle. Und sie wollte.

Am Amtsgericht werden 890 Schöffen benötigt, am Landgericht 974. „Es handelt sich um ein verpflichtendes Ehrenamt, pro Jahr stehen zehn bis zwölf Sitzungstermine an“, weiß Richterin Maren Sütterlin-Müsse, zuständig für die Schöffen. Jedes Jahr werden die Schöffen einem neuen Richter zugelost. Im November erhalten die Ehrenamtlichen alle Termine für das kommende Jahr. „Die Fälle, die verhandelt werden, erfahren wir erst bei Verlesung der Anklage im Gerichtssaal“, sagt Scherer-Ohnemüller.

Komplizierte Urteilsfindung eine Seltenheit

An diesem Donnerstag stehen drei Verhandlungen an. Von 9.30 Uhr bis etwa 14 Uhr sitzt sie neben dem Richter. „Mit meinem Job ließ sich das meist gut vereinbaren. Letztlich ist es aber auch eine Frage der Prioritätensetzung“, sagt die Schöffin. Der Arbeitgeber darf bei Gericht den Verdienstausfall geltend machen.

Früher durften Schöffen nicht mehr als zwei Wahlperioden, also zehn Jahre, im Amt bleiben. Das hat sich inzwischen geändert. „Die Ehrenamtler erleben im Gericht eine andere Welt. Wir wählen Schöffen gleichmäßig aus alten Altersgruppen aus und versuchen auch viele Berufe zu repräsentieren, um die Gesellschaft abzudecken“, erklärt Sütterlin-Müsse. Zwischen 25 und 69 Jahre alt sollten die Schöffen sein. Bei Jugendstrafsachen wird der Richter von einer Schöffin und einem Schöffen unterstützt. „Alle drei haben bei der Urteilsfindung das gleiche Stimmrecht“, erklärt die Richterin. Doch komplizierte Urteilsfindungen gebe es selten. „Die Schuldfrage ist meist unstreitig. Und wenn es um Bewährung geht, sind viele Sichtweisen meist hilfreich“, sagt sie.

Doris Scherer-Ohnemüller hat nicht nur als Schöffin und Sozialarbeiterin reichlich Erfahrung gesammelt im Umgang mit straffälligen Jugendlichen. Seit insgesamt 15 Jahren gehört sie inzwischen dem Vorstand des Vereins „Die Brücke“ an, er begleitet beispielsweise Jugendliche bei Sozialstunden. „Ich kenne die Klientel“, sagt Scherer-Ohnemüller. Voraussetzung für das Schöffen-Amt ist dies jedoch nicht. Der zweite Schöffe in ihrem Team arbeitet bei einer Versicherung.

Wer kann Schöffe werden?

Wer Schöffe werden will, muss die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und die deutsche Sprache ausreichend beherrschen. Zu Beginn der Amtsperiode am 1. Januar 2019 darf er nicht jünger als 25 und nicht älter als 69 Jahre alt sein. Kandidaten müssen zudem in Köln wohnen.

Ausgeschlossen ist eine Berufung, wenn gegen den Bewerber ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Auch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten ist ein Ausschlusskriterium. Für die Ausübung des Ehrenamtes gibt es eine Entschädigung. Schöffen müssen für Gerichtstage keinen Urlaub nehmen und dürfen auch nicht gekündigt werden, wenn sie in das Amt berufen wurden.

Die Bewerbungsfrist endet am 30. April 2018. Bewerbungsformulare auf der Homepage der Stadt Köln.

www.stadt-koeln.de

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