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Vom Verfall bedrohtWie Vereine um den Erhalt der Kölner Forts kämpfen

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Fort_X

Fort X im Agnesviertel: Der Karnevalsverein Nippeser Bürgerwehr würde den Bau gerne übernehmen.

Köln – Großstädte sind natürlich keine Museen. Aber angesichts der immensen Zerstörungen, die Köln im Zweiten Weltkrieg erlitten hat, sollte man annehmen, dass die kostbaren Relikte der Vergangenheit mit besonderer Sorgfalt gepflegt würden. Dem ist jedoch nicht so. In Köln, so scheint es, gönnt man sich im Vertrauen auf die Strahlkraft des Doms allzu oft einen eher nachlässigen Umgang mit architektonischen Denkmälern.

Befestigungen prägen das Stadtbild

Das gilt zentral auch für das, was noch von den verschiedenen Kölner Stadtbefestigungen erhalten ist. Sie sind in zahlreichen Bauphasen und wachsenden Ringen von der Antike bis ins Deutsche Kaiserreich entstanden und prägen zumindest mittelbar immer noch das Stadtbild.

Während aber Kölnerinnen und Kölner stolz die alten Torburgen am Eigelstein, Rudolfplatz, Chlodwigplatz und andere mittelalterliche Relikte zeigen, ist der Rest der wertvollen Baumasse mit ihrem ungenutzten touristischen Potenzial in teils erbärmlichem Zustand. Wie begeistert wären andere Städte, mit römischer Architektur aufwarten und damit Gäste anlocken zu können? In Köln herrscht, so scheint es jedenfalls, irgendetwas zwischen Desinteresse und Hilflosigkeit. Wer den 75 Meter langen Abschnitt der Römermauer am Mühlenbach besucht, kann nur fassungslos staunen.

Denkmal des Monats

Als preußische Festungsstadt spielte Köln eine besondere Rolle im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Auf dem Friedhof Melaten erinnert das Franzosengrabmal an die verstorbenen Franzosen dieses Kriegs. Der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz kürte das Grabmal jetzt zum Denkmal des Monats November. Seit über 30 Jahren stellt ein Arbeitskreis des Vereins in unregelmäßigen Abständen ein besonderes Denkmal der Öffentlichkeit vor. Diesmal ist der Anlass der traditionelle Totengedenkmonat November.

„Ab August 1870 wurden 515 Franzosen auf einem Feld auf dem Friedhof Melaten beigesetzt“, sagt Alexander Hess, Leiter des Arbeitskreises „Denkmal des Monats“. Im Mai 1872 fertigte der Kölner Steinmetz Johann Baptist Bergner das Denkmal aus Sandstein im Stil der Renaissance und des Historismus an. Den Entwurf zeichnete der Kölner Architekt Carl Eduard Kühn. Auf dem Franzosengrabmal ist eine Schildplatte mit der französischen Inschrift „Zur Gedenken an die französischen Soldaten, die 1870-71 starben. R.I.P.“ angebracht. Vor dem Grabkreuz liegt der einzig verbliebene Grabstein. Er gehört dem Leutnant Donat Francius Mazugan aus Lyon, der im Alter von 28 Jahren gestorben ist.

Nach Ansicht des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz bedürfte der abbröselnde Sandstein eine Sanierung. Auch eine weitere Inschrift, auf der der Hebräerspruch „Und nun streben sie nach einem besseren Vaterland, dem himmlischen“ steht, ist nur noch schlecht lesbar. Die Signatur des Steinmetzes verblasst ebenfalls. (wer/Foto: Hanano)

Während Fortanlagen aus dem 19. Jahrhundert in anderen Städten denkmalgerecht hergerichtet und modernen Nutzungen übergeben werden, während die Nutzung der mittelalterlichen Turm- und Torbauten durch Karnevalsvereine, Jazz Haus Schule oder Feministisches Archiv nur Gewinner zu haben scheint, vermüllen und verfallen die preußischen Wehrbauten vielerorts in Köln.

Zwei Vereine wollen das historische Erbe retten

Gleich zwei Vereine haben sich gebildet, die diesem fast schon peinlichen Umgang Kölns mit diesem historischen Erbe ein Ende setzen möchten. Auf die Römische Stadtmauer konzentriert sich der „Förderverein Römische Stadtmauer Köln“. Der Verein „Fortis Colonia“ hingegen möchte der Öffentlichkeit gleich alle Phasen der Stadtbefestigung samt ihrer Auswirkungen auf die Stadtentwicklung ins Bewusstsein bringen und damit nicht zuletzt zum Erhalt der entsprechenden Bauzeugnisse beitragen. In diesem Sinne hat Henriette Meynen für „Fortis Colonia“ das 300 Seiten starke Buch „Die Kölner Stadtbefestigungen. Einzigartige Zeugnisse aus Römerzeit, Mittelalter und Neuzeit“ herausgegeben, erschienen im Regionalia Verlag. „Ziel ist es, mit dieser Publikation zu demonstrieren, dass alle noch vorhandenen Relikte der Befestigung individuelle Kulturobjekte sind“, erklärt Herausgeberin Meynen. „Dies widerspricht dem immer wieder geäußerten Vorschlag, einige der Befestigungsbauten gleicher Epoche zu vernichten, um die Sanierungs- und Pflegekosten zu sparen.“

Geführte Rundgänge zu den Zeugnissen der Geschichte

Fachkundige Autoren wurden gewonnen. Neben Herausgeberin Meynen, die lange Jahre beim Kölner Stadtkonservator gewirkt hat, sind es der ehemalige Direktor des Kölnischen Stadtmuseums Werner Schäfke, Alfred Schäfer vom Römisch-Germanischen Museum, der Geograf Alexander Hess sowie der Festungsexperte Dirk Wolfrum und der Fotograf Jens Rohde. In ihren fundierten Beiträgen versuchen sie auf lobenswerte Weise den Spagat, die Entstehungsgeschichte der verschiedenen Bauwerke einerseits nach neuestem Erkenntnisstand festzuhalten und in den zeitgenössischen internationalen Kontext einzuordnen. Doch dies andererseits in einer Sprache, bei der interessierte Laien nicht am Fachjargon der Wissenschaftler verzweifeln.

Wer sich ein eigenes Bild von diesem historischen Erbe machen möchte, den führen die Autoren auf fünf Rundgänge zu 80 einschlägigen Etappen. Vielfältiges Bildmaterial hilft beim Verständnis. Karten erleichtern die Verortung des Besprochenen. Zahlreiche Fotos dokumentieren den aktuellen Zustand der noch erhaltenen Architektur – und machen klar, dass die Stadt langsam aktiv werden muss, wenn etwa die zahlreichen ungenutzten Räumlichkeiten der preußischen Forts nicht bald einfach verrottet sein sollen.

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Ein profundes Buch somit zu einem wichtigen Thema. Wer mäkeln möchte, könnte allenfalls fragen, ob Herausgeberin und Autoren ihr Werk nicht mit ihren vielfältigen Zielsetzungen etwas überladen haben – will es doch gleichzeitig architekturhistorisches Standardwerk und Einstiegslektüre, Bildband und Stadtführer sein. Aber man kann sich auch einfach über die Publikation freuen.

Henriette Meynen (Hrsg.): „Die Kölner Stadtbefestigungen. Einzigartige Zeugnisse aus Römerzeit, Mittelalter und Neuzeit“, 300 Seiten. Regionalia-Verlag. 39,95 Euro

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