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Europawahl 2019So hat Köln bei der Europawahl 2019 gewählt

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Handarbeit: In einer Messehalle wurden am Sonntag die per Briefwahl abgegebenen Stimmen ausgezählt. Immer mehr Kölner wählen auf diesem Weg. 

Handarbeit: In einer Messehalle wurden am Sonntag die per Briefwahl abgegebenen Stimmen ausgezählt. Immer mehr Kölner wählen auf diesem Weg. 

Köln – Früh an diesem Sonntagabend ist klar, dass Historisches in Köln ansteht: Die Grünen strahlen angesichts ihres Ergebnisses, doch CDU und SPD, also die beiden größten Fraktionen im Köln Stadtrat, sinken unter die 20-Prozent-Marke, ein tiefer Einschnitt. Ein Blick auf die Erkenntnisse dieses Wahlsonntags in Köln.

„Schau mal, in meinem Wahlbezirk haben 57 Prozent grün gewählt.“ Stolz zeigte die grüne Bundestagsabgeordnete Katharina Dröge am Sonntagabend im Rathaus ihren Parteifreunden den großen grünen Balken auf ihrem Smartphone, der den schwarzen CDU-Balken und roten SPD-Balken weit hinter sich gelassen hatte. „Bei mir sind es 48 Prozent“, freute sich Brigitta von Bülow, Fraktionschefin der Grünen im Stadtrat.

Wir sind in Köln zur Volkspartei geworden“

Während auf der Internetseite der Stadt nach und nach die Ergebnisse der 1066 Kölner Wahlbezirke eintrudelten, wurde Wahlbezirke vergleichen an diesem Abend zur Lieblingsbeschäftigung unter den Politikern der Grünen. Dass man aus dieser Europawahl als die mit Abstand stärkste Kraft in Köln hervorgehen würde, dass man gar in etwa so viele Stimmen wie CDU und SPD gemeinsam erzielen würde – „damit hatte niemand gerechnet“, bekannte der Kölner Parteivorsitzende Frank Jablonski.

Alles zum Thema Henriette Reker

Nur eine Grüne war jemals in solche Dimensionen vorgestoßen: Bei der Oberbürgermeisterwahl 1999 holte OB-Kandidatin Anne Lütkes nach der Heugel-SPD-Affäre 32,4 Prozent, verlor später  in der Stichwahl  mit 45,2 Prozent gegen Harry Blum (CDU, 54,8 Prozent). Jetzt holte man ein Drittel der Stimmen – ein Wahnsinns-Höhenflug für die Kölner Grünen, die 2017 bei der Bundestagswahl 13,6 Prozent und bei der Landtagswahl 11,8 Prozent erzielt hatten. „Wir sind in Köln zur Volkspartei geworden“, betonte Jablonski.

Lange Gesichter bei  SPD und CDU

Die ersten Hochrechnungen machten bei CDU und SPD keine gute Laune, ganz im Gegenteil. Die Christdemokraten fuhren laut Parteichef Bernd Petelkau das  schlechteste  Ergebnis aller Zeiten ein, angesichts von knapp 19 Prozent sagte er: „Daran wollen wir uns nicht gewöhnen.“

Wahlergebnisse seien sehr volatil, also flüchtig, mittlerweile können sich das in vier Wochen auch wieder wenden. Aufgrund des Klimaschutzes sei die Wahl monothematisch gewesen, „wir müssen nun genau schauen, woran es gelegen hat“. Die Ergebnisse sind laut Petelkau nicht auf die Kommunalwahl 2020 eins zu eins übertragbar.

Ähnlich sah die Stimmungslage bei der noch frischen Kölner SPD-Vorsitzenden Christiane Jäger aus, als „sehr enttäuschend“ und „deprimierend“ bezeichnete  Jäger den Absturz der Sozialdemokraten auf unter 17 Prozent. „Da stimmt etwas nicht mit unserer Glaubwürdigkeit“, so ihre erste Analyse.

Über die Gründe und inwieweit in Köln besondere Indikatoren gewirkt haben, wollte sie zunächst nichts sagen. „Das ist ein desaströses Ergebnis, da gibt es nichts dran zu deuteln“, sagte SPD-Fraktionschef Christian Joisten. „Wir haben gute Inhalte geliefert, aber die wurden nicht wahrgenommen.“ Die FDP war einigermaßen schockiert, Parteichef Lorenz Deutsch bemängelte, dass die Partei ihre Konzepte bei Klima und Umwelt nicht transportieren konnte.

Die Wahlbeteiligung lag deutlich höher als 2014

Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hatte die „#KölnChallenge“ ausgerufen, mit dem Ziel, die höchste Wahlbeteiligung des Landes zu erreichen. Das hat nicht ganz funktioniert, in Münster lief die Beteiligung auf rund 70 Prozent hinaus. Aber die Wahlbeteiligung lag in Köln deutlich höher als noch vor fünf Jahren. Um 18 Uhr hatten 63,9 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, so viel wie nie bei einer Europawahl in Köln und über dem Bundestrend.

Damit hat Köln zumindest den Wettkampf gegen Frankfurt am Main gewonnen, dort war um 18 Uhr eine Beteiligung von 56,5 Prozent ausgewiesen worden. Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann hatte die Herausforderung aus Köln angenommen.

Scherzend hatte Reker zuvor noch zu Journalisten gesagt: „Wenn ich die Wette verliere, lade ich die Frankfurter nach Köln  ein, um sich unsere schöne Stadt anzuschauen.“ Aufgerufen zur Wahl waren dieses Mal 740 454 Kölnerinnen und Kölner. Eine Woche vor der Wahl hatten Zehntausende Bürger auf der Deutzer Werft für die Einheit Europas demonstriert.

In der vergangenen Woche hatten sich Bürger über gar nicht oder verzögert zugestellte Briefwahlunterlagen beschwert. Stadtdirektor Stephan Keller trat dem Eindruck einer ungeordneten Wahl entschieden entgegen: „Jeder, der an der Wahl teilnehmen wollte, konnte seine Stimme abgegeben“, sagte Keller. 200 000 Menschen hatten dieses Mal  Briefwahlunterlagen beantragt, rund 180.000 Stimmen gingen wieder bei der Stadt ein, eine Rücklaufquote von 90 Prozent, die Keller als absolut normal einstufte.

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Der Stadtdirektor räumte ein, dass in absoluten Zahlen vermehrt Beschwerden über nicht zugestellte Unterlagen zu verzeichnen waren, allerdings sei aber eben  der Anteil der  Briefwähler immer höher. Diesen Umstand würde Keller gerne umfassend diskutieren: „Wir wählen inzwischen in einem Zeitraum von sechs Wochen.“ Es werde aber schwer, diesen Trend wieder zurückzudrehen.

Die Wahlparty im Rathaus

Unter dem Motto „Rathaus4Europe“ hatte die Stadt ins Historische Rathaus eingeladen. Dort spielten Hop Stop Banda mit einem Mix aus Ethno-Folk auf und Lupo mit kölschem Pop-Rock auf.

Reker diskutierte den Ausgang der Wahl in einer Podiumsrunde mit Dr. Werner Hoyer, Präsident der Europäischen Investitionsbank, Jagello Fayl, Pressesprecher der EASA, und  Luc Hannich, der sich mit der Initiative „diesmalwähleich“ für eine hohe Wahlbeteiligung eingesetzt hatte. Dabei waren auch Aktivisten der Gruppe Pulse of Europe. Die Bürgerbewegung hatte regelmäßig auch auf dem Roncalliplatz für Europa demonstriert.

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