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Werdegang von Andrea BlomeDas ist Kölns neue Stadtdezernentin

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Andrea Blome

So rot, als würde er glühen steht er da der Dom. Über ihm schlagen Blitze aus düsteren Wolken. Andrea Blome kann das nicht aufhalten. Ein kurzer Blick zurück auf Düsseldorf und dann braust sie schnurstracks in ihrem Cabriolet rüber nach Köln.

Die Karikatur, die ihr ihre Mitarbeiter Ende 2016 zum Abschied schenken hat etwas Prophetisches. Das politische Klima in Köln ist wetterwendisch. Und Blome, damals noch Leiterin des Verkehrsamtes in der Landeshauptstadt, wird das zu spüren bekommen. Aber mit einem Detail lag der Zeichner doch daneben: Den Weg, den Blome mit der Wahl zur Verkehrsdezernentin eingeschlagen hat, ist nicht schnurgerade. Er wird für sie noch so manche Wendung bereithalten. Bei einer trägt es sie fast aus der Kurve, doch es geht gerade noch einmal gut: Am heutigen Donnerstag tritt sie das Amt der Stadtdirektorin an.

Von der Autofrau zum Radkonzept

„Ich fühlte mich damals wie der richtige Mensch zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, erinnert sich Blome. Es passt ja auch einfach alles: Stephan Keller, als Dezernent für Recht, Ordnung und Verkehr ihr Chef in Düsseldorf, wird Stadtdirektor in Köln. Sie kommt mit und übernimmt das Verkehrsdezernat. Beide auf Ticket der CDU. Der Ruf, der ihr vorauseilt: Sie sei eine Autofrau. Wird sie verkannt? Lernt sie dazu? Unter ihr nimmt der Ausbau des Radwegenetzes in Köln jedenfalls bisher unbekannte Ausmaße an. „Als ich wechselte, gewann das Thema Rad immer mehr Bedeutung, das war der Zeitgeist. Und ich war in allen Verkehrsthemen drin.“ Und sie hatte noch ein großes Plus: Ihren Vorgänger Franz-Josef Höing (Grüne). Zuständig für Stadtentwicklung und Verkehr. Sein Herz schlug für die Architektur, Verkehr war sein Blinddarm. Der bekam bei ihm nur Aufmerksamkeit, wenn es weh tat. Für Blome hingegen ist Verkehr ein Leib- und Magenthema. Sie setzt ein Radkonzept auf die Bahn, holt mit Patrik Stieler einen Verkehrsmanager, macht sich für einen modernen Verkehrsrechner stark und klemmt neue Ampeln an. Bald nimmt eine Verkehrsleitzentrale ihre Arbeit auf. Soweit, so gradlinig.

Alles zum Thema Henriette Reker

Aber natürlich kommen die Schlaglöcher. Eins mit medialer Stoßkraft: Die Deutsche Umwelthilfe verklagt die Stadt Köln wegen zu hoher Stickoxid-Werte. Die Urteilsverkündung vor dem Verwaltungsgericht eine schallende Ohrfeige: Jahrelang habe die Stadt nichts unternommen und sei nun vor Gericht erschienen, ohne ihre Hausaufgaben gemacht zu haben. Dieselfahrverbote! Fast auf dem gesamten Stadtgebiet. Blome verlässt schnell den Saal und herrscht einen ihrer Amtsleiter an: „Jetzt keine Statements zur Presse.“ Es war aber nur eine Strafrunde auf dem Weg zum Ziel. Blome verständigt sich in zweiter Instanz auf ein Maßnahmenpaket mit der Umwelthilfe. Dieselfahrverbote abgewendet.

Von der Stadtwerke-Affäre in Mitleidenschaft gezogen

„Wem es in der Küche zu heiß ist, der muss draußen bleiben.“ So kommentierte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker in einem Rundschau-Interview einst das öffentliche Gerangel um eine von der SPD vorgeschlagenen Schuldezernentin. Blome macht die Erfahrung: Nicht die Hitze in der politischen Küche Kölns ist das Problem, sondern das giftige Gebräu, das dort oftmals aufgesetzt wird. Erstmals gerät sie in dessen Dunstkreis, als auf einmal ihr Name bei der Suche nach einer neuen Vorstandsvorsitzenden für die Kölner Verkehrs-Betriebe genannt wird. Die CDU will sie. Die toxische Note an der aus fachlicher Sicht nicht zu bemängelnden Personalie: Das Vorschlagsrecht wurde der Union in Hinterzimmer-Verhandlungen zugesprochen, in denen SPD, Grüne und CDU eine ganze Reihe von lukrativen und einflussreichen Jobs untereinander verteilen wollten. Die sogenannte Stadtwerke-Affäre. Blome ist nicht involviert in den Klüngel – und dennoch in Mitleidenschaft gezogen. Ihre Bewerbung kommt nicht mehr in Frage.

Unappetitlich wird es auch nach der Kommunalwahl im vergangenen September. Die Grünen erringen einen historischen Sieg – und passen danach mit vor Stolz geschwollener Brust nicht mehr durch die Tür, berichten Teilnehmer der anschließenden Bündnisverhandlungen. Sie fordern das Zugriffsrecht aufs Verkehrsdezernat. Blome, einst von den Grünen mit ins Amt gewählt, soll gehen. Wohin? Den Grünen ist’s egal. Bei der CDU kommen groteske Ideen auf. Kulturdezernentin? Vorstandsvorsitzende der Stadtentwässerungsbetriebe? Hat das noch irgendetwas mit Qualifikationen zu tun? Blome ist studierte Architektin und praktizierende Verkehrsexpertin. Sie habe von diesen Plänen teils aus der Presse, teils aus Gesprächen erfahren, sagt sie . Und versucht noch eine Prise Gegengift zu finden: „Das war doch nicht alles so ernst gemeint.“

Die Frage nach den Qualifikationen

CDU und Blome kriegen noch einmal die Kurve. Die Union hat das Vorschlagsrecht für den frei gewordenen Posten des Stadtdirektors, nachdem Keller die OB-Wahl in Düsseldorf gewinnen konnte. Blome wird es. Sie freue sich auf die neue Aufgabe. „Ich hätte aber auch auf jeden Fall als Verkehrsdezernentin weiter gemacht“, sagt sie. Der Rat wählt Blome im Mai in das zweithöchste Amt nach der Oberbürgermeisterin. Die Grünen gratulieren mit einem Blumenstrauß.

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Doch die Frage nach der Qualifikation steht weiter im Raum. Als Verkehrsdezernentin hat sie sich die Blumen verdient, die die Grünen ihr zum erzwungenen Amtswechsel überreichten. Oder sollten es Vorschusslorbeeren für die neue Stadtdirektorin sein? Vor rund einem Jahr übernahm sie in Vertretung für Keller die Leitung des Corona-Krisenstabs. „Nicht zuletzt durch die Krisensituation konnte ich schnell vertraut werden mit dem neuen Ressort“, sagt sie. Schon vertraut, oder muss sie doch noch das Lehrgeld bezahlen, das ihr Vorgänger Keller auch schon investieren musste? Der wollte einst in Law-and-Order-Manier den Ebertplatz mit Beton zuschütten lassen, um der dort ausufernden Drogendealer-Szene das Betätigungsfeld zu nehmen. Reker pfiff ihn eilends zurück. Blome sah jüngst als Krisenstabschefin den Rechtsstaat herausgefordert, nachdem es bei der Auflösung einer illegalen Party am Aachener Weiher zu vereinzelten Flaschenwürfen von Betrunkenen kam. Eine Rhetorik, die längst nicht bei jedem gut ankam. Jede unbekannte Straße, auf die man abbiegt, hat halt wieder neue Kurven mit ganz eigenen Fliehkräften.

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