Wie leergefegtEin Streifzug durch die „Hotspots“ von Köln

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„Kalle us Kölle“ hält sich an die Verordnungen.

  • Seit Samstag gilt in ganz Köln die Sperrstunde sowie ein Verbot von Alkoholkonsum im öffentlichen Raum.
  • Durch die neuen Regelungen soll den zuletzt stark angestiegenen Corona-Infektionszahlen in Köln entgegengewirkt werden.
  • Dominic Röltgen hat sich in der ersten Nacht mit Sperrstunde in Kölns Partymeilen umgesehen.

Köln – Noch sind die Regeln der Sperrstunde und des Alkoholkonsumverbots im öffentlichem Raum nicht allen klar – am Samstagabend traten die neuen Regelungen zum ersten Mal in Kraft. Ein Streifzug durch die Nacht.

20.30 Uhr, Altstadt: Der Heumarkt gehört zu den „Hotspots“, und das bedeutet: Am Wochenende darf hier rund um die Uhr kein Alkohol verkauft werden. „Kalle us Kölle“ vom Altstadt-Kiosk öffnet eigentlich schon gar nicht mehr aus wirtschaftlichen Gründen, „sondern nur noch den Kunden zuliebe“. Er beklagt bis zu 90 Prozent Umsatzeinbuße seit Corona. Vom Verkaufsverbot ist Sylvia Fehn-Madaus zwar nicht direkt betroffen. Doch auch die Geschäftsführerin von der Gaststätte „Em Krützche“, das erst kürzlich mit einem Zertifikat für besondere Einhaltung der Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen ausgezeichnet wurde, spürt, dass mit den verschärften Maßnahmen die Gäste deutlich weniger geworden seien, weil diese nun aus Verunsicherung wegblieben. „Das ist für uns ein riesen Drama, und die viele Angstmacherei“, wie sie beklagt, „ist eher kontraproduktiv – auch wenn man das Virus natürlich ernstnehmen muss.“

21.30 Uhr, Belgisches Viertel: Im „Hotspot“ Belgisches Viertel scheint beim strikten Alkoholverkaufsverbot noch ein wenig Verwirrung zu herrschen. In den Filialen einer großen Supermarktkette kann man sich offensichtlich noch nicht so ganz entscheiden, ob denn nun normal, eingeschränkt oder doch gar kein Alkohol verkauft werden darf. Während sich in der einen Filiale Luna (21) und ihre Freundinnen noch ohne Probleme mit Kölsch eindecken können, um dieses in ihrer Airbnb-Unterkunft zu trinken, muss dagegen das Pärchen in der Filiale wenige hundert Meter weiter dem Verkäufer versichern, dass der Weißwein nicht für den direkten Verzehr gedacht ist. „Wenn Sie zum Beispiel einen größeren Einkauf mit Lebensmitteln erledigen, dann können Sie auch noch Alkohol dazu kaufen“, erklärt der Verkäufer an der Kasse. Wieder ein paar Hundert Meter weiter heißt es dagegen strikt: kein Alkohol von Freitag 20 Uhr bis Montag 6 Uhr, und die mit Flaschen gefüllten Regale sind mit Folie abgehangen.

22.20 Uhr, Zülpicher Straße: Kioskbesitzer Durmus Arslan vom Pico Coffee verliert beim Besuch von Mitarbeitern des Ordnungsamtes seine kölsche Gelassenheit nicht. Immerhin erfährt er ausschließlich Lob dafür, dass er seine mit Kölsch gefüllten Kühlschränke mit leeren Kästen verbarrikadiert hat. „Gesetz ist halt Gesetz, und gemeinsam sind wir stark“, macht er sich selbst Mut, auch wenn er die Maßnahmen doch für „zu krass“ empfindet. Er fände es fair, wenn es auch für Kioske ebenso wie für die Gastronomen heißen würde: Um 23 Uhr wird geschlossen.

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22.30 Uhr, Kwartier Latäng: Dass sämtliche Gastronomien um 23 Uhr schließen müssen, darüber herrscht am Samstag bei allen Klarheit. Und so wird auch im „Borsalino“ bereits eine halbe Stunde vorher die letzte Runde ausgerufen. Einige Gäste lassen sich noch einmal extra viel Kölsch an den Platz bringen, und alle scheinen es mehr oder weniger gelassen zu nehmen, von Aggressivität oder Renitenz ist nichts zu spüren.

Auch wenn den Sinn hinter der Sperrstunde die wenigsten erkennen wollen. „Was soll das bringen? Worauf läuft das denn bitte hinaus?“, fragen sich etwa Paul und Marc, als sie kurz vor Zapfenstreich vorm „Stiefel“, der für einen Samstagabend fast schon wie leer gefegt wirkt, noch eine Zigarette rauchen. Sie wünschten sich Maßnahmen, wie etwa in Schweden, wo es weniger Einschränkungen im öffentlichen Leben gebe. Anders als so manch anderer wollen sie gleich tatsächlich aber nach Hause und ins Bett. Bei anderen wiederum wird die bekannte Flirt-Frage „Zu dir oder zu mir?“ dieses Mal aus anderen Gründen diskutiert.

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Rollläden runter auf der Zülpicher Straße

Eine Befürchtung, die auch Murat Ayazgök von der Mango-Bar stellvertretend für die Mehrzahl der Kölner Gastronomen äußert. „Die Leute gehen jetzt sowieso in ihre Wohnungen und trinken dort weiter. Hier und in anderen Bars hat man doch wenigstens noch eine Kontrolle.“ Wegen der Sperrstunde und der ohnehin schon wenigen Gäste seit Corona fällt sein Blick in die Zukunft eher düster aus: „Wenn das noch lange so weitergeht, dann wird das kein Gastronom wirtschaftlich überleben.“

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23.05 Uhr, Zülpicher Straße: Auf der Studentenmeile sieht es fast so aus wie früher: Ein Vielzahl junger Leute tummeln sich vor den Kneipen, Bars und Imbissen, es wird geraucht, geredet oder mit Döner und Burger der Hunger bekämpft. Denkt man sich die Masken aus den Gesichtern weg und ein paar Gläser Kölsch in den Händen hinzu – fast könnte man dieses Bild als ein Zeugnis aus der Vor-Corona-Ära verkaufen. Allerdings warten die Menschen an diesem Abend eben nicht darauf, nach gerauchter Zigarette wieder zurück in die Kneipen zu gehen. Von dessen Betreibern wurden sie ja wenige Minuten zuvor vor die Türe gesetzt. Jetzt herrscht offiziell Sperrstunde. Rollläden werden heruntergefahren, Tische und Stühle im Außenbereich zusammengestellt. Und kurz darauf erinnert das Szenario auf der Zülpicher Straße eher an die gespenstische Leere aus der Anfangszeiten der Pandemie im Frühjahr.

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0.15 Uhr: Während bei den Bars Klarheit zur Sperrstunde herrscht, ist das in anderen Bereichen offensichtlich noch nicht der Fall. Ob man schließe, weil man befürchte, dass gleich eh keine Kundschaft mehr kommen werde, beantwortet der Mitarbeiter eines Falafel-Imbisses an der Zülpicher Straße etwa mit: „Nein, weil wir müssen. Auch wenn wir nur Essen ohne Alkohol anbieten.“ Bestätigt wird dies von einem Polizeibeamten, der mit einer Kollegin die Einhaltung der Regelung überwacht – wenn auch nicht mit absoluter Sicherheit. „Also soweit wir wissen, müssen auch Imbisse ab 23 Uhr schließen – zumindest in den Hotspots.“

Allerdings während man auf der „Zülpi“ oder im Belgischen Viertel wohl oder übel mit knurrendem Magen nach Hause muss, bekommt man auf der Schäl Sick in Kalk auch nach Mitternacht noch einen Döner – wenn auch nur noch zum Mitnehmen.

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