Winzige Häuser direkt am RheinKölner Kreativ-Team gestaltet Campingplatz in Poll neu

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Eine Ausstellung zeigt Tiny House-Entwürfe.

  • Die Tiny House-Bewegung hat vor allem in Skandinavien Fahrt aufgenommen. Und auch in Deutschland steigt das Interesse für die Mini-Häuser auf Rädern mehr und mehr.
  • Mit Blick auf die Wohnungsnot und den explodierenden Kosten, wird nun auch in Köln gebaut. In bester Rheinlage.
  • Wir haben einen Workshop besucht und uns mit dem Team und den Teilnehmern unterhalten.

Köln – Auf dem Wiesenhaus-Gelände am Rheinufer in Poll wird gerade viel geschraubt, gesägt, gehämmert. Ein winziges Haus auf Rädern entsteht hier während der „Passagen“-Designausstellungen. Ein Tiny House. Designfans in schicken Outfits mischen sich mit Freunden alternativer Lebensformen in robusten Klamotten, die mehr über den Trend der Mini-Mobile wissen möchten und wie man sie baut. Dabei können sie auch einen alten Campingplatz samt eigentlich noch geschlossenem Café neu entdecken.

Bis Sonntag laufen Workshops als Aktion zum Auftakt für die Neugestaltung des Platzes am Weidenweg 100. Unter Anleitung des „Tiny Collective“ aus Berlin entsteht ein Prototyp der Mini-Häuser zum Selberbauen. Donnerstag ist ab 15.30 Uhr Tag der Offenen Baustelle. „Wir stellen den Bauplan später als eine der ersten Open Source-Anleitungen online“, erklärt Joschka vom Berliner Kollektiv, Philosoph und Künstler.

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Zum „Wiesenhäuser“-Team gehören Gary Meuser, Kerstin Wittmütz und David Boucherie (nicht im Bild: Moritz Zielke)

Auf dem Areal nimmt ab jetzt darüber hinaus ein neuer „guter Ort des Lebens“ Gestalt an, wünscht sich Gary Meuser, Unternehmer mit Sinn für alternative Projekte. „Mich reizt das Thema, ich bin für den Erhalt von bezahlbaren Wohnraum und neue Formen des Lebens in der Stadt.“ Der Kölner und seine Kompagnons betreten als „Wiesenhäuser GmbH“ Neuland. Sie übernahmen den alten Campingplatz mit Saison- und Dauerstellplätzen am Wiesenhaus-Café im November. Er liegt an der Radstrecke, vis-a-vis von Rodenkirchen, umgeben von alten Bäumen und Wiesen bis ans Ufer. Nun werden alle Möglichkeiten ausgelotet, Pläne geschmiedet, Konzepte diskutiert, renoviert.

Tiny Houses sind im Trend

Die Tiny House-Bewegung hat zum Beispiel in Ländern wie Skandinavien Fahrt aufgenommen, wo Aufstellmöglichkeiten laut Experten größer und rechtliche Vorgaben weniger strikt seien. Auch in Deutschland steigt das Interesse für Mini-Häuser auf Rollen und überschaubaren Kosten mit Blick auf Wohnungsnöte, explodierende Kosten und den Wunsch, sich räumlich zu verkleinern.

Der Trend und Kosten: Sich aufs Wesentliche zu reduzieren und   günstigen Platz als Wohnung, Büro, Atelier oder Rückzugsort schaffen, das möchten auch Teilnehmer  der Workshops von „Tiny Collective“ , Berlin. Ein Haus, wie es gerade in Poll  mit dem  Team gebaut wird, kostet ohne Innenausbau etwa 15 000 Euro. Das Rohbau-Modell  mit 11 Quadratmetern Grundfläche und 4  Quadratmetern Hochbett möchte  eine Kölnerin  selbst  als Büro ausbauen.   Komplette Modelle verschiedener Anbieter können  30- bis zu 80 000 Euro kosten. (MW)

www.tinycollective.org

„Wir haben den Campingplatz mit dem Caféhaus gekauft. Die Camper auf den Dauerstellplätzen bleiben. Das Ausflugslokal möchten wir voraussichtlich im April wieder eröffnen, mit etwas mehr als Kartoffelsalat und Würstchen. Gerade checken wir alles durch“, berichtet Gary Meuser, selbst gern Camper. Er initiierte das „Neuland“-Begrünungsprojekt in der Südstadt mit, ist Teilhaber des Fahrradladens Cologne Cargo Bike. Die Wiesenhäuser, das sind neben Meuser die im kaufmännischen Bereich arbeitenden Kerstin Wittmütz und Schauspieler (Lindenstraße) sowie Designer Moritz Zielke. Mit Gastronom David Boucherie von der „Epicerie“ in der Südstadt wird das gastronomische Konzept entwickelt. Zielke betreibt mit Architektin Wibke Schaeffer auch das „Studio W“ für Ökobau. Im Wiesenhaus zeigen sie während der „Passagen“ Tiny House-Entwürfe.

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Die Workshop-Teilnehmer bauen ein Mini-Holzmobil auf dem Campingplatz.

Die Crew steckt nun mitten in den Planungen. Den Campingplatz, erzählt Gary, gebe es seit den 40er Jahren. Die letzten 15 Jahre betrieb ihn ein argentinisches Ehepaar, schon vor 30 Jahren selbst Dauercamper. Es setzte sich nun zur Ruhe und gab dem Kreativteam den Zuschlag.

Wenn ein Stellplatz frei wird, würden die „Wiesenhäuser“ gern auch Tiny-House-Besitzern Stellplätze vermieten. „Wir finden die Häuser ökologischer als die alten Wohnwagen. Sie sind richtig gedämmt, man kann darin aufrecht stehen. . .“ Es werden nur Stellplätze zur Verfügung gestellt, keine eigenen Häuschen.

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Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben den Bleistift immer parat.

Im Schnitt kostet ein Stellplatz mit 100 Quadratmetern rund 250 Euro im Monat, dazu kommt Strom. Die Camper sollten eigene Wasser- und Abwassertanks haben. Es gibt schon viele Interessenten, die sich verkleinern, einen Zweit- oder Erstwohnsitz möchten. Solch ein Mini-Haus könnten Privatleute sich „nicht so einfach in den eigenen Garten stellen, dafür ist eine Baugenehmigung nötig“, gibt Schaeffer zu bedenken. „Für Dauercampingplätze gibt es Sondernutzungsrechte.“

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Soweit sind die Workshopteilnehmer noch nicht. „Ich bin Unternehmensberaterin und überlege, mich kleiner zu setzen und vielleicht einen Arbeitsplatz darin einzurichten“, sagt eine 60-Jährige, „und ich werke gern.“ Sie schraubt und sägt in den nächsten Tagen mit rund 20 anderen. Mittags kochen die Wiesenhäuser für alle – und schmieden weiter Pläne.

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