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Zehn Jahre nach Stadtarchiv-EinsturzTanz neben den Trümmern – Köln gedenkt den Opfern

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Schweigeminute um 13.58 Uhr: OB Henriette Reker (neben zwei Künstlerinnen von „Köln kann auch anders“) mit Stadtdirektor Stephan Keller neben der Unglücksstelle.

Schweigeminute um 13.58 Uhr: OB Henriette Reker (neben zwei Künstlerinnen von „Köln kann auch anders“) mit Stadtdirektor Stephan Keller neben der Unglücksstelle.

Köln – 13.58 Uhr. Die Glocken läuten. Die Menschen neben der Baugrube halten schweigend inne. Auf den Tag, auf die Minute genau vor zehn Jahren stürzte an dieser Stelle das Historische Archiv ein, riss zwei junge Männer in den Tod und begrub die Dokumente zur Stadtgeschichte in den Trümmern.

Nur wenige Meter entfernt biegen am Sonntag die Schull- un Veedelszöch von der Severinstraße auf die Löwengasse ab, gleichzeitig ziehen Fußgruppen über den Blaubach. Karnevalsklänge und Kamelle-Rufe mischen sich mit dem Glockengeläut. Es ist ein besonderes, kein einfaches Erinnern.

„Man muss sich nur mal vorstellen, was passiert wäre, wenn der 3. März damals auf einen Karnevalssonntag gefallen wäre“, sagt Dorothee Schneider von der Bürgeriniative „Köln kann auch anders“, die wie jedes Jahr zu einer Veranstaltung an der Unglücksstelle einlud. Auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Stadtdirektor Stephan Keller, Baudezernent Markus Greitemann, KVB-Vorstand Jörn Schwarze und die neue KVB-Chefin Stefanie Haaks sind dabei. „Vor zehn Jahren geschah hier das bis dahin Unvorstellbare. Eine Tragödie, die wir nie vergessen werden“, sagt Henriette Reker. Sie sei sicher, dass an der Stelle ein Ort des Gedenkens entstehen werde. Die Kölner TNT-Brass-Band intoniert anschließend „Auferstanden aus Ruinen“, die Hymne der ehemaligen DDR. Frank Deja von „Köln kann auch anders“ sagt, dass die Katastrophe hätte verhindert werden können. „Viele waren zuständig, aber keiner verantwortlich“, kritisiert er.

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Auch die Schull- un Veedelszöch erinnern an den Einsturz, mit einer karnevalistischen Einlage. Als die ersten Gruppen gegen 11.45 Uhr am Abzweig zur Löwengasse ankommen, stoppt der Zug für ein paar Minuten, die „Hellige Knäächte un Mägde“ tanzen dort, wo alle Teilnehmer einen Bogen um die Einsturzstelle gehen müssen. „Es war ein wunderbarer Tag, blauer Himmel“, erinnert Günter Otten von der Initiative „Archivkomplex“ kurz vor dem Tanz an den 3. März 2009. „Wenig später lag das Archiv in Trümmern. Jeder hat seine persönlichen Erinnerungen davon im Kopf.“

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Viele Zug-Zuschauer wählen am Sonntag den Weg über die Severinstraße, halten vor dem Bauzaun an der Unglücksstelle inne, sprechen darüber, was hier geschehen ist: Ein Freund wohnte in dem benachbarten Wohnhaus, das damals zur Hälfte mit einstürzte, er war nicht zu Hause, aber der Schock sitzt tief, erzählt eine Frau.

„Die physische und psychische Erschütterung war schrecklich“, sagt ein Anwohner. „Die Verantwortlichen haben Angst gehabt und keine Verantwortung übernommen“, meint er. Ein anderer zieht seine Ringelmütze vom Kopf. „Aus Respekt“, sagt er und bleibt mit Blick auf die Grube stehen: „Es wird immer eine Narbe bleiben.“ Auch Elfi Scho-Antwerpes denkt zurück. Sie war schon damals ehrenamtliche Bürgermeisterin, hat die Eltern des verschütteten Khalil zum Unglücksort begleitet. Später überbrachte sie die Nachricht vom Tod des Sohnes. „Das werde ich nie vergessen.“

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