Zum Tag der HebammenWarum es in Köln so schwer ist, eine Hebamme zu finden

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Mal hören, wie es dem Kind geht: Das Ultraschallgerät unterstützt Hebammen bei der Arbeit.

Mal hören, wie es dem Kind geht: Das Ultraschallgerät unterstützt Hebammen bei der Arbeit.

Köln – Der französische Geburtshelfer Michel Odent zeichnete das Bild der strickenden Hebamme während der Geburt: Die Nadeln klappern quasi im Einklang mit den Wehen, die Hebamme wirkt als sicherer Ruhepol im Kreißsaal. Mit der täglichen Arbeit im Krankenhaus hat dieses Bild leider nicht sehr viel gemeinsam. Eine einzige Hebamme betreut bis zu vier Frauen gleichzeitig unter der Geburt.

Es sei denn, sie arbeitet als Beleghebamme. Wie Melanie Rüßmann. Die 42-Jährige ist Beleghebamme im Klinikum Holweide: Als Selbstständige betreut sie die Frauen bereits in der Schwangerschaft, bietet Vorsorgen, Kurse und Massagen an. Zur Geburt begleitet sie dieselben Frauen dann in die Klinik und betreut sie Eins zu Eins bis das Baby da ist. Studien zeigen die Vorteile dieser Geburtsbegleitung: weniger Interventionen, weniger Kaiserschnitte.

Neun Beleghebammen in Köln

Aktuell bieten nur noch zwei von acht Kölner Geburtskliniken die Möglichkeit einer Beleggeburt an: das Heilig Geist-Krankenhaus in Longerich und das Klinikum Holweide. Die einzige Beleghebamme des Severinsklösterchens ist in Elternzeit, das Krankenhaus in Porz plant nach eigenen Angaben mit der zeitnahen Rückkehr einer Beleghebamme. Neun Beleghebammen hat Köln aktuell insgesamt. Noch vor einigen Jahren gab es die Möglichkeit der Eins-zu-eins-Betreuung auch in Hohenlind, auch das Weyertal bedauert es, keine mehr zu haben. Im Severinsklösterchen gab es vor zehn Jahren rund 100 Beleggeburten im Jahr. Vor 15 Jahren waren bei den städtischen Kliniken noch sechs Beleghebammen im Dienst. Auch die Uniklinik hatte damals noch Beleggeburten.

Hebammentag

Der 5. Mai ist der internationale Tag der Hebammen. Ins Leben gerufen wurde er 1992. Seitdem weisen Aktionen und Infoveranstaltungen weltweit auf den Wert von Hebammenarbeit hin. Der Deutsche Hebammenverband hat in diesem Jahr einen Online-Aktionstag unter dem Motto „Investiert in Hebammen! Mit ihnen läuft’s besser!“ organisiert. (hes)

www.unsere-hebammen.de

Anika Lünebach ist seit Januar Beleghebamme im Heilig Geist-Krankenhaus in Longerich. Wie viele Kolleginnen arbeitet sie in dieser Funktion nicht allein, sondern mit zwei weiteren Hebammen im Team. „Wir wechseln uns mit den Rufbereitschaften ab“, erklärt die 29-Jährige. „Die Frauen lernen uns alle drei kennen und werden dann bei ihrer Geburt von derjenigen begleitet, die gerade Dienst hat.“ Denn um den Geburtsterm herum in müssen sie rund um die Uhr erreichbar sein, das Handy bleibt immer an. „Für Kolleginnen mit Kindern ist das alleine kaum machbar“, sagt Lünebach.

Sie und ihre Kolleginnen haben alle im Kreißsaal in Longerich gearbeitet und kennen die Abläufe dort – eine Voraussetzung um mit der Klinik einen Vertrag für Beleggeburten abzuschließen, sagt Lünebach. Manche Krankenhäuser arbeiten Beleghebammen ausschließlich unentgeltlich ein, zum Teil über mehrere Wochen. Ein weiterer Grund, warum es nur noch wenige Beleggeburten gibt. Dazu kommt eine über die Jahre immer weiter gestiegene Haftpflichtversicherung, die die freien Hebammen zahlen müssen. Aktuell sind es rund 9100 Euro jährlich. Mit der Beleggeburt selbst, die bei Erstgebärenden zehn Stunden oder mehr dauern kann, kommt ebenfalls im Vergleich wenig in die Kasse. Lukrativer sind Vorsorgetermine, Wochenbettbetreuung oder Kurse.

Vierer-Team in Holweide

Melanie Rüßmann ist dennoch Beleghebamme mit „Herz und Seele“, wie sie sagt. „Es macht einen großen Unterschied, nur eine Frau unter der Geburt zu betreuen und nicht gleichzeitig drei andere.“ Sie arbeitet im Team mit drei anderen Hebammen für das Klinikum Holweide.

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Im Vorfeld lernen sie die Frauen so gut kennen, dass diese bei der Geburt ein gutes, vertrautes Gefühl haben. „Ich bin sehr dankbar, das in so einem Haus machen zu können“, so die 42-Jährige. In Holweide werden viele Mehrlingsgeburten betreut, auch viele Risikoschwangerschaften. „Wir sind auch bei geplanten Kaiserschnitten dabei und für die Frauen da“, erklärt die Hebamme. Ihre Praxis Rundum bietet Beleggeburten seit 2014 an. „Ein bisschen verrückt, denn das war die Zeit, wo alle anderen damit aufgehört haben.“ Wie bald auch Anika Lünebach und ihre Kolleginnen: Ihre Zeit als Beleghebamme endet Ende Juni schon wieder. Sie werden im neu gegründeten Geburtshaus in Lindenthal arbeiten.

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