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„Nicht akzeptabel“Euskirchener AfD fühlt sich durch Studie verunglimpft

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„Ich verstecke mich nicht“, widerspricht der Journalist Michael Klarmann (l.) dem Kreispartei-Sprecher der AfD, Frank Poll. Dieses Foto war im Frühjahr in mehreren Zeitungen – unter anderem auch in dieser – erschienen.

„Ich verstecke mich nicht“, widerspricht der Journalist Michael Klarmann (l.) dem Kreispartei-Sprecher der AfD, Frank Poll. Dieses Foto war im Frühjahr in mehreren Zeitungen – unter anderem auch in dieser – erschienen.

Kreis Euskirchen – Es sieht nicht danach aus, dass das „Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus für den Kreis Euskirchen“ den Kreistag einstimmig passieren wird. Zumindest der Abgeordnete Bernd Lübke, Mitglied der AfD, dürfte seine Zustimmung verweigern.

Denn in in dem 67-seitigen Papier wird auch die AfD erwähnt – und das in einem Zusammenhang, der der Parteispitze missfällt. „In einem Atemzug mit neonazistischen Gruppen genannt zu werden, wie im vorliegenden Bericht, ist völlig unakzeptabel“, so Lübke.

Als das Konzept am Dienstag dieser Woche im Kreisausschuss für Bildung und Inklusion beraten wurde, saßen zwölf Vertreter der AfD im Zuschauerraum – darunter neben Lübke, der dem Ausschuss nicht angehört, der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen sowie AfD-Kreisverbands-Sprecher Frank Poll. Die AfD im Kreis Euskirchen, so Poll, „hat ein hohes Interesse, die Umsetzung des Handlungskonzeptes ,Rechtsextremismus und Rassismus für den Kreis Euskirchen’ zu begleiten, um der breiten Öffentlichkeit ein ausgewogenes Bild dieses mit erheblichen Finanzmitteln des Landes NRW und des Kreises geförderten Projektes zu vermitteln“, erläutert Poll.

Seriosität abgesprochen

Was aber steht in dem Konzept über die AfD? Darin wird der Journalist Michael Klarmann, der sich seit vielen Jahren mit rechten Gruppen in der Region befasst, zitiert. Seiner Erkenntnis nach sei die AfD im Kreis Euskirchen im Laufe der vergangenen Jahre „von einem wirtschaftsliberalen konservativen Verband weit nach rechtsaußen gerückt“.

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Grenzen zwischen „rechtspopulistischer Agitation, ähnlich einer deutschen FPÖ, und dem Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus“ seien zeitweise nicht mehr vorhanden, so Klarmann. Die AfD im Kreis habe zudem eine extremistische Facebook-Anhängerschaft, „die zuweilen Gewalt- und Mordaufrufe postet“. AfD-Kreischef Poll weist das entschieden zurück: „Eine solche Aussage ist reines Wunschdenken der Autorinnen, die ein leicht nachvollziehbares Interesse daran haben, einen angeblichen ,Bedarf’ für ihre mit üppigen Steuergeldern finanzierte sogenannte ,Arbeit’ irgendwie an den Haaren herbei zu ziehen.“

Hier, so Poll weiter, werde in einem durch Steuergelder finanzierten Konzept „auf einen selbst ernannten Journalisten rekurriert, der unter dem Pseudonym ,Michael Klarmann’ über Facebook und Twitter dezidiert linke Meinungsmache betreibt. Jemanden wie ,Michael Klarmann’, der im linksextremen Spektrum zu verorten ist und weder sein Gesicht zeigt, noch unter seinem Klarnamen auftritt, als Quelle auch nur in Betracht zu ziehen, zeugt von der mangelnden Seriosität der Autorinnen“, so Poll.

Der Journalist bestätigt dieser Zeitung, dass „Michael Klarmann“ in der Tat nicht sein richtiger Name sei. Das sei seinen Auftraggebern bekannt. Er begründet das damit, dass Journalisten, die in der rechtsextremen Szene recherchierten, oft Ziel von Gewalt- oder gar Todesdrohungen seien. Darauf habe auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) hingewiesen. Auch er selbst sei oft bedroht worden, erklärt Klarmann.

Klarmann widerspricht

Dass er sein Gesicht vor der Öffentlichkeit verstecke, stimme nicht: „Erst kürzlich war ich wieder auf Fotos in Zeitungen zu sehen, die über ein Referat über Rechtsextremismus in der Region berichteten, das ich gehalten habe.“ Auch für diese Zeitung hat sich Klarmann mehrmals fotografieren lassen – unter anderem im Februar diesen Jahres. „Ich nehme an“, so Klarmann, „die AfD kritisiert mich scharf, weil ich sehr sorgfältig und umfangreich recherchiert habe und via Twitter und Facebook schon länger über diese Recherchen und deren teilweise Nähe zwischen Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus auszugsweise informiert habe“.

In der Studie wird Klarmann mit der Aussage zitiert, dass es sich bei der Facebook-Seite des AfD-Kreisverbandes Euskirchen wegen der Kommentare um „eine der extremsten Seiten im Vergleich mit den Verbänden und Politikern der AfD im westlichen Rheinland/NRW handelt“. Dazu Poll: „Mit über 4600 Abonnenten bietet die Facebook-Seite der AfD Euskirchen jedermann die Möglichkeit, zu aktuellen politischen Themen Stellung zu beziehen und zu kommentieren.“

Es sollte journalistisches Grundwissen sein, dass sich Kommentare nicht ohne weiteres dem Betreiber einer Facebook-Seite zurechnen ließen. Zudem könnten sie von interessierter Seite leicht dazu genutzt werden, „inakzeptable Äußerungen abzusondern, um sich anschließend öffentlichkeitswirksam darüber zu entrüsten“. Bislang seien keine der geposteten Beiträge von Facebook gelöscht oder auch nur beanstandet worden, so Poll – trotz „sehr strenger Kontrollmechanismen“.

Die AfD fordert nun, das Handlungskonzept einzustellen. Darin entstehe nämlich der Eindruck, dass mit allen Mitteln ,rechtsextreme“ Strukturen gefunden werden sollen, „um die vom Land und dem Kreis zur Verfügung gestellten Mittel in Höhe von mehr als 175 000 Euro guten Gewissens ausgeben zu können“. Für die Verwendung des so freiwerdenden Geldes wartet die AfD mit einem Vorschlag auf: die Gründung eines „Bündnisses für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“.

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