„Willst du Bananen haben?“Euskirchener klagen über Rassismus am Fußballplatz

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Kinder spielen Fußball. (Symbolbild)

  • Ein Zwölfjähriger wird von einem Gegenspieler als Neger beschimpft. Der Verband spricht von einer Ausnahme.
  • Spieler und Trainer sagen: Beleidigungen sind an der Tagesordnung.
  • Hören Schiedsrichter bewusst weg? Wir haben mit betroffenen Kindern, Trainern und Eltern gesprochen.

Kreis Euskirchen – „Mein Gegenspieler hat mich Neger genannt“, sagt der junge Fußballer. Er kickt bei der JSG Erft 01 und ist erst zwölf Jahre alt. Die rassistische Beleidigung habe ihn total aus dem Konzept gebracht, sagt er. An Fußballspielen sei nicht mehr zu denken gewesen. Als dann auch noch Eltern und Zuschauer in die rassistischen Beschimpfungen einstimmten, sei alles vorbei gewesen. „Ich habe geweint“, sagt der Junge, der in Deutschland geboren ist und dessen Eltern aus dem Kongo stammen.

Rassismus sei seit der Grundschule sein ständiger Begleiter. „Zunächst vermeintlich harmlos – nach dem Motto, wenn ich dich anfasse, werde ich auch schwarz. Später wurden die Beleidigungen heftiger und ich bin sogar von Mitschülern körperlich angegriffen worden“, berichtet der Gymnasiast und zeigt auf seine Narbe am Hals.

Die Anfeindungen wurden so extrem, dass er die Schule gewechselt habe: „Ich habe gelernt, damit umzugehen. Ich versuche, die Sprüche als Motivation zu nehmen und noch besser zu spielen.“

Trainer war überfordert

Dass die Partie, in der er als Neger beschimpft worden war, gewonnen wurde, sei nur ein schwacher Trost gewesen. Auch für JSG-Erft-Trainer Trainer Kevin Greuel fühlte sich der sportliche Erfolg wie eine persönliche Niederlage an.

„Ich habe einen Fehler gemacht. Ich hätte die Mannschaft vom Platz holen müssen“, sagt der Übungsleiter rückblickend. Er sei mit der Situation überfordert gewesen. „Ich dachte, dass er da durch müsse, so etwas noch häufiger vorkommen werde“, sagt Greuel.

Für ihn sei es der erste Kontakt mit Rassismus auf dem Fußballplatz gewesen. Im Nachhinein sei ihm schnell bewusst geworden, welche Spuren die Worte bei seinem Spieler hinterlassen hätten.

Es folgten Gespräche mit Eltern, Mitspielern und dem JSG-Vorstand. Und es reifte der Entschluss, anders zu reagieren, sollte einer seiner Schützlinge noch einmal so massiv beleidigt werden.

„Dann hole ich die Jungs vom Platz, auch wenn das bedeuten könnte, dass das Spiel am grünen Tisch als verloren gewertet wird“, sagt Greuel, in dessen Team acht Nationalitäten vertreten sind. Es sei eine echte Multikulti-Truppe. Eine, die durch den verbalen Angriff zusammengewachsen sei, sich seitdem aktiv mit Rassismus auseinandersetze.

„Wir thematisieren die unterschiedlichen Kulturen immer wieder“, so Greuel. Auch, weil die Attacke auf den Zwölfjährigen kein Einzelfall sei. Einige seiner Mitspieler berichten ebenfalls von Anfeindungen, von Sprüchen, die weit unter der Gürtellinie waren. So sagt der aus Afghanistan stammende Vereinskollege des Zwölfjährigen, dass er als „Scheiß Flüchtling“ bezeichnet worden sei.

„Scheiß Türke“

Auch der 23-jährige Ozan Kesen ist schon Opfer rassistischer Beleidigungen geworden. Er sei auf dem Sportplatz von Gegenspielern und Zuschauern als „Scheiß Türke“ und „Scheiß Kanake“ bezeichnet worden.

Er versuche, solche Sprüche auszublenden und sich aufs Spiel zu konzentrieren. Immer gelinge ihm das aber nicht, gesteht der 23-Jährige: „Dann revanchiere ich mich, in dem ich beim Zweikampf etwas härter zur Sache gehe.“

Im Großen und Ganzen könne er mit Rassismus im Fußball ganz gut umgehen. „Weil ich weiß, dass die Emotionen einen großen Einfluss darauf haben“, sagt der Spieler des SV Nierfeld.

Wolfgang Prieß ist Trainer des SV Bessenich. Eine Mannschaft, in der viele Akteure ausländische Wurzeln haben. Das war beim SV Zülpich, bei dem Prieß zuvor mehrere Jahre tätig war, nicht anders. „Meine Spieler müssen sich oft Dinge wie ,Ihr habt hier nichts zu suchen’ oder ,Junge, warum bist du denn so schwarz? Willst du ein paar Bananen haben?’ anhören“, sagt Prieß.

Bei einem Probetraining seines sechsjährigen Sohns beim 1. FC Köln sei er Zeuge eines beschämenden Ausrufs eines Zuschauers geworden: „Ein dunkelhäutiger Spieler kam etwas später auf den Platz. Da rief ein Zuschauer doch tatsächlich ,Zu lange im Ofen gewesen, oder was?’“ Ein Einzelfall?

Mitnichten, so Prieß. Auf den Plätzen im Kreisgebiet seien Rassismus und Beleidigungen an der Tagesordnung. „Wenn die eigene Leistung nicht mehr ausreicht, wird eben so richtig durchbeleidigt“, erzählt er und fügt fast schon resignierend hinzu: „Das will aber von den Offiziellen keiner wahrhaben. Die Wahrheit will keiner hören. Es wird einfach nichts unternommen.“

Keiner wolle die Wahrheit hören

Er habe mal einen Schiedsrichter gebeten, eine rassistische Äußerung in den Spielbericht einzutragen. Der Unparteiische habe die Situation aber heruntergespielt und sie schließlich nicht in den Bericht aufgenommen. Doris Mager, seit April Vorsitzende des Fußballkreises, nimmt die Unparteiischen in Schutz.

„Ich glaube nicht, dass Schiedsrichter bewusst weghören“, sagt sie. Vor einer Woche erläuterte Mager auf Nachfrage, dass sie zum Thema „Rassismus“ nichts Detailliertes sagen könne. Sie könne nicht ausschließen, dass es im Spiel zu verbalen Entgleisungen komme, aber ihr sei kein Fall von Rassismus bekannt. Wenige Tage später verurteilte der Fußballverband Mittelrhein (FVM) die SG Rotbachtal/Strempt zu einer Geldstrafe in Höhe von 500 Euro.

„Schiri, ich schlag dich tot“

Wo es Rassismus gibt, ist Gewalt nicht weit. Die Erfahrung musste ein Schiedsrichter in der vergangenen Saison machen. Allerdings verpasste es der Fußballkreis nach Informationen dieser Zeitung, ein Zeichen zu setzen. „Schiri, ich schlag dich tot“, habe der Unparteiische nach dem Abpfiff von einem Zuschauer zu hören bekommen.

Der Spielleiter vermerkte den Vorfall im August 2018 nach Rücksprache mit dem Staffelleiter auch ordnungsgemäß im Spielberichtsbogen.

Allerdings nahm dieser dem Schiedsrichter zufolge den Haken bei „Gewaltandrohung“ kurze Zeit später wieder aus dem Spielbericht, nachdem er sich mit der Spruchkammer kurzgeschlossen hatte. „Die Aussage des Zuschauers sei zu wenig gewesen, weil ein solcher Vorfall ja sonst direkt an den DFB weitergeleitet werde“, so der Unparteiische.

Es habe sogar anschließend noch nicht mal eine Spruchkammer-Verhandlung gegeben, ärgert er sich. (tom)

Der Grund: Bei einem Spiel der SG hatte ein Schiedsrichter genau hingehört. Der Unparteiische fertigte einen Sonderbericht an, weil ein Zuschauer einen Spieler rassistisch beleidigte. Der FVM bestrafte den Verein schließlich für das moralisch verbale Foulspiel. Ein Vorgang, der an der Chefin des Fußballkreises vorbeigegangen war.

„Wenn im Spielbericht angekreuzt wird, dass es Gewalt oder Diskriminierung gegeben hat, geht der Fall direkt zum Verband und zum DFB“, erläutert sie. Bisher. Einen Tag nachdem sie von dem Urteil erfahren hatte, führte sie zahlreiche Telefonate. Das Ergebnis: „Ich will über solche Vorgänge Bescheid wissen und nicht im Regen stehen gelassen werden. Das geht gar nicht. Künftig werde ich sofort darüber informiert“, versichert sie.

André Knips, Trainer der SpVg Ländchen-Sieberath, nimmt die Schiedsrichter ebenfalls in Schutz: „Sie können nicht überall sein und alles mitbekommen“, sagt er: „Wenn sie aber eine Beleidigung mitbekommen, müssen sie auch Rückgrat haben und sie eintragen.“

Affenlaute imitiert

Migrationsrassismus habe er bisher auf den Plätzen nicht häufig wahrgenommen, Alltagsrassismus sei aber praktisch an der Tagesordnung. „Wir hatten auch schon bei uns mal Zuschauer, die einen rassistischen Spruch gebracht oder Affenlaute imitiert haben. Wir haben das intern geklärt, weil wir uns als Verein da klar positionieren“, sagt er.

Beleidigungen gibt es laut Knips auf dem Spielfeld immer wieder: „Wir werden ja auch als Bauern bezeichnet. Das ist in den seltensten Fällen ein Kompliment.“ Beim kurdischen Verein FC Heval Euskirchen habe man sich an Beleidigungen gewöhnt, sagt Vereinssprecher Hasan Yazgi: „Das macht es nicht besser, aber wenn wir uns auf die Provokationen einlassen, machen wir es auch nicht besser.“ Er fügt hinzu: „Dann sind wir vielmehr die Doofen, weil jeder nur noch über den Verein mit den südlichen Charakteren spricht, der mal wieder über die Stränge geschlagen hat.“

Das sagt der Verband

Ellen Bertke, Pressesprecherin des Fußballverbands Mittelrhein (FVM), sagt: „Wir bieten regelmäßig Schulungen an und es gibt auch Handreichungen für Trainer und Schiedsrichter.“ Zudem sei eine NRW-weite Anlaufstelle für alle Mitglieder und Vereine der Fußball-Landesverbände im Westdeutschen Fußball-Verband in Planung. 

Laut Lagebericht des DFB stellen Gewalt- oder auch Diskriminierungsfälle, gemessen an der Zahl der absolvierten Spiele, eine Ausnahme dar. „Klar ist aber auch: Jeder einzelne Fall ist einer zu viel und muss geahndet werden. Gewalt und Diskriminierung spiegeln leider gesellschaftliche und soziale Konflikte wider, die auch im Umfeld des Fußballs ausgetragen werden“, so Bertke.

„Laut Spielordnung sind Mannschaften nicht berechtigt, ein Spiel abzubrechen. Dies obliegt ausschließlich dem Schiedsrichter als neutralem Spielleiter“, so Bertke. Anders sei der allgemeine Spielbetrieb nicht durchführbar. Auf Verbands- und Kreisebene werden der FVM-Sprecherin zufolge  Schiedsrichter in ihrer Aus-und Weiterbildung regelmäßig zum Verhalten und den Handlungsmöglichkeiten auch bei Diskriminierungsvorwürfen sensibilisiert. 

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