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Angst und Schrecken verbreitetProzess gegen Schleidener Brandstifter beginnt

Lesezeit 3 Minuten
Gymnasium Schleiden

Der 15-jährige Angeklagte gestand, drei Brände am Gymnasium in Schleiden gelegt zu haben.

  • Am Donnerstag beginnt vor der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts Aachen der Prozess gegen den 15-jährigen Brandstifter aus Hellenthal.
  • Er soll für sieben Brandstiftungen im Schleidener Tal verantwortlich sein. Unter anderem legte er ein Feuer im Schleidener Sturmius-Gymnasium.
  • Vor dem Prozessauftakt erklärt Richter Ernst Wilden, worauf die verantwortlichen Richter und Schöffen achten werden.

Aachen/Schleiden/Hellenthal – Vor der 8. Großen Jugendstrafkammer des Landgerichts Aachen beginnt am Donnerstag der Prozess gegen den 15-jährigen Hellenthaler, der mit sieben Brandstiftungen die Menschen im Schleidener Tal in Angst und Schrecken versetzt und großen Schaden angerichtet haben soll.

Neben der Brandstiftung im Schleidener Sturmius-Gymnasium, die Schäden in Millionenhöhe verursachte, wird im Verfahren besonders der Brand eines Einfamilienhauses im Fokus stehen, bei dem sich die Bewohner nur durch einen Sprung aus dem Fenster im Obergeschoss retten konnten.

Deshalb ist der 15-Jährige nicht nur wegen schwerer und einfacher Brandstiftung angeklagt, sondern wegen versuchten Mordes und Körperverletzung. Bei versuchtem Mord handelt es sich um einen Tatbestand, der bei Jugendlichen maximal mit einer Jugendstrafe von bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug geahndet werden kann.

Die Öffentlichkeit wird vom Prozess ausgeschlossen

Trotz des großen öffentlichen Interesses bleibt die Öffentlichkeit in diesem Prozess ausgeschlossen. Das hat der Gesetzgeber bei Strafprozessen gegen Minderjährige so vorgesehen. Dabei, so erläuterte Thomas Birtel, Pressesprecher des Landgerichts Aachen, auf Anfrage der Redaktion, gehe es zum einen um den Persönlichkeitsschutz des jugendlichen Angeklagten. Er solle nicht öffentlich bloßgestellt und dadurch möglicherweise später in einer positiven Entwicklung gehemmt werden.

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Aber auch zur Wahrheitsfindung soll eine jugendangemessene Atmosphäre hergestellt werden. Denn ebenso, wie Jugendliche durch eine große Öffentlichkeit im Gerichtssaal eingeschüchtert werden könnten, gebe es den Fall, dass jugendliche Täter Geltungsstreben entwickelten und sich vor Zuhörern erst recht in den Mittelpunkt stellten.

Jugendlicher wurde nicht als schuldunfähig eingestuft

Zugelassen werden können aber auch in einem nichtöffentlichen Jugendstrafprozess die Opfer, wobei die in der Regel auch als Zeugen vernommen werden. Wollen sie wegen einer Traumatisierung einem Täter nicht gegenübertreten, besteht für sie die Möglichkeit der späteren Akteneinsicht.

Schon die Tatsache, dass es zum Hauptverfahren kommt, zeigt, dass der 15-Jährige bei einer psychologischen Beurteilung im Vorfeld nicht als schuldunfähig eingestuft wurde. Das kann allerdings auch im Laufe des Verfahrens noch geschehen.

Für die drei Berufsrichter und die beiden Schöffen wird vor allem der Erziehungsgedanke im Vordergrund stehen. Im Jugendstrafrecht spielt der Sühnegedanke eine untergeordnete Rolle. Hier geht es vor allem darum, auf einen jungen Straftäter erzieherisch so einzuwirken, dass er in seinem späteren Leben nicht mehr straffällig wird. Haftstrafen, so Birtel, seien im Jugendstrafrecht nur das letzte Mittel, wenn andere erzieherische Maßnahmen nicht mehr ausreichten. Dabei spielten auch schädliche Neigungen oder die Schwere der Schuld eine Rolle.

„Sprechen über junge Leute voller Lebenserwartung“

„Wir haben ein tolles Jugendrecht“, sagt Ernst Wilden. Der Ruheständler hat in seiner fast 35-jährigen Amtszeit als Richter mit seiner ruhigen, umsichtigen Art, zu der auch eine natürliche Autorität gehört, ungezählte Jugendstrafsachen am Amtsgericht Schleiden verhandelt.

Von „Richter Gnadenlos“ hält er auch heute genauso wenig wie von „Kuschelurteilen“. Wilden ging und geht es um die Jugendlichen: „Wir sprechen über junge Leute voller Lebenserwartung und Chancen.“ Auch wenn sie Taten mit schrecklichen und weitreichenden Folgen begangen haben, gelte es, „den Jugendlichen, die vor einem sitzen, gerecht zu werden“, so Wilden im Gespräch mit dieser Zeitung.

Lässt der Angeklagte einen an sich ran?

Neben Hilfestellungen, beispielsweise auch im medizinisch-psychologischen Bereich, sieht Wilden einige Fragestellungen in Jugendverfahren als elementar an: Lässt er einen an sich ran? Denkt er darüber nach, was er für einen Mist gebaut hat? Oder blockt er vielleicht alles ab? Zudem sei die Einschätzung des Jugendlichen selbst genauso wichtig wie die Frage, warum es zu einer Tat kommen konnte.

Im Zentrum solle stets die Überlegung stehen, wie ein straffälliger Jugendlicher wieder in die Gesellschaft integriert werden könne. Wilden: „Was hätte die Gesellschaft davon, wenn nach vielen Jahren einer zurückkehrt, der sich lange überlegen konnte, wem er das wie heimzahlt?“

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