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Bad Münstereifel nach dem UnwetterAufräumen am Ort des Schreckens

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Zerstörung in der Innenstadt in Bad Münstereifel

Bad Münstereifel – Keine 40 Stunden nach dem Starkregen liegt über Bad Münstereifel ein Nebelfilm, als wenn dieser das gesamte Grauen in sich verhüllen will. Die Stimmung in der Stadt ist gespenstisch, sie ist aber auch sehr angespannt, denn einige Unentwegte sind an den Ort des Schreckens zurückgekehrt und widmen sich der großen Aufräumaktion.

„Wo soll man hier anfangen?“, fragt ein Geschäftsmann, der nicht nur sprichwörtlich vor einem Scherbenhaufen steht. Die Erft und die gewaltigen Wassermaßen haben die Kurstadt in einer einzigen Lawine überrollt und alles mit sich gerissen, was sich ihr in den Weg gestellt hat.

Unzählige Autos, Mauern, Gartenhäuser sind den Fluten zum Opfer gefallen und selbst eine Brücke, die in Höhe des Schwimmbades verankert war, wurde bis vor das St. Angela Gymnasium getragen. „Die Stadt sieht aus wie nach einem Krieg, nur nicht mit so einer gemeinen Luft wie damals", schildert ein älterer Bürger seine Kindheitserinnerungen aus der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs.

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Nahezu alle Geschäfte und Wohnhäuser vom Kreisverkehr am St. Angela Gymnasium bis zum Friedhof am anderen Ende der Stadt hat es hart getroffen und noch immer ist die Lage unübersichtlich. Ein älteres Pärchen aus Baden-Baden war in einem Hotel untergekommen und hatte seinen Oldtimer an der Werther Straße geparkt. Dieser wurde aber genau so von den Wassermassen mitgerissen wie nahezu alle Brücken des Kernorts. Selbst vor der Historischen Stadtmauer, hat das Wasser keinen Halt gemacht. Die Mauern wurden unterspült oder aber da, wo der Druck so stark war, weggerissen.

Die Stimmung in der Stadt ist gemischt. Die Menschen helfen sich sehr solidarisch und unterstützen sich, wo es geht, aber Gaffer bekommen auch den rauen Ton der Kurstädter zu hören. Eine Hundertschaft aus Köln ist angerückt, um den Ort vor möglichen Plünderungen zu schützen, aber auch um zu helfen. Sie regeln den Verkehr rund um die Stadt und stehen genau wie Stadtbedienstete für Fragen zur Verfügung.

Bad Münstereifel: Rettung mit dem Hammer

Ein Geschäftsmann, dessen Geschäft durch den gewaltigen Druck der Wassermassen binnen weniger Sekunden komplett geflutet war, wusste sich nur noch mit einem Hammerschlag zu retten. „Ich habe die Scheibe nach hinten zertrümmert, damit das Wasser durchfließen kann“. Er und viele andere auch sagen schon heute, dass sie gewillt sind, irgendwann wieder zu eröffnen. Wann das sein wird, wird sich zeigen. Es wird vermutlich Monate, teilweise sogar Jahre dauern, bis wieder Normalität zurückkehrt.

Bis dahin packen viele Freunde und Anwohner mit an und räumen ihre Stadt auf. Probleme bereiten immer fehlender Strom und Frischwasser. So musste das Pflegeheim am alten Stadttor geräumt und die 75 Anwohner auf umliegende, aber nicht zum Kreis gehörende Heime verteilt werden. Auch hier waren die Mitarbeitenden viele Stunden im Dauereinsatz, um es den Bewohnern so angenehm wie möglich zu machen.

Bad Münstereifel: „Wie nach einem Bombenangriff“

„Es ist wie im Krieg gewesen. Wie nach einem Bombenangriff“, sagt ein anderer Anwohner. „Die Stadt, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr.“ Er sei immer noch vollkommen schockiert, berichtet er. „Wir haben Löcher in der Straße, einen bis eineinhalb Meter breit, die sehen aus wie Bombentrichter“, so der Anwohner.

Dabei sah es am Mittwochabend erst gar nicht so schlimm aus, berichtet der Anwohner: „Zunächst war es nur ein kleines Rinnsal.“ Eine weitere Anwohnerin hatte ein Video in eine WhatsApp-Gruppe geschickt, auf der das Bächlein zu sehen war. Doch schon zehn Minuten später hatte sich aus dem Rinnsal ein reißender Fluss entwickelt. „Wir haben gedacht, wir schaffen das irgendwie und kommen dran vorbei.“ Keine 30 Minuten später hatte diese Hoffnung aber keiner mehr der Anwohner: „Das waren plötzlich Wassermassen, dass kann man sich nicht vorstellen“, beschreibt der Anwohner immer noch fassungslos.

Wassermassen kamen von zwei Seiten

Von zwei Seiten kamen die Wassermassen, nicht nur die Erft runter, sondern auch von der Seite: Irgendwo war die Erft aus ihrem Flussbett getreten, wodurch sich die Wassermassen den Weg hinter dem Rathaus entlang bahnten. Eine riesige Welle hatte sich entwickelt und solch eine Kraft, dass Autos und sogar Transporter auf der Erft schwammen. „Ich habe mich gefragt, wie das funktioniert, wo der her geht. Und dann ist der einfach unter der ersten Brücke hindurch“, schildert der Anwohner. „Das ist nicht zu glauben.“

Er selbst hat zusammen mit seiner Frau noch versucht, das Geschäft auszuräumen und die wichtigsten Sachen zu retten: Erfolglos. „Wir mussten den letzten Stuhl stehen lassen, weil das Wasser kam. An die großen Schränke war gar nicht mehr zudenken.“

Komplettes Haus hinter dem Werther Tor weggerissen

Das Wasser hatte solch eine Kraft, dass die Geschäfte weder Scheiben noch Inneneinrichtungen mehr haben. Hinter dem Werther Tor wurde ein komplettes Haus auf Höhe der Volksbank-Filiale weggerissen. Nur noch der Kamin steht und ragt in die Luft. Am Bahnhof stand ein Haus in zweiter Reihe zum Verkauf: Auch das Haus gibt es jetzt nicht mehr. Die Nahversorger wurden ebenfalls überflutet und zerstört. „Du stehst vor einer zerstörten Stadt“, sagt der Anwohner.

Und dabei hatten die Anwohner zusammen mit den Outlet-Betreibern seit 2014 enorme Gelder in das kleine Städtchen investiert und die Innenstadt aufgehübscht. Die Wassermassen haben die jahrelange Arbeit in zwei Stunden ausgelöscht. „Bis zu fünf Jahre wird es dauern, bis alles wieder aufgebaut ist, sagte einer der Outletbetreiber“, so der Anwohner. Am Donnerstag waren einige Verantwortliche des Outlets nach Bad Münstereifel gekommen um sich den Schaden anzusehen.

Erhebliche Schäden an den beiden Gymnasien

Neben den Geschäften und Wohnhäusern in der Innenstadt hat das Wasser auch bei den beiden Schulen, dem Erzbischöfliches St.-Angela-Gymnasium und dem St. Michael-Gymnasium, einen erheblichen Schaden angerichtet. Das Selbstlernzentrum mit Bücherei des St.-Angela-Gymnasium hat es „ganz übel erwischt“, wie der Anwohner erzählt. Die Brücke, über die die Schulbusse die Schüler zum Gymnasium bringen, steht nicht mehr.

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