Bad MünstereifelRat stimmt geschlossen für gesägtes Pflaster in Innenstadt

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Abgesägtes Pflaster wie hier in der Marktstraße soll in der gesamten Stadt verlegt werden.

Abgesägtes Pflaster wie hier in der Marktstraße soll in der gesamten Stadt verlegt werden.

Bad Münstereifel – Nein, Bad Münstereifel bekommt immer noch keine Rollatorspur. Das entschied der Stadtrat in einer kurzfristig einberufenen Sitzung am Montagabend. Stattdessen wird die Innenstadt zwischen Werther Tor und Orchheimer Tor inklusive des Entenmarktes ein gesägtes Pflaster erhalten, so wie es auch schon auf der Marktstraße und der Langenhecke zu finden ist.

Die Kurzfristigkeit war der Größe des Projekts geschuldet. Denn die Gesamtfläche beläuft sich laut Ingenieur Christian Lorenz auf rund 8850 Quadratmeter. Bei etwa 50 Pflastersteinen pro Quadratmeter bedeutet das eine Gesamtsumme von 442 000 Pflastersteinen, die in Bad Münstereifel verlegt werden müssen. Die Lieferzeit beträgt rund drei Monate. Bestellt werden müssen die Steine in der Türkei oder in Vietnam. „In Deutschland gibt es sie nicht in ausreichender Menge“, erklärte Lorenz den Ratsmitgliedern. Der Kostenpunkt inklusive Verlegung beläuft sich auf fünf bis sechs Millionen Euro.

Losgehen soll es am 3. Januar. Als Projektende wird der 30. Juni 2022 genannt – bis dahin sollen alle Pflastersteine liegen. Doch bis überhaupt gestartet werden kann, ist es noch ein weiter Weg. Denn allein die Voraussetzungen sind enorm. In den kommenden drei Monaten müssten alle Ver- und Entsorgungsleitungen repariert oder neu verlegt sein, von Stadttor zu Stadttor ein tragfähiges Rohplanum vorhanden sein und auch die Ufer- und Brüstungsmauern wieder stehen. Hinzu kommt, dass alle Hausbesitzer an den entsprechenden Straßen die Fassadenarbeiten an den Gebäuden abgeschlossen haben müssten.

„Das halbe Jahr wird für, die durch die Baustellen gehen, eine komplizierte Zeit“

Und zusätzlich gilt es, ein Unternehmen zu finden, das in der Lage ist, für ein halbes Jahr mindestens 25 Arbeiter täglich abzustellen, damit die Pflasterarbeiten in sechs Monaten erledigt werden können. Selbst einige große Firmen aus der Region haben hier schon abgewunken. Laut Lorenz’ Berechnung schafft ein Arbeiter pro Tag fünf Quadratmeter. Da auch noch weitere Arbeiten außer Pflastern erledigt werden müssen, geht der Ingenieur von bis zu 40 Leuten gleichzeitig aus, die die Straße wieder herstellen.

Gearbeitet werden soll an vier bis fünf Stellen parallel. Damit einher gehen auch Probleme für die Anwohner sowie die Handwerker, die in dem Bereich arbeiten müssen. Denn während der Bauphase gebe es keine Möglichkeit, die Gebäude mit Fahrzeugen zu erreichen, sondern nur fußläufig. „Das halbe Jahr wird für die Bürger, die Schüler und alle, die durch die Baustellen gehen, eine komplizierte Zeit“, sagte Lorenz.

Als Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian nach der Projektvorstellung um Wortmeldungen bat, war schnell klar: Die ebenfalls von Lorenz vorgestellte Variante mit höherem Pflaster, aber Rollatorspur, kam für die Politik nicht infrage. „Die Idee ist damals daraus entstanden, dass wir nicht die gesamte Stadt aufreißen wollten“, erklärte FDP-Fraktionschef Christof Milischewski. Durch die Hochwasserkatastrophe gebe es nun aber eine andere Voraussetzung.

Wirklich barrierefrei wird die Stadt dadurch nicht

Selbst Peter Schallenberg (Bündnis 90/Die Grünen) schwenkte während der Sitzung um. Er priorisierte zwar zunächst die Variante mit Rollatorspur, weil er davon ausging, dass das gesägte Pflaster trotzdem bei Rollstühlen zu Vibrationen führt. Als die SPD-Verordnete Brigitte Fuchs, die seit einem halben Jahr auf einen Rollator angewiesen ist, sich für das gesenkte Pflaster aussprach, änderte aber auch Schallenberg seine Meinung.

Was aber auch klar ist: Wirklich barrierefrei wird die Stadt dadurch nicht. Die Variante mit Rollatorspur hätte auch Wege in die einzelnen Geschäfte beinhaltet. Die Variante mit gesägtem Pflaster führt lediglich zu einer Barrierearmut, dann aber durchgängig. „Die Bewegungsfreiheit wäre bei der Rollatorbahn eingeschränkt gewesen, die Barrierearmut ist deshalb ein Kompromiss“, urteilte Sabine Preiser-Marian. „Aus Gründen der Inklusion“ war auch Thomas Bell (Die Linke) für die durchgehende Pflasterung und nicht für die „exklusive Bahn“. Die wäre aus Sicht von Bernhard Ohlerth (CDU) auf der Orchheimer Straße auch zu einem Problem geworden. Dort ist zu bestimmten Uhrzeiten Straßenverkehr erlaubt – zwar nur in Schrittgeschwindigkeit, aber „das passt nicht zusammen. Die Menschen auf der Rollatorbahn würden zur Seite gehupt werden“, ist sich Ohlerth sicher.

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Weil Christian Lorenz ankündigte, dass die durchgehende Verwendung von gesägtem Pflaster „ein bisschen langweilig“ aussehe, war er über Anregungen aus dem Rat froh. So schlug UWV-Fraktionschef Edmund Daniel eine farbliche Gestaltung vor. Sein SPD-Kollege Karl Michalowski regte an, dass man auf Rutschfestigkeit achten sollte, denn auf der Marktstraße sei es schon bei Regen glitschig. Auch die Fugen zwischen den Steinen sollten nicht so breit wie auf der Marktstraße sein.

Mit der weiteren Gestaltung von Tor zu Tor, etwa durch Sitz- und Spielbereiche und eventuell sogar mit einer Wasserspielfläche, will sich die Politik in der kommenden Sitzungsperiode auseinandersetzen.

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