GilsdorfZum vierten Mal überflutet – Anwohner fordern Hochwasserkonzept

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Das erneut zerstörte Dorf zu verlassen, ist für manche Gilsdorfer die einzige Lösung.

Das erneut zerstörte Dorf zu verlassen, ist für manche Gilsdorfer die einzige Lösung.

Bad Münstereifel-Gilsdorf – Schon wieder standen die Häuser unter Wasser. „Wenn es hier mal etwas länger regnet, werden alle nervös“, sagt Ingo Renn. Und nach wenigen Stunden werde aus der Nervosität blanke Angst.

Dieses Jahr haben die Fluten aus dem Eschweiler Bach besonders schlimm in Gilsdorf gewütet. Die Aufräumarbeiten aber sind für die Bewohner des 112-Seelen-Ortes Routine. Jahrhunderthochwasser, Jahrtausendhochwasser – die Worte haben für die Gilsdorfer keine Bedeutung mehr.

In 14 Jahren hat es sie viermal erwischt. Viermal mussten sie ihre Häuser sanieren. Für viele wird es das letzte Mal sein. Einige Gilsdorfer wollen aber bleiben – und machen der Stadt Vorschläge für einen Hochwasserschutz, von dem auch die Orte im Tal profitieren sollen.

„Die Stadt muss jetzt Konzepte entwickeln“

Ingo Renn ist einer der Verfasser eines Briefs an Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian. „Wir wollen, dass etwas passiert und dass wir geschützt werden. Die Stadt muss jetzt Konzepte entwickeln.“

Lösungsvorschläge und Kritikpunkte haben Renn und sein Nachbar Johannes Heun viele (siehe „Die Vorschläge der Gilsdorfer Bürger im Überblick“). Sie bemängeln auch, dass der Bezirksregierung Köln falsche Hochwasserkarten vorliegen. Schwillt der Eschweiler Bach bei Starkregen an, überschwemmt er zunächst die Felder südwestlich von Gilsdorf. Dann fließt er über die Pescher Straße durch den Ort.

Die Hochwasserkarten aber zeichnen ein anderes Bild: Auf ihnen tritt das Wasser erst in der Ortsmitte über. Die Brücke, die dort über den Bach führt, hatte die Stadt deshalb 2016 um 30 Zentimeter anheben lassen. Außerdem baute die Stadt oberhalb von Gilsdorf einen Treibgutrechen, damit der Zulauf nicht durch Totholz verstopft wird.

Die Vorschläge der Gilsdorfer Bürger im Überblick

Ein Hochwasserschutzkonzept für den Eschweiler Bach und seine Nebengewässer fordern die Gilsdorfer. Sie haben auch schon einige konkrete Vorschläge, wie der Ort geschützt werden kann.

Welches Wasser in den Eschweiler Bach fließt, das soll geklärt werden. Die Bürger vermuten, dass unter anderem Oberflächenwasser aus dem Industriegebiet in Zingsheim und von der Autobahn A 1 in den Bach geleitet wird.

Eine Ausweichfläche für Nebengewässer des Eschweiler Bachs fordern die Bürger. Das könnten etwa Auen oder Wiesen sein. Auch Rückhaltebecken zwischen Gilsdorf und Pesch sowie Pesch und Zingsheim sind für sie gute Lösungen.

Schnellen Schutz bieten aus Sicht der Bürger Maßnahmen am Bach selbst. Der Querschnitt des Gewässers solle vergrößert, totes Holz und andere Gegenstände entfernt werden.

Ein unterirdischer Bypass für den Üsselbach um Gilsdorf herum soll Entlastung bringen. Auch ein Bypass für den Eschweiler Bach sei für den Fall von Flutereignissen denkbar.

Der Kanal von Pesch müsse wieder von Gilsdorf getrennt werden, verlangen die Bürger. Er solle um das Dorf herum an der L 206 vorbeigeführt und dann an das Kanalsystem am Wirtschaftsweg angeschlossen werden. (maf)

Wände rausreißen, neuen Boden verlegen, zerstörte Möbel wegwerfen – Ingo Renn und seine Frau Rita arbeiten nach jedem Hochwasser eine ähnliche Liste ab. „Die ersten drei Male haben wir das gut weggesteckt. Aber jetzt haben wir den Punkt erreicht, an dem auch wir sagen müssen: Wir schaffen das körperlich und geistig nicht mehr“, sagt Rita Renn.

Schwermetalle und Kohlenwasserstoffe in Bodenproben

Dieses Mal hat es sogar den Gemüsegarten der Renns getroffen – er verschwand unter belastetem Schlamm. In Bodenproben, die Ingo Renn an ein Labor geschickt hat, wurden Schwermetalle und Kohlenwasserstoffe nachgewiesen. Besonders hoch war der Bleiwert: 3330 Milligramm Blei pro Kilogramm Trockenmasse stellte das Labor fest.

Wie das Blei Gilsdorf erreicht hat, ist unklar. Der Ort hat keine Verbindung zur Bleibelastungszone Mechernich-Kall. Belastungen mit anderen Stoffen erklären sich die Renns mit dem Industriegebiet Zingsheim. Über Nebengewässer ist dieses mit dem Eschweiler Bach verbunden. Ein umfassendes Bild, wie stark der Schlamm belastet ist, hat die Stadt noch nicht. Sie wartet noch auf die Analyse von Bodenproben, die der Kreis Euskirchen gezogen hat.

Die Gilsdorfer gehörten zu den ersten Bürgern im Kreis, die am 14. Juli Sandsäcke vor den Häusern stapelten und Gräben aushoben. Geholfen hat es nichts. Auch Heun – er lebt seit 2015 in Gilsdorf – ist mittlerweile ernüchtert: „Wir sind leider Gottes im Umgang mit Hochwasser sehr erprobt. Gefühlt hatte dieses Jahr hier jeder einen Traktor vor dem Haus stehen.“ Deshalb seien die Gilsdorfer beim Krisenstab auch durchs Raster gefallen, ist er sich sicher. „Weil wir uns um alles selbst gekümmert haben.“

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Schon in der Vergangenheit lieferten die Gilsdorfer Vorschläge an die Stadt, wie das Dorf vor Hochwassern geschützt werden kann – kaum einer wurde umgesetzt. „Der Gipfel für uns ist: Vergangenes Jahr ist der Kanal von Pesch an unseren angeschlossen worden. Und das bedeutet noch mehr Wasser für unseren Ort“, sagt Rita Renn.

In Pesch gibt es ein Mischwassersystem, auch das Oberflächenwasser fließt in den Kanal. Den Kanalanschluss hatten die Gilsdorfer schon 2018 kritisiert. Sie vermuten auch, dass während des Juli-Hochwassers einige Häuser an der Pescher Straße unterspült wurden, weil der Kanal geplatzt ist.

Stadt verspricht Hochwasserkonzept

Mit den Gilsdorfern und anderen Flutbetroffenen hat die Stadt bisher noch nicht gesprochen. Das soll sich aber bald ändern: „Die Stadt Bad Münstereifel wird mit den Gilsdorfer Bürgern und allen anderen Betroffenen in einen intensiven Dialog eintreten, wie zukünftig der Hochwasserschutz verbessert werden kann“, sagt Stadtsprecherin Laura Huppertz. Ideen der Bürger würden gerne berücksichtigt.

Aktuell verschafft sich die Verwaltung einen Überblick über die Hochwasserschäden. Ist das in mehreren Wochen abgeschlossen, soll ein entsprechendes Hochwasserschutzkonzept mit dem Erftverband entwickelt werden. Auch ein externes Fachbüro sei bereits beauftragt worden, so Huppertz. „Inwieweit aber bei extremsten Regenwassermengen Überschwemmungen durch Hochwasserschutzmaßnahmen abgewendet werden können, lässt sich heute seriös nicht beantworten.“

Die Unterzeichner des Briefs an die Bürgermeisterin sind der Meinung, dass Hochwasserschutz in den hochliegenden Dörfern auch Talorte wie Iversheim, Arloff und Bad Münstereifel schützt. „Je länger wir das Wasser hier oben halten, desto besser für die da unten“, sagt Heun. Für einen guten Hochwasserschutz komme es vor allem auf drei Dinge an: Experten für die Stadt gewinnen, überregionalen Hochwasserschutz planen und überparteilich denken.

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