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Hochwasser in Bad MünstereifelAlles auf Anfang im City-Outlet

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Zur Schuttsammelstelle wurde der Orchheimer Platz. In dieser Woche soll der Unrat verschwinden.

Zur Schuttsammelstelle wurde der Orchheimer Platz. In dieser Woche soll der Unrat verschwinden.

Bad Münstereifel – Das Gefühl, das man hat, wenn man durch die Bad Münstereifeler Innenstadt geht, ist ambivalent. Auf der einen Seite sieht man die unfassbare Zerstörung, die die Erft am Abend des 14. Juli angerichtet hat. Die gemauerte Umfassung des eigentlich friedlichen Flüsschens, das den Charme dieser Stadt mit ausmacht, wurde niedergerissen. Das Kopfsteinpflaster wurde in großen Teilen weggespült.

Was davon gefunden wurde, wird an verschiedenen Orten, etwa vor dem St.-Michael-Gymnasium, auf großen Haufen gesammelt. Tiefe Kluften wurden in Orchheimer und Werther Straße gerissen. Einige Häuser sind nur über Bretter erreichbar. Besonders schlimm ist knapp drei Wochen nach dem Hochwasser die Situation zwischen Markt und dem kleinen Plätzchen, auf dem bis zum 14. Juli noch Spielgeräte standen.

Auf der anderen Seite sieht man aber auch, wie fleißig in Bad Münstereifel gearbeitet wurde. Die schlimmsten Löcher auf der Orchheimer Straße sind verschwunden. Auf dem Stück der Werther Straße kurz vor dem Werther Tor wird das Pflaster wieder sichtbar. Das gilt auch für die Marktstraße, wo erste Geschäftsleute mit Schläuchen die Fläche vor ihren Läden reinigen. Bad Münstereifel wird wieder strahlen, da ist sich Bürgermeister Sabine Preiser-Marian sicher. Auch wenn es noch Jahre dauern wird.

Es ist das Zusammenspiel zwischen Moderne und Historie

Ein wichtiger Baustein für die Wiederbelebung der Stadt ist das City-Outlet mit seinen 37 Einheiten. Kunden aus der gesamten Region kommen in die Kurstadt, um zu flanieren. Das könnten sie genauso gut in den Outlet-Centern auf der grünen Wiese. Doch Bad Münstereifel hat im Gegensatz zu diesen am Reißbrett durchgeplanten Einkaufsstätten Charakter.

Es ist das Zusammenspiel zwischen Moderne und Historie, zwischen den Outlet-Marken und den ortsansässigen Händlern und Gastronomen, das die Menschen anlockt. Das eine kann ohne das andere nicht existieren. Wegen der Corona-Lockerungen und der Schulferien lief der Juli bis zum Hochwasser ausgesprochen gut. Matthias Dürr, Leitung Retail und Marketing des City-Outlets, spricht von Rekordumsätzen. „Es lief hervorragend.“ Doch dann kam das Wasser.

Das Signal, das Dürr ausgibt, ist für Bad Münstereifel überlebenswichtig: „Stand jetzt wollen alle Marken wieder zurück in die Geschäfte.“ Damit folgt er dem Credo, das Outlet-Investor Marc Brucherseifer bereits zuvor ausgegeben hatte: „Wir bauen wieder auf.“ Das ambitionierte Ziel lautet: Ende 2021, Anfang 2022 sollen die Geschäfte wieder so hergerichtet sein, dass die Marken mit dem Innenausbau loslegen können.

Im überwiegenden Teil der Geschäfte hat das Wasser etwa 1,50 bis 1,80 Meter hoch gestanden

Bei einigen geht es vielleicht schneller. Der Puma-Store im früheren Heino-Café wurde größtenteils verschont. Lediglich das Lager im Keller war überflutet. Auch zwei andere Geschäfte in der Markstraße sind laut Dürr glimpflich davon gekommen: Ravensburger und Gerry Weber. Anders sieht es bei Hunkemöller in der „Französischen Lilie“ aus, einem der ältesten Gebäude der Stadt. Hier wurde offenbar drei Wochen nichts getan. BHs und Slips sind braun vom Schlamm. Die Aufbauten beginnen zu schimmeln. „Hier muss dringend etwas getan werden“, sagt ein erstaunter Matthias Dürr, der diese Zeitung durch die Stores führte.

Im überwiegenden Teil der Geschäfte habe das Wasser etwa 1,50 bis 1,80 Meter hoch gestanden. Am Samstag nach dem Hochwasser waren alle gesichert. Bis dahin kam es auch vereinzelt zu Plünderungen. Die Schäden an den Stores sind unterschiedlich. Das liegt zum einen daran, wie stark ein Geschäft vom Wasser erwischt wurde. Der Lindt-Store liegt auf der Werther Straße exponiert, weil die Nachbarbebauung auf einer Seite etwas zurückliegt. „Hier stand das Wasser im Erdgeschoss bis unters Dach“, berichtet Dürr. Als das Wasser raus war, hatte die Entsorgung der Ware Priorität, da die Lebensmittel Ratten anlocken könnten. Mittlerweile ist das Geschäft komplett entkernt.

Bei anderen erschweren die verwendeten, dem Denkmalschutz geschuldeten Baumaterialien den Wiederaufbau. Im Sterntaler-Store platzten die Lehmwände auf. Sie müssen wohl in Gänze abgetragen und erneuert werden. In einigen Geschäften muss auch der Estrich komplett raus, wenn sich darunter Dämmmaterial oder Sand befinden. Die Dämmung ist aufgequollen, der Sand muss trocknen.

„Sämtliche Läden befinden sich im Rohbauzustand“, berichtet Dürr – so wie vor acht Jahren, als das City-Outlet sich nach und nach entwickelte. Anders ausgedrückt heißt das nichts anderes als: alles auf Anfang. Glücklicherweise seien die Gebäude versichert. Die Marken hätten auch entsprechende Hausratversicherungen. „Wie das mit den Stadtmöbeln aussieht, müssen wir schauen“, sagt Matthias Dürr.

Regen – den will hier tatsächlich niemand mehr

Wichtig für die rund 250 Mitarbeiter: Ihre Jobs sind sicher. Dürr weiß sogar, dass einige Arbeitgeber betroffenen Mitarbeitern direkt geholfen oder der Bürgerstiftung Geld gespendet haben. „Das ist wichtig für die Bürger vor Ort“, sagt Dürr und ergänzt: „Zum Glück kam das Hochwasser nicht zwei Stunden früher, als noch alle Mitarbeiter und Kunden in den Läden waren, sondern nach Geschäftsschluss.“

Auf dem Orchheimer Platz, dem Entree des City-Outlets, stapelt sich der Schutt: Reste der Inneneinrichtung der Läden, Kleiderbügel, Werbeaufsteller und Ware, die vernichtet wird. Laut Dürr soll der Schuttberg bis Ende der Woche verschwunden sein. In der früheren Glashütte, wo die Marke Only untergebracht ist, ist der komplette Boden rausgerissen worden. Ein seltsames Bild. Richtig surreal wird es, als es draußen zu tröpfeln beginnt und im Radio der Travis-Hit „Why Does It Always Rain On Me?“ zu hören ist. Regen – den will hier tatsächlich niemand mehr.

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