Vor Nazis geflüchtetJüdische Familie erkundet Wurzeln in Bad Münstereifel

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Violinistin Juli Minou Bazzazi spielte auf dem jüdischen Friedhof in Bad Münstereifel Musik aus dem Film „Schindlers Liste“.

Violinistin Juli Minou Bazzazi spielte auf dem jüdischen Friedhof in Bad Münstereifel Musik aus dem Film „Schindlers Liste“.

  • Obwohl Andreas Lucas in den letzten Jahren in der heutigen Kurstadt etlichen Schikanen ausgesetzt war, behielt er Münstereifel in guter Erinnerung.
  • Seinen Enkeln erzählte er von der Zeit in Bad Münstereifel und weckte so in ihnen den Wunsch, die kleine Stadt zu besuchen.
  • Die Familie besuchte unter anderem das Haus, in dem Andreas Lucas vor seiner Flucht gelebt hatte.

Bad Münstereifel – Von Eschweiler bei Aachen war die jüdische Familie Lucas im Jahr 1917 nach Münstereifel gezogen. Dort hatten Vater Gustav, Mutter Lina und die beiden Kinder Andreas und Luzie in einem Haus an der Langenhecke gelebt. Gustav und Andreas waren angesehene Viehhändler – bis Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde.

Unter dem staatlich verordneten Antisemitismus hatte die jüdische Familie zu leiden. Bereits 1936 emigrierte Luzie Lucas nach England und ließ sich in London nieder. Nach dem November-Pogrom 1938 holte sie zu Beginn des Jahres 1939 ihre Eltern nach.

Über die Niederlande nach England

Ihr Bruder Andreas folgte am 31. August 1939. „Es war der allerletzte Tag, um als Jude noch aus Deutschland rauszukommen“, berichtete Heimatforscher Harald Bongart. Andreas sei über die Niederlande nach England gereist.

Obwohl Andreas Lucas in den letzten Jahren in der heutigen Kurstadt etlichen Schikanen ausgesetzt war, behielt er Münstereifel in guter Erinnerung. Seinem in England geborenen Sohn Gerry erzählte er stets von dem kleinen Städtchen. Gerry berichtete seiner Tochter Katie Cooper und seinem Enkel Arthur auch davon. So weckte er bei ihm den Wunsch, diese Stadt, in der sein Urgroßvater gelebt hatte, mit eigenen Augen zu sehen.

Als Arthur im Mai dieses Jahres Bar Mizwa feierte und somit religionsmündig wurde, erfüllte ihm sein Großvater Gerry den Wunsch und organisierte eine Kurzreise nach Deutschland. Am Donnerstag, kurz nach ihrer Ankunft, wurden Arthur und seine Mutter Katie Cooper sowie Angela und Gerry Lucas im Rathaus von Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian empfangen.

Deutsche Staatsbürgerschaft beantragt

In gutem Englisch erklärte die Verwaltungschefin, dass sie froh sei, dass die jüdische Familie gekommen sei, um sich auf den Spuren ihrer Vorfahren Bad Münstereifel anzuschauen. Im Gespräch mit der Bürgermeisterin erklärte Gerry Lucas, dass er einen Antrag gestellt habe, dass seine Familie die deutsche Staatsbürgerschaft wiederbekomme. Preiser-Marian sagte zu, die Familie dabei zu unterstützten.

Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian und Stadthistoriker Harald Bongart (hinten, l.) zeigten Familie Lucas das Haus an der Langenhecke, in dem deren Vorfahren gelebt hatten.

Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian und Stadthistoriker Harald Bongart (hinten, l.) zeigten Familie Lucas das Haus an der Langenhecke, in dem deren Vorfahren gelebt hatten.

Stadthistoriker Harald Bongart zeigte der Familie Lucas das Haus an der Langenhecke, in dem deren Vorfahren gelebt hatten, und besuchte mit ihnen Orte des damaligen jüdischen Lebens.

Im Stadtarchiv begaben sie sich auf die Spuren ihrer Familie. Nachmittags suchte Bongart mit ihnen den jüdischen Friedhof auf und hatte eine Überraschung parat. Der Stadthistoriker hatte Violinistin Juli Minou Bazzazi aus Bad Münstereifel gewinnen können. Sie spielte Musik aus dem Film „Schindlers Liste“.

Sichteten die Archivalien ihrer Vorfahren im Bad Münstereifeler Stadtarchiv: Katie Cooper (v.l.), ihr Sohn Arthur Cooper und ihr Vater Gerry Lucas.

Sichteten die Archivalien ihrer Vorfahren im Bad Münstereifeler Stadtarchiv: Katie Cooper (v.l.), ihr Sohn Arthur Cooper und ihr Vater Gerry Lucas.

Die Vorfahren der Familie Lucas waren 1492 von der iberischen Halbinsel ausgewiesen worden. Es zog sie nach Belgien und die südlichen Niederlande. Von dort reisten sie in den Raum Aachen und lebten unter anderem in Eschweiler, bevor sie dann 1917 nach Münstereifel kamen. „Ich werde alles, was ich hier erlebt und über meine Vorfahren erfahren habe, aufzeichnen, um es meiner Familie zu zeigen“, sagte Arthur Cooper.

Am Freitag besuchte die Familie Köln und begab sich von dort auf die Heimreise.

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