FallschirmsprungTodkranke 16-Jährige erfüllt sich Herzenswunsch in der Eifel

Lesezeit 5 Minuten
Fast schwerelos am Fallschirm: Leonita Salja mit Fallschirmspringer Björn Stürz über der Eifel.

Fast schwerelos am Fallschirm: Leonita Salja mit Fallschirmspringer Björn Stürz über der Eifel.

  • Leonita Salja ist 16 Jahre alt und an der seltenen, tödlich verlaufenden Erbkrankheit Friedreich-Ataxie erkrankt.
  • Nun wurde ihr einer ihren letzten Wünsche erfüllt: Fallschirmspringen.
  • Björn Stürz sprang mit ihr aus 4000 metern Höhe. Er hat sich auf Sprünge mit Menschen mit Behinderung spezialisiert.

Dahlemer Binz – Es ist ihr Herzenswunsch: Zwei an lebensbedrohlichen Krankheiten leidende Frauen aus Krefeld möchten mit dem Fallschirm aus 4000 Metern Höhe springen. Der Wunsch ist ihnen auf der Dahlemer Binz ermöglicht worden, vor allem durch den Verein „Sonne, Mond und Sterne“.

Fallschirmspringen als großer Wunsch – schon als Kind

„Sie ist ein starkes Mädchen.“ Rilindje Berisa will ihre Tränen zurückhalten. Es gelingt ihr fast. Hinter ihr rollt gerade die einmotorige Cessna Caravan, ein Absetzflugzeug mit 14 Plätzen, auf die Startbahn der Binz zu. Berisas Tochter ist an Bord. Es ist kurz nach 13 Uhr, der Himmel über der Binz ist sommerlich blau-weiß mit gestaffelten Schönwetterwolken. Die Sonne scheint, eine leichte Brise weht.

Es ist ein Sommertag für Rilindje Berisa. Und ein Tag für einen der letzten Wünsche ihrer Tochter Leonita Salja. „Einmal Fallschirm springen, das wollte ich schon als Kind!“, sagt Leonita Salja. Sie ist 16 Jahre alt und hat ein normales Leben dennoch nicht vor sich. Die Jugendliche sitzt im Rollstuhl. Sie ist an der seltenen, tödlich verlaufenden Erbkrankheit Friedreich-Ataxie erkrankt, einer degenerativen Erkrankung des zentralen Nervensystems

Alles zum Thema Formel 1

Gestützt von Helfern, ist sie gerade aus dem Rollstuhl und die wenigen Stufen hinauf in die Cessna gestiegen. Es ist jetzt die Zeit, dass ein besonderer Wunsch in Erfüllung geht. Ihre Mutter hat sie vor dem Start noch einmal in den Arm genommen, ihr starkes Mädchen.

Sonne, Mond und Sterne

Meta Metz hat 2002 den Verein „Sonne, Mond und Sterne“ gegründet. Sie freut sich, wenn sie es schafft, die Herzenswünsche zu erfüllen. Das gelingt dem bundesweit aktiven Verein immer wieder.

„Wir helfen nur den wirklich Bedürftigen!“, stellt Metz fest. Dafür muss laut Metz die ärztliche Diagnose vorgelegt werden sowie ein Nachweis der Einkommensverhältnisse. Und sofern es das Spendenkonto des Vereins und die Mittel etwa von Palliativzentren, Hospizen oder eben Alten- und Pflegeheimen erlauben, werden Wünsche erfüllt.

Ein Stadionbesuch beim Lieblingsfußballverein kann es genauso sein wie eine letzte Reise ans Meer – oder auch die Leibspeise. Das gehe schon, sagt Metz – und auch schnell. Darauf legt sie großen Wert. So hat auch der Kontakt zwischen dem Hilfeverein, dem Sozialträger und eben Wolfgang Klein auf der Dahlemer Binz funktioniert.

www.sonne-mond-und-sterne-ev.de

„Noch im Februar, als Leonita bei uns ein Schulpraktikum machte, war es viel besser. Seitdem hat sich der Zustand deutlich verschlechtert.“ Judith Faust vom Gerhard-Tersteegen-Haus in Krefeld, einem Alten- und Pflegeheim des Neukirchener Erziehungsvereins in Neukirchen-Vluyn, bewundert die 16-Jährige. Sie und ihr Team haben die beiden Frauen vom Niederrhein zur Binz gebracht.

Pilot auf Fallschirmsprünge mit Menschen mit Behinderung spezialisiert

Der Teenager im Rolli wird vor dem Start von Björn Stürz, Tandempilot und spezialisiert auf Fallschirmsprünge mit Menschen mit Behinderung, eingewiesen. Er hat den Verein „Freifallhelden“ im Westerwald gegründet. Vor allem schwerstkranken Kindern hilft Stürz, sich einen Wunsch, wie ihn auch Leonita hat, zu erfüllen. Er springt mit ihnen ab. In der Eifel haben die Freifallhelden bei Skydive Binz einen Stützpunkt.

Auch Katrin Sickert hat diesen Traum. Sie ist 50 Jahre alt, ebenfalls auf den Rollstuhl angewiesen. Sickert leidet an Multipler Sklerose und lebt im Krefelder Pflegeheim, wo sie Leonita Salja bei ihrem Praktikum kennengelernt hat. Es sind zwei Frauen aus zwei Generationen, die dankbar sind, dass ihnen ein Traum möglich gemacht wird. Jetzt, wo es vielleicht die letzte Chance ist.

Knappe 15 Minuten benötigt die Cessna bis auf 4000 Meter Höhe. Leonita Salja und Katrin Sickert tragen das Gurtzeug und den Anzug für den Sprung. Sie wissen, was sie zu tun haben. Sie folgen den Kommandos des Tandem-Springers beim Ausstieg aus dem Flieger und dem knapp 50 Sekunden dauernden, freien Fall. In 1800 Metern Höhe wird der Schirm geöffnet. Es folgt ein knapp zehnminütiger Gleitflug, bevor sie auf einer Wiese landen.

Unterdessen wartet am Eingang zur Landewiese nahe der Go-Cart-Bahn das Ermöglicher-Team: Judith Faust vom Tersteegen-Haus, Wolfgang Klein von Skydive Binz, dessen Fallschirmschule häufiger Ort für die Umsetzung der besonderen Wünsche ist, und Meta Metz vom Verein „Sonne, Mond und Sterne“.

Leonita Salja landet sanft auf dem Allerwertesten auf der Wiese. So, wie es Björn Stürz im Tandem vorhergesagt hatte. Die 16-Jährige wirkt gefasst. Und sie strahlt. „Das Herausspringen war das Schönste! Ich habe mich so riesig darauf gefreut. Ich hatte mir gewünscht, dass man einfach alles vergisst. Für einen Moment.“

Leonita wird auf ihrem Instagram-Account „Leonita.75“ ihren Followern erzählen, was sie erlebt hat. Ihre Mutter ist einfach nur erleichtert. Bereits eine Stunde zuvor ist Katrin Sickert sicher wieder auf der Erde angekommen. Auch ihr Sprung mit Björn Stürz war problemlos. Auch sie ist direkt nach der Landung zunächst in sich gekehrt.

„Ich dachte vorher, dass es bestimmt unheimlich ist, beim Absprung aus dem Flugzeug nach unten zu schauen.“ Doch dann hat sie nach dem sanften Schubs ihres Tandempartners aus der Luke für diesen Sekundenbruchteil einfach die Augen geschlossen und dem Profi in ihrem Rücken vertraut. Jetzt ist sie dankbar: „Und so froh, dass ich das wirklich gemacht habe.“

Für Leonita Salja und Katrin Sickert ist das alles ein kleines Wunder. Die beiden so unterschiedlichen Frauen, die das Schicksal einer schweren Krankheit teilen, haben die besondere Freiheit erlebt, die für sie bisher nur ein Traum war. „Ich fühlte mich schwerelos wie ein Vogel“, sagt Katrin Sickert. Das Gefühl wird ihr niemand nehmen.

Rundschau abonnieren