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Kleinste Gemeinde in NRWDahlem wächst – entgegen der Prognosen

Lesezeit 5 Minuten
Baugebiete_Dahlem

Unweit der Senioreneinrichtung Haus Marienhöhe (Hintergrund) im Ortsteil  Dahlem gibt es noch  Baugrundstücke. 

  • Noch 2011 gingen Prognosen von einem langsamen Niedergang in Dahlem aus.
  • Doch die kleinste Gemeinde in NRW wächst kräftig.
  • In Dahlem ist daher einige Bewegung auf dem Immobilienmarkt.

Dahlem – Mit den Prognosen ist das so eine Sache. 2011, als Dahlem 4116 Einwohner hatte, sagten Fachleute der Gemeinde für 2020 eine Einwohnerzahl von 3776 voraus. „Ja“, erinnert sich Bürgermeister Jan Lembach (CDU), „damals hieß es, der ländliche Raum werde entvölkert.“

Heute kann Lembach darüber lachen. Derzeit leben in der kleinsten NRW-Gemeinde rund 4200 Bürger – mehr als im Ausgangsjahr der Prognose und viel mehr als für 2020 prophezeit. 2017 kehrten 205 Menschen der Gemeinde den Rücken, 240 kamen jedoch im selben Zeitraum neu dazu.

Würden in der Gemeinde nicht mehr Menschen sterben als geboren werden, wäre sie ein noch größerer Demografie-Gewinner. „Doch wir sind mit der Entwicklung sehr zufrieden“, sagt Lembach.

Vor einigen Monaten schaffte es Dahlem sogar in das Magazin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ). In die vom Land Nordrhein-Westfalen mit bis zu 4,2 Millionen Euro geförderte Ortskernsanierung in Dahlem ist die Bonner Uni involviert, die wiederum der FAZ Dahlem als ein Beispiel dafür nannte, dass das vorhergesagte Sterben der Dörfer nicht nur nicht eintrifft, sondern sich viele kleine und etwas abgelegene Kommunen ganz gut schlagen.

Bewegung auf dem Immobilienmarkt 

Es herrscht Bewegung auf dem Land. Jeweils rund 40 Häuser, so Lembach, wurden gemeinde-weit in den Jahren 2017 und 2018 verkauft. Ein Drittel der veräußerten Gebäude ging an Einheimische, zwei Drittel an Auswärtige. „Leerstand gibt es bei uns so gut wie nicht“ , sagt der Bürgermeister.

Wer keine Mondsummen fordere, bekomme seine Immobilie in angemessener Zeit gut verkauft. Für fast jeden Geschmack und Geldbeutel sei etwas dabei. „Hier wurde schon ein Haus für 5000 Euro angeboten, in das dann natürlich viel hineingesteckt werden musste“, erinnert sich Lembach. Für 100.000 Euro könne sich ein Interessent aber schon eine gebrauchte Immobilie zulegen, in die er erstmal einziehen kann, um sie dann nach und nach auf Vordermann zu bringen.

Baugrundstücke auch an Neubürger

Auch bei Grund und Boden läuft’s. 2018 gingen 40 Baugrundstücke an neue Eigentümer über, je 20 wurden privat und von der Gemeinde verkauft. Die Käufer seien zu gleichen Teilen Einheimische und Neubürger. Noch vor wenigen Jahren hätten diese Verkäufe pro Jahr im einstelligen Bereich stattgefunden, erinnert sich Lembach. 

Überall in dem 95 Quadratkilometer großen Gemeindegebiet befinden sich Hinweisschilder, die zu den Baugebieten führen. Vor Ort werden die Grundstücke dann einzeln beworben. Neben Baumöglichkeiten in Baasem („Lohrpfad“) und Kronenburg („Hofgasse“) sind es vor allem die Baugebiete in Dahlem und Schmidtheim, die auf den grünen Schildern mit der Aufschrift „Wir haben Ihr neues Zuhause“ beworben werden.

Dahlemer Preise

Im Bereich von Markusstraße und Holunderweg wird das Zusammenleben von Alt und Jung praktiziert. Rund um die Senioreneinrichtung „Haus Marienhöhe“, deren 53 Plätze voll belegt sind, sind noch Grundstücke in einer Größe zwischen 550 und 650 Quadratmetern zu haben, erschlossen und mit schnellen Leitungen fürs Internet – und das Ganze für etwa 40 Euro pro Quadratmeter.

Zuweilen zögen dorthin die Kinder der Bewohner des „Haus Marienhöhe“, sagt Lembach. Die Caritas unterhält direkt gegenüber eine Tagespflege-Station, deren 16 Plätze ebenfalls belegt sind. Ein Drei-Generationen-Haus mit barrierefreien Wohnungen sei in Planung.

Schmidtheim

Im Wohngebiet „Auf der Komm“ ist noch eine Reihe von Grundstücken unbebaut: 550 bis 1200 Quadratmeter groß, zum Quadratmeterpreis von 40 Euro.

Lembach plagen keine Zweifel, dass diese Grundstücke mittelfristig verkauft sein werden. Über kurz oder lang müssten wohl weitere erschlossen werden. Der 53-Jährige weiß: Jedes Problem der Großstädte – von Staus über hohe Mieten bis hin zu Lärm, Kriminalität und Luftverschmutzung – ist Werbung fürs Land.

„Hier bekommen Sie fast alles, was Sie in den Ballungszentren auch bekommen – nur ohne langes Anstehen“, klopft der Bürgermeister auf die Werbetrommel. Kürzlich erst sei es gelungen, die Nachfolge für eine Bäckerei in Schmidtheim zu klären. Auch für eine Landarztpraxis konnte ein Mediziner gefunden werden. 

Wem dann noch die „hoch subventionierte Oper in Köln“ fehle, so Lembach, der finde in Dahlem gute Anschlüsse. Mit dem Auto gehe es rasch auf die A1. Zugfahrende hätten die Wahl zwischen zwei Bahnhöfen: Dahlem oder Schmidtheim.

Das alles ziehe vermehrt Menschen an, die gerne in der Natur wohnen, auch wenn sie woanders arbeiten. Es überrasche vielleicht, sagt Lembach, dass laut jüngster Statistik des Landes lediglich zehn Prozent der Pendler aus der Gemeinde Dahlem nach Köln zur Arbeit führen, etwa 140. Nach Euskirchen seien es 170, nach Hellenthal 141. „Im Schnitt fahren unsere Pendler 26 Kilometer zur Arbeit“, hat Lembach ausgerechnet. In dieser Zeit komme man angesichts des Verkehrs innerhalb Kölns auch nicht weit.

Arbeitsplätze auch am Ort vorhanden

An Arbeitsmöglichkeiten vor Ort mangele es eigentlich auch nicht. Aus dem Gewerbegebiet an der Dahlemer Binz oder aus Baasem würden die Rufe nach Fachkräften immer lauter, so der Bürgermeister: „Wir haben hier genug Arbeit, es fehlen eher die Mitarbeiter.“ Elektriker, Bauarbeiter, Erzieher oder Pflegekräfte würden gesucht. Für Akademiker und Spezialisten kämen dann wieder die Anschlussmöglichkeiten zu den Jobs in den Großstädten ins Spiel.

Kitas gebe es ausreichend, stellt Lembach fest und fügt hinzu: „Unsere Grundschule in Dahlem ist baulich und digital auf dem neuesten Stand.“ Nicht zuletzt mit dem sozialen Umfeld begründeten viele Neubürger ihren Umzug in die Gemeinde.

Wer wolle, könne sich Vereinen anschließen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Wer lieber seine Ruhe habe, finde sich auch in Dahlem gut zurecht. „Jeder so, wie er mag“, sagt Lembach, den es nicht allzu sehr wurmt, dass die Beratungen zur neuen Regionalplanung Dahlem nicht in einem weiteren Speckgürtel um das aus allen Nähten platzende Köln sehen.

Der Druck auf die Großstädte werde weiter wachsen. „Die Menschen werden auch so kommen“, wird Lembach um die Zukunft Dahlems nicht bange. Nicht schlecht für eine Kommune, der Fachleute schon das langsame Dahinsiechen vorausgesagt haben.   

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