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Einbrecher-Alarm-AppLKA-Software berechnet erhöhte Wahrscheinlichkeit für Weilerswist

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Keine gute Nachricht übermittelte die App „Katwarn“ zum Beginn des neuen Jahres an die Bürger in Weilerswist.

Keine gute Nachricht übermittelte die App „Katwarn“ zum Beginn des neuen Jahres an die Bürger in Weilerswist.

Kreis Euskirchen – Wohnen Sie in Weilerswist? Dann ist aktuell die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie in der kommenden Woche unerwünschten Besuch von Einbrechern erhalten. Woher man das weiß? Es handelt sich um eine Prognose des Landeskriminalamtes (LKA).

Damit es die Weilerswister nicht unvorbereitet trifft, wurden die Bürger Anfang der Woche vorab über die Katastrophen-Warnapp „Katwarn“ über die drohende Gefahr informiert. Davon wurden nicht nur die Bürger überrascht. Auch die Kreispolizei zeigte sich zunächst verwundert über den Einbrecher-Alarm für Weilerswist. Vor allem deshalb, weil sie selbst den nicht erhalten hatte. Im ersten Anlauf wusste sie auch nicht richtig, was sie damit anfangen sollte.

Eigentlich waren Einbrüche seit Corona zurückgegangen

„Das liegt in der Zuständigkeit des Landeskriminalamtes“, sagte Polizeisprecher Lothar Willems auf Anfrage der Redaktion. Auf die Frage, ob und wie denn die Euskirchener Polizei jetzt auf die erhöhte Einbruchwahrscheinlichkeit für Weilerswist reagiere, musste er achselzuckend passen. „Das müssen wir erst einmal beurteilen“, teilte er nach Rücksprache im eigenen Haus mit.

Seine – und die Überraschung seiner Kollegen – dürfte auch daraus resultieren, dass kürzlich erst ein für Bürger erfreulicher Aspekt der Pandemie diagnostiziert wurde. Das Coronavirus hält nicht nur viele anständige Leute von ihrer Arbeit ab, sondern erschwert dank Homeoffice und ausgefallenem Urlaub auch den Ganoven ihr unehrliches Gewerbe. Die Zahl der Einbrüche ist während der Pandemie zurückgegangen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft hält für 2020 ein Allzeittief bei den Einbruchszahlen für möglich.

Im Prinzip, so Polizeisprecher Willems, sei Weilerswist wegen der hervorragenden Verkehrsanbindung (und damit der guten Möglichkeit, sich nach der Tat aus dem Staub zu machen) im Vergleich zu anderen Kommunen im Kreis verstärkt im Blick von Einbrechern. Willems. „Das gilt aber genauso für Euskirchen oder Zülpich.“ Warum dort die Einbrecher-Warnung nicht per Katwarn aufploppte, bleibt zunächst mal das Geheimnis komplizierter mathematischer Berechnungen.

Prognosen durch Algorithmus

Was steckt hinter der neugewonnenen Fähigkeit des LKA, mit dem Blick in die Glaskugel die Zukunft vorauszusagen? Die Antwort: ein Algorithmus. Mit Hilfe derartiger Algorithmen können etwa Logistiker großer Online-Versender die Wahrscheinlichkeit vorausberechnen, dass ein Produkt in einer Region in den folgenden Tagen verstärkt nachgefragt wird.

Die Software „SKALA“

Auf der Basis raumbezogener Daten berechnet das Landeskriminalamt mit Hilfe des Computerprogramms „SKALA“ die Wahrscheinlichkeit von Einbrüchen in Wohnungen und Gewerbebetriebe sowie Autoaufbrüche. Diese Prognosen sollen den Polizeibehörden wöchentlich zur Verfügung gestellt werden, um frühzeitig aufkommende Kriminalitätsbrennpunkte zu identifizieren.

Die Software erfasst und kategorisiert Daten zu Einbrüchen. Dazu gehören etwa Tatort, Tatzeit und das Vorgehen der Täter. Diese Daten, so das LKA, werden mit frei verfügbaren Informationen über Bebauung, Sozial- und Infrastruktur kombiniert. Basierend auf diesen Daten bestimmt ein Algorithmus, in welchen Wohngebieten die Wahrscheinlichkeit für Einbrüche in der nächsten Zeit besonders hoch ist. So könne die Polizei dort besonders präsent und aufmerksam sein, meint das LKA: „SKALA“l unterstütze folglich die Einsatzplanung von zentraler Stelle und biete neue Ansatzpunkte zur Kriminalprävention.

In großstädtischen Bezirken hat sich der Einsatz von „SKALA“ aus Sicht des LKA bewährt. Die Prognoseerstellung wurde zunächst in den Pilotbehörden Bonn, Düsseldorf, Duisburg, Essen und Gelsenkirchen getestet und dann auf alle 16 Großbehörden in Nordrhein-Westfalen ausgeweitet.

Für den Einsatz in ländlichen Bezirken wie dem Kreis Euskirchen mit vergleichsweise geringen Fallzahlen, aber großen Räumen, bedurfte es aber weiterer Entwicklungsarbeit.

Quelle: LKA NRW

Es handelt sich nach einer Presseinformation des Landeskriminalamtes um die eigenständig entwickelte „Predictive Policing Software SKALA“ (System zur Kriminalitätsanalyse und Lageantizipation). Dabei handelt es sich um eine datenanalytische Prognosetechnik, die aus Sicht des LKA zu den derzeit spannendsten Polizeithemen gehört (siehe „Die Software SKALA“).

Im November verkündete Innenminister Herbert Reul, dass die nordrhein-westfälische Polizei nun für Bürger das „Einbruchsradar“ per App anbiete. „Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich über das Risiko in ihrer Nachbarschaft informieren können. Das schärft die Sinne und beugt vor. Nur wer sich einer Gefahr bewusst ist, kann sich davor schützen“, sagte Reul bei der Einführung.

Das Angebot sei mit der Provinzial-Versicherung und Fraunhofer FOKUS entwickelt worden. Es handele sich um eine neue Funktion der bereits bestehenden „Mehr Wetter-App“, die von der Versicherung betrieben werde. Außerdem würden bestimmte Funktionen in die App „Katwarn“ eingebunden.

Warnung für Weilerswist war ein Versehen

Die Prognose, so teilte der Innenminister mit, komme in der Regel als Push-Mitteilung an jedem Montag für die vorab vom User in der App festgelegten Orte, sofern für diesen Ort und eine bestimmte Zeit eine erhöhte Einbruchswahrscheinlichkeit prognostiziert worden sei. Sie habe ein Gültigkeit von einer Woche. Auf einer Stadtkarte erfolge zudem die Darstellung der zurückliegenden Tatorte. Diese „Heatmap“ beinhalte jedoch nur eine grobe Verteilung, so dass keine Rückschlüsse auf konkrete Adressen möglich seien.

Auch wenn die Zahl der Wohnungseinbrüche in NRW in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken sei (laut polizeilicher Kriminalstatistik 2019 auf zuletzt rund 27 000 ), so bilde ihre Bekämpfung immer noch einen Schwerpunkt für die Polizei.

Im Kreis Euskirchen wurden 2019 laut Polizeistatistik 263 Einbrüche bei der Polizei angezeigt. Darin enthalten sind auch versuchte Einbrüche, bei denen nichts gestohlen wurde. Die Einbruchsversuche machen ungefähr die Hälfte der Taten aus. Der Schaden, den Einbrecher 2019 im Kreis anrichteten, liegt bei rund einer halben Million Euro. Die Aufklärungsquote lag 2019 bei 12,5 Prozent.

Trotzdem ist möglich, dass die Weilerswister in der kommenden Woche keinen neue Warnung über „Katwarn“ erhalten werden. Nach Informationen der Redaktion wurde die Katwarn-Meldung für Weilerswist versehentlich ausgelöst, da der Kreis Euskirchen noch gar nicht offiziell in diesem Projekt ist. (mit jre)

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