„Astra“ hat es schwerUmstrittener Wirkstoff gilt im Kreis Euskirchen als „verbrannt“

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Eine Impfdose von Biontech und eine mit Astrazeneca. (Symbolbild)

Kreis Euskirchen – Astrazeneca hat ein Imageproblem – nicht nur im Kreis Euskirchen, aber dort womöglich besonders. Nach dem Tod einer 47-jährigen Frau aus dem Kreis, die mit dem Wirkstoff geimpft worden war, vor einigen Wochen sei „Astra“ in der Eifel „verbrannt“, sagte der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Nordrhein, Oliver Funken, kürzlich. Es habe nach Zwischenfällen eine emotionale Debatte unter den Ärzten und auch unter den Patienten zum Impfstoff gegeben, fügte nun eine Verbandssprecherin auf Anfrage hinzu.

Nach ersten Erkenntnissen werde Astra nach der Freigabe der Priorisierung besonders von jungen Männern nachgefragt: „Frauen sind eher verhalten.“ Bitten Hausärzte im Kreis darum, möglichst mit anderen Vakzinen beliefert zu werden? „Natürlich, wie überall“, antwortete die Sprecherin. Auch dem Kaller Arzt Mathias Schumacher und seinem Team bereitet Astrazeneca Schwierigkeiten. „Durch die Politik und die Berichterstattung ist da viel verbrannt worden. Es ist und bleibt aber ein hervorragender Impfstoff“, sagt der Allgemeinmediziner.

Viele möchten anderen Impfstoff

Es meldeten sich jedoch zahlreiche Ältere, die dieses Vakzin nicht möchten – wodurch andere Impfstoffe für die Jüngeren fehlten. „Das ist eine nicht gerechtfertigte Verweigerung“, heißt es dazu vom Hausärzteverband: „Gerade die Ü60-Jährigen haben eine bessere Impfreaktion und damit einen besseren Trigger für ihr Immunsystem.“

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Laut Schumacher wollten sich viele Jüngere gerne mit Astrazeneca impfen lassen. Wobei sich die Frage stelle, wie die Aufklärung juristisch wasserdicht sein soll: „Die Politik hat uns damit keinen Gefallen getan.“  Der Euskirchener Mediziner Dr. Hans-Otto Heyne stellt fest: „Auch vor den Vorfällen hatten die Leute etwas gegen Astrazeneca.“ Er sieht Astra mit einer gewissen Skepsis. „Wir stellen es den Patienten frei“, sagt Heyne: „Aber von unserer Indikation her verimpfen wir bevorzugt Biontech.“

Es scheitert an der Menge

Allerdings scheitere es an den Mengen – auch, weil viel Biontech ans Impfzentrum gehe, wo wiederum kein Astra verabreicht wird: „Da lässt man die Niedergelassenen im Regen stehen.“ Wer aber von seinen Patienten kein Problem mit Astra habe, erhalte es. „Eine junge Frau würde ich allerdings versuchen davon abzubringen“, sagt Heyne. Bei Menschen mit einem Gefäßproblem, einer Lungenembolie oder Thromboserisiko würde er sich gar weigern, Astra zu verabreichen, so Heyne. Das gelte auch für Patienten, die kürzlich einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erlitten hätten: „Da würde ich sagen: Nein, das mache ich nicht.“

Die Praxen

Rund 300 Patienten hat Heyne auf der Liste der Impfwilligen stehen – und es würden immer mehr. „In dieser Woche haben wir ungefähr 80 Impfungen verabreicht.“ Er könnte mehr verimpfen, aber das funktioniere nicht während der Sprechstunden. Daher impfe er mittwochs- und freitagnachmittags. Bald gehe es an die Zweitimpfungen mit Biontech, dann stehe wohl weniger Impfstoff für Erstimpfungen zur Verfügungen.

Schumacher und sein Team verabreichen nach eigenen Angaben zwischen 100 und 250 Impfdosen pro Woche. Grundsätzlich sei es schön, aktiv werden zu können, statt nur zuzuschauen, Und zu sehen, wie sich die Impflinge über ihren Termin freuen. Das Impfen finde „on top“ zum normalen Praxisbetrieb statt. Die Sprechstunden wurden verkürzt, um den enormen personellen Aufwand des Impfens bewältigen zu können. Zuweilen fielen drei Telefonate pro Termin an. Dafür habe man einen Studenten auf 450-Euro-Basis eingestellt. Eine ehemalige Arzthelferin, eigentlich im Ruhestand, habe wertvolle Hilfe in der Schulung im Umgang mit den Vakzinen geleistet. Inzwischen sieht der Mediziner Kapazitätsgrenzen: „Wir können nicht unendlich impfen.“ Daher hoffe er, dass das Impfzentrum weiter unter Volllast läuft.

Ramers sauer

In ungewöhnlich scharfer Form richtet sich Landrat Markus Ramers an Menschen, die meinen, ihren Frust wegen Schwierigkeiten, einen Impftermin zu bekommen, an DRK-Beschäftigten am Bürgertelefon oder an den Beschäftigten im Impfzentrum abzulassen zu können. „Lasst diesen Scheiß“, appellierte der Landrat nun in einer Videobotschaft. Er freue sich für alle, die schon geimpft worden seien oder einen Termin hätten.

„Wir würden, wenn wir es entscheiden könnten, noch viel mehr Menschen impfen und für weitere Berufsgruppen öffnen. Doch dafür fehlt uns leider noch der Impfstoff und es gibt klare Vorgaben des Landes.“ Er könne den Frust und die Sorgen verstehen, sagte Ramers: „Was aber nicht geht, dass man dann respektlos, beleidigend oder manchmal auch bedrohend den Menschen, die helfen wollen, begegnet.“ Ramers über sein Video: „Ja, ich habe in diesem Video ,Lasst den Scheiß’ gesagt – die drastische Wortwahl empfand ich leider als notwendig.“ In den Kommentarspalten erhielt der Landrat weitgehend Zustimmung. Trotz oder gerade wegen der Wortwahl.

Auch der Kaller Mediziner Mathias Schumacher berichtet von unterschiedlichen Verhaltensweisen: Die meisten Patienten seien höflich und freundlich. Viele meldeten per E-Mail, dass sie gerne geimpft werden möchten, sich aber nicht vordrängeln wollten – und man sie doch bitte auf eine Liste aufnehmen solle. Doch auch Drängler sind in der Praxis nicht unbekannt, so Schumacher: „Man wundert sich schon, wer plötzlich angeblich gebrechliche Leute pflegt und daher eine Priorisierung bekommen will.“ Unverschämtheiten gebe es auch. Wer jedoch meint, mit Schimpfen, Pöbeln und Beleidigen in der Praxis weiterzukommen, hat schlechte Karten. „Die werden rausgeschmissen“, sagt Schumacher. Das müsse sich nun wirklich keiner bieten lassen.

Dr. Heyne hört zuweilen von erbosten Anrufern: „Die sind dann hier und da mal unfreundlich und es gibt lange Diskussionen. Wir als Ärzte haben damit wenig zu tun, das müssen dann leider die Helfer ertragen.“ Er stellt aber auch klar: Die allermeisten Patienten seien freundlich.

Die Corona-Lage

39 Neuinfektionen meldete die Kreisverwaltung Euskirchen am Freitag, das RKI meldete eine Inzidenz von 134,8. Das ist zum dritten Mal hintereinander unter 150. Sollte es Samstag und Montag dabei bleiben, könnten Einzelhandel und Konsumenten für die Zeit ab Mittwoch auf Einkaufen mit Anmeldung und Negativ-Testergebnis (click & meet) hoffen. Die Zahl der Corona-Todesfälle blieb bei 230. 815 akute Infektionen waren bekannt: Euskirchen 353, Weilerswist 85, Zülpich 75, Mechernich 65, Blankenheim 61, Hellenthal 55, Kall 39, Bad Münstereifel 36, Schleiden 29, Nettersheim 12, Dahlem 5.

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Kreis Düren

Eine Inzidenz von 131,5 meldete das RKI am Freitag für den Kreis Düren. Es gab laut Gesundheitsamt 70 festgestellte Neuinfektion. Die Zahl der Todesfälle stieg um 2 auf 270. An aktiven Infektionen waren 873 bekannt, 4 davon in Heimbach. Die Stadt hat mit Abstand die wenigsten akuten Fälle im Kreis, an zweiter Stelle steht Merzenich mit 19. Inzidenzen in der Region Städteregion Aachen 123,7; Rhein-Erft-Kreis 180,4; Rhein-Sieg-Kreis 98,5; Kreis Düren 131,5; Kreis Ahrweiler 91,5; Bitburg-Prüm 77,7; Vulkaneifel 37,9. (Quelle: RKI)

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