„Wasteless Hero“ aus EuskirchenAnke Schmidt und Baby Carl sagen Plastik den Kampf an

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557 Kilo Hausmüll hat nach Angaben des Statistischen Bundesamtes jeder Bürger im Kreis Euskirchen 2016 produziert.

557 Kilo Hausmüll hat nach Angaben des Statistischen Bundesamtes jeder Bürger im Kreis Euskirchen 2016 produziert.

  • Anke Schmidt aus Oberwichterich folgen 18.000 Menschen auf Instagram.
  • Als „Wasteless Hero“ kämpft sie gegen Plastikmüll und versucht, diesen zu vermeiden.
  • Mit dabei ist auch Baby Carl. Und ein Leben ohne Plastik – das ist gar nicht so schwer.

Kreis Euskirchen – Anke Schmidt hat Plastik und Müll den Kampf angesagt. Die 32-jährige Oberwichtericherin versucht, im Alltag komplett auf Kunststoff zu verzichten und möglichst wenig Müll zu produzieren. Ihre Erfahrungen behält Schmidt nicht für sich, sondern schreibt alles auf und stellt es in ihren Blog im Internet ein. „Wastelesshero“ (sozusagen Heldin der Müllvermeidung) nennt sie ihr digitales Tagebuch.

18.000 Menschen folgen der 32-Jährigen auf ihrem Instagram-Account, auf dem sie ebenfalls regelmäßig alltagstaugliche Tipps gibt, wie man auf Plastik verzichten kann. Da wird das Shampoo kurzerhand durch Roggenmehl ersetzt, Putzmittel selbst zusammengerührt und Brot im Stoffbeutel gelagert. Oder gezeigt, dass Abschminktücher aus ausrangierten Handtüchern hergestellt werden können.

Upcycling heißt das in der Fachsprache. „Das wird immer besser angenommen“, sagt Schmidt, die auch Jute-Beutel und Stilleinlagen aus Baumwolle in ihrem Shop anbietet.

Um der Nachfrage gerecht zu werden, hat die 32-Jährige ihre Freundin Karin Brosowski mit ins Boot geholt. Die Frauenbergerin näht gerne in ihrer Freizeit und möchte, so gut es geht, ihren Teil zum Umweltschutz beitragen. Mehrere Tage in der Woche sitzt sie für ihre Freundin vor der Nähmaschine. Zunächst nähte Brosowski in ihrer kleinen Nähstube auch Baumwoll-Slipeinlagen. Da die Nachfrage aber ebenfalls stark gestiegen und der Aufwand recht hoch sei, habe man sich professionelle Unterstützung geholt. „Ich lasse die Slipeinlagen jetzt in einer Werkstatt für gehandicapte Menschen herstellen“, erklärt Schmidt, die mittlerweile in Köln lebt.

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In der Großstadt sei es wesentlich einfacher, auf Plastik zu verzichten – allein schon durch die Möglichkeit, in den sogenannten Unverpackt-Läden einkaufen zu können. In den vielen Abfüllglasbehältern gibt es in solchen plastikfreien Geschäften verschiedene Haferflocken- und Müslisorten neben Trockenfrüchten, Nudeln, Öl, Essig, Couscous, Reis, Mehl und Backzutaten.

Plastikfrei in der Region

Aber auch wenn Schmidt in ihre alte Heimat zurückkehrt, versucht sie, ein möglichst plastikfreies Leben zu führen. „Es gibt verschiedene Geschäfte, in denen man sich beispielsweise sein Fleisch in eine mitgebrachte Dose packen lassen kann“, so Schmidt. Gleiches gelte für die meisten Bäcker und auf dem Wochenmarkt. So lasse sich der Müllberg verkleinern.

„Mittlerweile machen wir sogar unser Deodorant selber“, erklärt Schmidt. Einmal aus Maisstärke und Zitronenöl sowie aus Natron, Wasser und Limettenöl. „Die Herstellung dauert 30 Sekunden, es hält lange und schützt genauso gut vor Schweiß und Geruch“, versichert sie.

Und auch Baby Carl ist mit seinen anderthalb Jahren schon ein kleiner „Wastelesshero“. Für ihn gibt es eine Bambuszahnbürste, Stoffwindeln und Spielzeug aus Holz. Ein Plastikverbot herrscht aber nicht: „Wir haben letztens auch etwas für das Baby geschenkt bekommen, das aus Plastik war.“

Doch nicht nur deshalb muss sie so viel Verzicht und einem nachhaltigen Lebensstil gestehen: So ganz ohne Plastik geht es nicht. „Was sich nicht so einfach ersetzen lässt, ist Schminke“, so die Bloggerin. Auch Medikamente und Elektroartikel enthalten fast immer Kunststoff.

„Trotzdem kann jeder etwas für die Umwelt tun – allein schon, indem man kleine Gewohnheiten ändert“, so die 32-Jährige: „Oft holen wir uns auf dem Weg zur Arbeit einen Kaffee in einem Pappbecher. Wenn man einen Mehrwegbecher von zu Hause mitnimmt, ist der Kaffee oft sogar noch ein paar Cent billiger.“

Eingespieltes Duo: Anke Schmidt (l.) und Katrin Brosowski.

Eingespieltes Duo: Anke Schmidt (l.) und Katrin Brosowski.

Zudem können laut Schmidt Zahnbürsten durch Bambuszahnbürsten ersetzt werden: „Die sind plastikfreier, da alles bis auf die Borsten aus Bambus ist. Bambus ist ein natürlicher Rohstoff, der schnell nachwächst.“ Allerdings habe auch eine solche Zahnbürste Nachteile, weil sie nicht immer biologisch abbaubar sei.

So kaufen Sie verpackungsfrei in der Region ein

Wer an der Wurst- und Käsetheke im Hofladen von Haus Bollheim in Oberelvenich einkauft, kann sich die Ware in mitgebrachte Behältnisse packen lassen. „Die Hygiene-Vorschriften haben es uns nicht leicht gemacht, aber es ist vollbracht“, sagt Hans von Hagenow, einer von vier Landwirten, die den Hof von einer gemeinnützigen Gesellschaft gepachtet haben. Wichtig sei, dass der Behälter nicht zerbrechen könne und offen auf die Theke gestellt werde, um anschließend von den Verkäuferinnen befüllt zu werden.

In Dahlem kann der Kunde in der Bäckerei Ströder – wie bei vielen anderen Bäckern im Kreis – sein Brot und seine Brötchen in den mitgebrachten Jute-Beutel packen lassen. „Das ist ein kleiner Beitrag für die Umwelt, den wir gerne erbringen“, erklärt Bäckermeister Otmar Ströder.

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Auch bei Edeka-Filialen ist es möglich, seine Einkäufe an der Bedientheke (Fleisch, Wurst und Käse) in mitgebrachte Behältnissen abfüllen zu lassen, sagt ein Edeka-Pressesprecher auf Anfrage. Man habe dafür eine „Tablett-Lösung“ entwickelt, um den strengen Hygienevorschriften entsprechen zu können. „Allerdings können wir die Lösung noch nicht flächendeckend anbieten, da es keine einheitlich geregelten hygienerechtlichen Vorgaben seitens der Behörden gibt, die bei der Einführung dieser Lösung zustimmen müssen“, sagt der Pressesprecher. In der Edeka-Filiale in Zülpich ist das Selbstverpacken kein Thema. „Das ist hygienerechtlich bedenklich und deshalb in Zülpich nicht umgesetzt und auch nicht angedacht“, sagt der dortige Chef Claus Helfen.

In den Hit-Märkten in Euskirchen können sich die Kunden ihr Fleisch in Plastikdosen packen lassen. Gleiches gilt auch für das Rewe-Center in Kall an der Bahnhofstraße.

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