Abo

Aufräumen nach Flut in EuskirchenErft-Renaturierung beginnt trotzdem – oder deshalb?

Lesezeit 6 Minuten
Neuer Inhalt

Das Hochwasser hat Geröll und Steine an der Erft abgelagert. Die Renaturierung soll dennoch starten.

Euskirchen – Der Erftverband hält an der Renaturierung der Erftaue zwischen Kölner Straße und Veybachmündung fest. Auch die Renaturierung des Veybachs zwischen Wißkirchen und der Georgstraße in Euskirchen beginnt an diesem Montag planmäßig. „Es ist völlig sinnlos, die Aufräumarbeiten nach dem Hochwasser von den Renaturierungsmaßnahmen zu trennen“, sagt Volker Gimmler vom Erftverband.

Firmen können beides umsetzen

Man habe die Firmen an der Hand, die beide Projekte zu fairen Preisen umsetzen können – inklusive der Aufräumarbeiten, die in der Erftaue wesentlich aufwendiger sein werden als am Veybach. Normalerweise, so Gimmler, müsse die Stadt eine Ausschreibung für die Aufräumarbeiten tätigten. Dies würde die Renaturierung um Monate verzögern.

Also habe sich der Verband in Rücksprache mit der Stadt Euskirchen und dem Land NRW bereiterklärt, die Arbeiten zu übernehmen. „Da kann ich gerade nur alle loben. Das läuft unbürokratisch und vertrauensvoll ab“, berichtet Gimmler. Man werde selbstverständlich die Kosten der unterschiedlichen Projekte und Maßnahmen streng voneinander trennen.

Derzeit laufen vor allem Aufräumarbeiten. Die Fußgängerbrücke in Höhe des Wasserspielplatzes ist in der Erftaue mittlerweile abgerissen, Einzelteile wurden aus der Erft gezogen. Bis vor wenigen Tagen staute sich dort noch mehr oder weniger unkontrolliert das Wasser.

Es gibt mehrere Brücken, die durch das Hochwasser komplett oder irreparabel zerstört worden sind. Die Brücke an der Erftstraße, im Bereich des ehemaligen Schlachthofs, gibt es zwar noch, doch sie hängt durch. Der linke Pfeiler in Fließrichtung ist weg, der rechte ist verdreht. „Es ist schlichtweg lebensgefährlich, die Brücke zu betreten“, so Gimmler: „Sie muss abgerissen werden. Das macht die Baufirma für uns.“

Erft aus ihrem Stein-Korsett befreien

Die Idee, die Erft aus dem Korsett aus Steinen zu befreien, das sie zu einem geraden Verlauf zwingt, ist nicht neu. Bereits 2015 wurde aus der Vision ein Konzept, das ursprünglich 2019 abgeschlossen werden sollte.

Doch das Planfeststellungsverfahren verzögerte sich deutlich. Auch nach dem Hochwasser soll sich der Flussverlauf um 600 Meter auf 1,6 Kilometer verlängern – weil die Erft künftig in Schlangenlinien verlaufen soll. Ursprünglich sollte das Projekt rund 1,8 Millionen Euro kosten. Rund 80 Prozent davon trägt das Land, etwa 20 Prozent der Erftverband.

„Die Aufräumarbeiten werden nicht auf die Kosten der Renaturierung addiert. Aber die Renaturierung wird dennoch teurer, weil die Baustelle länger dauert. Dann wird sie auch kostenintensiver“, erklärt Gimmler, der davor warnt, zu nahe an die Erft heranzugehen: „Man sieht von oben nicht, ob eine Abbruchkante unterspült ist. Das ist gefährlich, weil die Tragkraft natürlich reduziert ist.“

Verbesserung des Hochwasserschutzes: Veybach wird umgestaltet

Deshalb sollen dort, wo die Erft in Euskirchen extrem ausgewaschen ist, Zäune aufgestellt werden. Man habe aber, so der Experte, Probleme, Absperrmaterial zu bekommen. Wann die Renaturierung der Erftaue abgeschlossen sein wird, kann der Projektleiter nicht sagen. Er habe schließlich keine Glaskugel.

Zur Verbesserung des Hochwasserschutzes wird ab sofort der Veybach zwischen der Georgstraße in Euskirchen und dem Westrand von Wißkirchen in zwei Bauabschnitten umgestaltet. Im Bereich der Alten Tuchfabrik wird das Gewässer nach Süden verlegt und im Bereich Wißkirchen durch einen südlich der Ortslage verlaufenden Umfluter ergänzt.

„Durch die Anlage von Verwallungen werden die Überschwemmungsflächen in Richtung der angrenzenden Ortslagen begrenzt und somit der Hochwasserschutz für die bebauten Bereiche verbessert“, sagt Projektleiter Dr. Christian Gattke. Die neuen Gewässerabschnitte werden laut Erftverband naturnah gestaltet und frei durchwanderbar für Fische und andere Gewässerorganismen hergestellt. Damit werde gleichzeitig das Ziel einer ökologischen Verbesserung verfolgt.

Veybach wird umgelegt, Hochwasserschutzwand wird errichtet

Im ersten Bauabschnitt wird der Veybach zwischen Euenheim und Bahndamm nach Süden verlegt, eine Hochwasserschutzwand entlang des Heinz-Küpper-Wegs errichtet und der Veybach in Fließrichtung oberhalb der Brücke Georgstraße umgestaltet. Es wird momentan von einer Bauzeit von fünf bis sechs Monaten ausgegangen. Der zweite Bauabschnitt von Wißkirchen bis Euenheim wird voraussichtlich 2022 umgesetzt.

„Ob der geplante Ausbau in der Lage gewesen wäre, zu einer Reduzierung der Schäden in der Hochwasserkatastrophe beizutragen, lässt sich kaum abschätzen“, so Gattke. Die Maßnahmen seien auf die Wasserspiegellagen eines 100-jährlichen Hochwassers bemessen. Bei dem Ereignis wurde am Pegel Burg Veynau der für ein 100-jährliches Hochwasser angegebene Wasserstand von 1,95 Meter mit maximal 3,81 Meter um fast zwei Meter übertroffen.

Es sei davon auszugehen, dass die geplanten Hochwasserschutzeinrichtungen überströmt worden wären, so Gattke: „Ein absoluter Schutz vor Hochwasser mit technischen Maßnahmen ist nicht erreichbar.“

Rotbach bei Sinzenich wird ebenfalls renaturiert

Auch der Rotbach soll bei Sinzenich renaturiert werden. Laut Gimmler hält der Erftverband an seinen Plänen fest und will das Projekt Ende September/Anfang Oktober beginnen. Die Planung sieht vor, eine breite Verwallung mit flachen Böschungen zum Schutz von Sinzenich vor Hochwasser anzulegen.

Das benötigte Erdmaterial für die Verwallung wird vor Ort durch die Anlage einer Sekundäraue gewonnen. Der Rotbach wird in ein naturnahes, mäandrierendes Gewässerbett innerhalb der Sekundäraue verlegt. Dadurch sollen die Ziele des Hochwasserschutzes und der Verbesserung der ökologischen Gewässerstruktur verfolgt werden. www.erftverband.de

Hochwasser stellen Normalzustand der Gewässer wieder her Massive

Auswirkungen hat das Hochwasser nicht nur auf Siedlungen und Menschen. Auch Tiere, Pflanzen und die Gewässer selbst sind betroffen – aber nicht immer nur negativ.

Völlig natürlich seien Hochwasser für viele Flüsse und Bäche, erläutert Volker Gimmler vom Erftverband. „Im Grunde stellen sie den Normalzustand ohne den Eingriff des Menschen wieder her.“ Verändere sich der Flusslauf der Gewässer, sei das in der Regel weder schädlich für Flora und Fauna noch problematisch für den Menschen.

In den Naturschutzgebieten um die Nebenflüsse der Erft existieren ökologisch wertvolle Habitate. „In diesen greifen wir selbst dann nicht ein, wenn das Hochwasser die Flussläufe massiv verändert hat“, sagt Gimmler. Teilweise gebe es Gespräche mit den Eigentümern der Nachbargrundstücke, wie diese mit der Situation umgehen sollen.

Negative Ausnahmen gibt es dennoch. „Einige Veränderungen sind kritisch, weil sie die Infrastruktur entlang der Gewässer betreffen“, erläutert Gimmler. Dazu zählen auch unterspülte Abbruchkanten oder ein verändertes Flussbett in der Nähe von Brücken.

An kritischen Punkten muss laut Erftverband auch der Hochwasserschutz wiederhergestellt werden. Teilweise kann das Wasser nicht mehr richtig abfließen. Weil vor allem kleinere Flüsse vom Hochwasser betroffen sind, sind viele kleine Schutzmaßnahmen erforderlich.

Auch das Laichverhalten von Fischen kann durch Veränderungen im Flusslauf – wie zum Beispiel durch Abbrüche – gestört werden. Gimmler rechnet aber damit, dass diese Störungen nur kurzfristig sind. „Die Fische passen sich an die veränderten Bedingungen an.“ Ausschließen, dass auch andere Tierarten durch veränderte Flussläufe beeinträchtigt werden, könne er ebenfalls nicht.

Kläranlagen, Öltanks und weggespülte Autos könnten ebenfalls einen negativen Effekt auf die Gewässerökologie haben. Mit Fäkalien belastetes Wasser gelang aus den Kläranlagen in die Flüsse und Bäche. Ein besonderer Fall ist die Stadt Mechernich – vor Bereiche am Bleibach. „Wir haben im Mechernicher Raum viel Blei im Boden“, erläutert der Experte vom Erftverband.

Wie stark die Böden durch das Hochwasser belastet worden seien, müsse nun aber zunächst durch die Bodenschutzbehörden abgeklärt werden. Gimmler: „Für die Flüsse gilt: Wir müssen herausfinden, wo stoffliche Belastungen sind. Und dann die Ursache abstellen.“ (maf)

Rundschau abonnieren