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Gute Laune bei den BügelprofisEuskirchener Betrieb beschäftigt Menschen mit Handicap

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Mit Abstand, Maske und Plexiglasscheiben muss derzeit auch beim Bügelprofi im Georgpark gearbeitet werden.

Mit Abstand, Maske und Plexiglasscheiben muss derzeit auch beim Bügelprofi im Georgpark gearbeitet werden.

Euskirchen – Von wegen „ein Büttchen Buntes“: Bei den Bügelprofis im Euskirchener Georgpark sind es eher 40 Körbe voll Wäsche, die werktags über die Theke gehen. Und zwar perfekt gebügelt, gemangelt und gestärkt.

Dreieinhalb Jahre hat der Betrieb der Nordeifelwerkstätten (NEW), zu dem zwölf Menschen mit Behinderung und fünf betreuende Mitarbeitende gehören, eher unscheinbar in Räumen im benachbarten Hit-Markt gewirkt. Mit dem Umzug in die ehemalige Apotheke des Gewerbeparks rücken die Bügelprofis nun mehr ins Licht der Öffentlichkeit – ein wichtiges Anliegen der NEW im Sinne der Inklusion. Die Kundschaft erhält direkt Einblick in die Arbeit des Teams: Von der Theke aus hat man freie Sicht auf die Frauen und Männer an den großen Mangelmaschinen, den Falttischen und Bügelstationen.

Zu heiß im Sommer

Grundsätzlich habe man sich am alten Standort im Hit-Markt auch sehr wohl gefühlt. Allerdings sei in den zurückliegenden heißen Sommern klar geworden, dass Handlungsbedarf bestehe: In den fensterlosen Räumen sei es im Umgang mit den unweigerlich heißen Maschinen doch sehr ungemütlich geworden. Zur Auswahl stand der Einbau von Klimaelektronik oder ein Umzug in neue Räume. „Die Beschäftigten sind von Anfang an miteingebunden gewesen in diese Entscheidung“, erzählt NEW-Geschäftsführer Georg Richerzhagen.

Integration in die öffentliche Arbeitswelt

Seit Anfang Januar findet sich die inklusive Bügel- und Mangelmanufaktur „Der Bügelprofi“ in neuen Räumen im Gewerbezentrum Georgpark, direkt neben dem Hit-Getränke-Markt. Dort kümmern sich zwölf Angestellten mit Handicap in erster Linie um die Wäsche von Privatkunden sowie um Wäsche aus anderen NEW-Arbeitsbereichen, beispielsweise aus den Kantinen.

„Mit Liebe zum Detail bügeln, stärken und mangeln wir alle Textilien gewebeschonend, denn Qualität hat bei uns Tradition“, heißt es in der Selbstdarstellung der Bügelprofis. Die frisch gewaschene und getrocknete Wäsche wird in eigenen Körben abgegeben und kann nach drei bis fünf Werktagen wieder abgeholt werden. Die Preise für die Bügel- und Mangelarbeit bewegen sich im unteren Segment.

Ziel der NEW ist es, Menschen mit Behinderungen in die öffentliche Arbeitswelt zu integrierten. Es würden möglichst viele Arbeitsangebote geschaffen, „nur so kann man den unterschiedlichen Befähigungen und Vorlieben der Menschen gerecht werden“, sagt NEW-Geschäftsführer Georg Richerzhagen.

In Kantinen und Lebensmittelgeschäften habe man sehr gute Erfahrungen gemacht, „man sieht sehr schnell, wie Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und die Selbstständigkeit der Mitarbeitenden wachsen“. Die erste Heißmangel für Beschäftigte mit Handicap, aus der letztlich der heutige „Bügelprofi“ entstanden ist, wurde in ganz kleinem Rahmen bereits 1991 von der NEW gegründet. (hn)

„Der Bügelprofi“,Georgstraße 30 in Euskirchen, Tel. 0 22 51/12 97 503, Öffnungszeiten: montags bis freitags 8 -18 Uhr, samstags 8 - 14 Uhr.

Die leerstehende Apotheke unweit des Hit-Marktes habe dann alle überzeugt, vor allem, weil sie eigene Toiletten, einen kleinen Sozialraum mit Küche sowie zahlreiche Fenster und damit auch Ausblick nach draußen bietet. „Unsere Beschäftigten waren sofort begeistert“, erzählt Hauswirtschaftsmeisterin Anne-Gret Krämer, die den Bügelprofi leitet.

Stimmung im „Bügelprofi“-Team ist spürbar gut

„Ich arbeite seit mehr als 25 Jahren an der Heißmangel, aber hier ist es am schönsten“, versichert Mitarbeiterin Heike Giesen. Ihre Kollegin Petra Knebel pflichtet bei: „Mir gefällt es hier richtig gut.“ Auch die Tatsache, dass sie in ihrer Pause drüben im Markt selber belegte Brötchen holen kann, findet Knebel klasse. Zwei Mitarbeiterinnen waren schon 1991 bei der ersten NEW-Heißmangel mit am Start, Christine Kohlgraf ist eine von ihnen. „Mir gefällt es vor allem wegen der Menschen hier“, so die 58-Jährige. Die Stimmung im „Bügelprofi“-Team ist spürbar gut. Man hilft sich gegenseitig, erledigt gemeinsam die Aufgaben und verbringt die Pause zusammen – derzeit natürlich corona-verträglich. „Wer einmal hier anfängt, möchte bleiben“, ist die Erfahrung von Bügelprofi-Leiterin Krämer. Die Arbeitszufriedenheit unter den Mitarbeitenden sei sehr hoch.

Auch Betreuerin Petra Schulzin hat den Eindruck, dass „sich die Menschen hier ausgesprochen wohl fühlen und gerne zur Arbeit kommen“. So gerne, dass manch einer direkt nach Feierabend wissen will, wann er wieder kommen darf. Oder wie Sven Löffler es formuliert: „Ich habe immer Bock, hier zu arbeiten.“

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Freundschaften entstanden

Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung haben auch Werkstatterfahrung. „Aber hier macht es mehr Spaß“, sagt die 32-jährige Bianca Tolkemit. Was sie vor allem schätzt: „Hier sind nicht so viele Leute wie in der Werkstatt, hier habe ich mehr Ruhe.“ Außerdem hat sie gute Freundinnen gefunden und verbringt mit manch einer Kollegin auch nach Feierabend gerne Zeit. Sabrina Clahsen ist seit 20 Jahren bei der NEW und hat verschiedene Werkstätten kennengelernt. „Dort habe ich Motoren geschraubt oder CDs geschreddert.“ Ihr sei das oft zu langweilig gewesen, in der Bügel- und Mangelmanufaktur hingegen sei es „viel, viel besser“, versichert die 40-Jährige, während sie fachmännisch die große Mangel bedient.

Fast alle Mitarbeitenden haben besondere Vorlieben: Die einen sind am liebsten am Bügelbrett, andere beherrschen tolle Falttechniken oder können selbst knifflige Stücke wie Rundtischdecken perfekt mangeln. Petra Knebel kennt sich bestens aus im Umgang mit „Rudi“. So hat das Team die Bügelpuppe getauft, mit der man im Handumdrehen und viel heißem Dampf Hemden und Blusen knitterfrei bekommt.

Das „Bügelprofi“-Team freut sich auch schon wieder darauf, Praktikantinnen und Praktikanten zu begrüßen – was erst wieder nach der Pandemie möglich sein wird. „Ein paar der Mitarbeitenden sind in dem Alter, bald in den Ruhestand zu gehen. Wir brauchen Nachwuchs“, sagt Anne-Gret Krämer. Den zu finden, wird sicher nicht so schwer – der gute Ruf als tolle Arbeitsstelle eilt den „Bügelprofis“ voraus.

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