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Kneipensterben im Kreis EuskirchenWirte finden kaum Nachfolger – Hoffen auf Nachwuchs

Lesezeit 8 Minuten
Den Thekenklaaf zum Feierabendbier pflegt Manfred Prinz, der seit 1980 Inhaber des Gasthauses Prinz in Mutscheid ist. Eine Küche würde zu seiner Kneipe nicht passen.

Den Thekenklaaf zum Feierabendbier pflegt Manfred Prinz, der seit 1980 Inhaber des Gasthauses Prinz in Mutscheid ist. Eine Küche würde zu seiner Kneipe nicht passen.

  • Das Kneipensterben nimmt auch im Kreis Euskirchen seinen Lauf.
  • Viele alteingesessene Wirte haben Probleme damit, einen Nachfolger zu finden.
  • Oft liegt die letzte Hoffnung im eigenen Nachwuchs.

Kreis Euskirchen – Seit 2007 hat sich die Zahl der Schankwirtschaften im Kreis Euskirchen um ein Drittel (von 154 auf 103) reduziert. Und der Negativtrend hält an. Erst vor wenigen Tagen hat in Kuchenheim die Traditionsgaststätte Zur Tant Seef ihre Türen geschlossen. Wo aber im Dorf kein Hausarzt mehr ist, der Pastor nur ab und zu als ambulanter Seelsorger in die Pfarrkirche kommt und der Tante Emma-Laden schon lange geschlossen hat, da stirbt mit dem Wegfall der Kneipe wieder ein Stück dörflichen Lebens.

„Ne, eine Küche hatten wir nie. Wenn wir Männ hier am Tresen plänen, dann passt es nicht, wenn Fremde hinter uns speisen. Das muss man verstehen.“ Manfred Prinz ist seit 1980 Inhaber des Gasthauses Prinz in Mutscheid. Und der 68-Jährige hat so seine Prinzipien. Es ist ein friedlicher Mittwochabend, Bergfest der Arbeitswoche. Also füllt sich der Thekenraum offenbar verlässlich mit den „Männ“. Es sind lauter Stammgäste, die hier ihr Feierabendbier trinken wollen und dabei gerne über Gott und die Welt reden. Vor allem gerne über ihre Welt.

Von der Taufe bis zum Trauerkaffee

Prinz serviert das frisch Gezapfte und lässt die Gäste kurz mit den Kolleginnen aus dem Serviceteam hinter dem Tresen allein. „Kommen Sie mal“, bittet der Kneipier und öffnet eine Tür zu seinem Saal mit – je nach Bestuhlung – 150 bis 180 Plätzen. Hier führen seit Jahrzehnten die Vereine aus den umliegenden 13 Dörfern, die einst zum eigenständigen Amt Mutscheid gehörten, ihre Veranstaltungen durch. Hier wird gefeiert – von der Taufe bis zum Trauerkaffee.

Das Gasthaus in Mutscheid ist ein gutes Beispiel, wie man sich gegen das Kneipensterben wehren kann. Man muss als Schankwirtschaft, wie sie offiziell genannt wird, zum Dorfleben dazu gehören. Was für Generationen selbstverständlich war, ist es allerdings nicht mehr immer. Manfred Prinz spürt das in der eigenen Familie: „Mein Sohn will den Laden nicht übernehmen, vielleicht eine aus dem Team.“ Andernfalls wird nach rund 150 Jahren bald die letzte Runde im Gasthaus Prinz gezapft.

Der Verband

Der Fachkräftemangel wird nach einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) aus dem vergangenen Herbst von zwei Drittel der befragten Inhaber einer Gastwirtschaft als größtes Problem bezeichnet. Dies und die Arbeitszeiten abends und am Wochenende machen den Beruf für viele wenig attraktiv.

Patrick Rothkopf ist Hotelier in Euskirchen und Kreisgeschäftsführer der Dehoga. Er vertritt auch die 103 Schankwirtschaften, die es Ende 2017 im Kreis gab – immerhin eine Kneipe mehr als ein Jahr zuvor. Aber ein Drittel weniger als die 154 Ende 2007. Nach Zählung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten gab es Ende 2017 im Kreis 249 gastronomische Betriebe, zu denen etwa auch Eisdielen gehören. NRW-weit sank die Zahl der Schankwirtschaften zwischen 2007 und 2017 von 10 696 auf 7941 Betriebe, so das Landesamt für Statistik auf Basis der Umsatzsteuermeldungen.

„Der Trend wird anhalten, auch in den Eifeldörfern“, so Rothkopf. Es gebe die bekannte Mischung aus Problemen – alleine die Kosten, die der Gastwirt habe: Personal, Wareneinsatz, Heizung, Strom. „Das alles konnte der Kneipier doch nie so über den Getränkepreis an die Gäste weitergeben“.

Bitter: Die Hotellerie in der Eifel profitiert nach Rothkopfs Beobachtung vom zunehmenden Tourismus in der Region, die Dorfkneipe offenbar nicht im gleichen Maße. Da tröstet es wenig, dass der Negativtrend „anderswo in Deutschland nicht anders ist“, so Rothkopf. (sli)

Für Politiker, die was werden wollen, ist das Thema Kneipensterben eine Steilvorlage. Markus Ramers aus Freilingen tritt im September für die SPD zur Landratswahl an. Und er ist deshalb wie die anderen Kandidaten auf Wahlkampftour – schließlich will er in den kommenden Monaten alle 294 Orte im Kreis besuchen. Ein Format dabei ist seine Theken-Runde in den Dorfkneipen. Auch das Gasthaus in Mutscheid ist dabei. „Natürlich ist das wichtig, dass die Dorfkneipe erhalten bleibt“, macht Ramers in Mutscheid klar: „Kneipen und Dorfsäle haben oftmals ihren eigenen Charme. Das sind keine sterilen Multifunktionsräume. Hier braucht es eine bessere Förderung.“

Auch im altehrwürdigen Meiershof in Freilingen hört man die Worte wohl. Die Kneipe, das belegt eine erhaltene Steuermitteilung, besteht seit Mitte des 16. Jahrhunderts am Platze. Seit 31 Jahren sind Reinhold „Käsper“ Schwarz und seine Frau Ingrid die Inhaber. Das mache ihn schon ein bisschen stolz, in einer solchen Kneipe zu sein, sagt er. Doch mit Gefühlen alleine kann er sie nicht führen. „Früher war zum Beispiel freitagabends und sonntagvormittags zum Frühschoppen die Hütte voll. Das hat sich geändert.“ Jüngere Leute finden den traditionellen Frühschoppen weniger cool.

Der Meiershof hat wie das Mutscheider Gasthaus ein „Sälchen“. 220 Plätze bietet es je nach Bestuhlung, eine Bühne ist vorhanden. Hier treten der Musikverein, die Theatergruppe auf, hier wird Karneval gefeiert, hierhin kommen die Familien zu ihren großen Festen. „Alles schön und gut“, sagt Käsper Schwarz: „Aber es ist ungerecht, dass die Bürgerhäuser in den Dörfern unterstützt werden, und wir, die wir ein ähnliches Angebot vorhalten mit unseren Sälen, nicht!“

Knobeln und Schocken

Anderes haben die Kneipen seit Jahrzehnten eher exklusiv: Wie in Mutscheid gehört auch in Freilingen zum Kneipenleben am Stammtisch das Knobeln oder Schocken. Und hüben wie drüben werden die kleinen Sparkästchen gefüllt, die Leerung ist wie üblich am Jahresende. Wer dann gar nichts eingezahlt hat, muss eine Strafgebühr bezahlen.

Der Kreis

„Es ist ein unheimlich schwieriges Thema, weil nicht offen damit umgegangen wird“, sagt Sabine Spohrer von der Struktur- und Wirtschaftsförderung des Kreises Euskirchen.

Viele Betreiber einer Kneipe, einer Gaststätte oder eines Hotels haben laut der Expertin Angst, laut auszusprechen, dass sie beabsichtigen, in naher Zukunft zu schließen. Sie begründen das laut Spohrer mit der Angst, dass dann die Gäste ausbleiben. „Aus meiner Erfahrung ist das aber Quatsch“, erläutert Spohrer.

Einen Nachfolger für den Betrieb zu finden, dauere seine Zeit. Mindestens zwei bis fünf Jahre, so Spohrer: „Eigentlich gibt es keinen zu frühen Zeitpunkt, um sich damit zu beschäftigen. Es gelte, vorübergehende oder gar dauerhafte Schließungen in der Hotellerie und Gastronomie zu vermeiden.

Die positive Entwicklung des Tourismus in der Region müsse weiter gefördert werden. Deshalb sei ein Coachingkonzept entwickelt worden, das die Betriebe hinsichtlich des Übergabezustands überprüfe, Förder- und Beratungsangebote bündele sowie einen Leitfaden und ein Netzwerk aufbaue, um bei der Suche nach einem Interessenten zu helfen.

„Die Schwerpunkte der Beratung liegen inhaltlich bei Fragen zu Steuern, Recht, Finanzen, Wirtschaftsförderung sowie Tourismus und Marketing“, so Spohrer. Es werde dabei eng mit der Existenzgründerstelle des Kreises Euskirchen zusammengearbeitet. (tom)

www.nachfolge-

gastgewerbe-eifel.de

In Kall, wo ein eigener Verein gegründet worden ist, um die Traditionskneipe Gier zu erhalten, gibt es jährlich die Schockermeisterschaft um den Luisjen-Cup, benannt nach der langjährigen Wirtin. Mit Konzerten und Kleinkunst hat sich der Verein einen Namen gemacht, zudem gibt’s montags, mittwochs, freitags und sonntags ab 18 Uhr ganz normalen Thekenbetrieb.

Junges Paar übernimmt in Schmidtheim

In Schmidtheim wiederum war es schlicht ein Glück, dass man am Bahnhof Mitte dieses Jahres in der 130 Jahre bestehenden Gastwirtschaft Krumpen nicht zum letzten Mal die Stühle auf die Tische gestellt hat. Gisela und Friedel Krumpen, die das Traditionshaus 45 Jahre führten, haben ein junges Paar gefunden, das sich den Job zutraut.

Ob Kathi Frings dieses Glück hat? Die 81-Jährige ist Inhaberin des „Stöffje“ in Eiserfey. „Das hat nichts mit Stoff zu tun, wie Fremde meinen, die den Dialekt nicht können“, sagt die Frau des Stübchens und lacht. Ihr Großvater Heinrich Nassheuer hatte in das „schon ewig bestehende“ Gasthaus, so Kathi Frings, eingeheiratet. Der Name steht stolz gemalt auf einem Schild an der Fassade des knuffigen Fachwerkhauses von „Anfang 1600“.

Seit 48 Jahren steht Kathi Frings hinter dem Tresen. Zur Kneipe gehört ein größtenteils überdachter Innenhof des einstigen Bauernhofes. In der ehemaligen Scheune und im vormaligen Pferdestall kann heute gefeiert werden.

Hoffnung liegt auf dem Sohn

Das war einst nicht so: „Mein Großvater hatte den Zappes hier vorne im ersten Raum, die Küche war hinten in der Ecke“, so Frings. Sie hofft, dass ihr Sohn die Kneipe weiterführt. Entschieden ist das noch nicht. Sonst wird wohl auch das Stöffje für immer geschlossen.

In einem anderen Stübchen, dem Maat-Stüffje in Euskirchen, kämpft ein junger Wirt gegen den Trend. Nico Falkenberg ist 21 Jahre alt und hat vor zwei Jahren die Kult-Kneipe am Alten Markt übernommen. Dafür hat er seine Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik abgebrochen. „Ich würde das wieder tun“, sagt der 21-Jährige, der im täglichen Geschäft von seiner Mutter Claudia unterstützt wird. „Dass der Zeitaufwand so groß ist, hätte ich nicht gedacht“, berichtet Falkenberg. Ernüchternd sei, wie schwierig es sei, zuverlässiges Personal zu finden: „Da sind wir sicherlich nicht die einzigen, die mit diesem Problem zu kämpfen hat.“ Das Maat-Stüffje sei wieder ein Treff der Generationen – Partylokal treffe es ganz gut, sagt er schmunzelnd. Nicht selten werde bis vier Uhr gefeiert und Kölsch getrunken. Während samstags gerne die Nacht zum Tag gemacht wird, bleibt das „Maat“ sonntags geschlossen. „Wir haben zwar noch Stammkunden, die schon morgens ein Bier trinken, aber den klassischen Frühschoppen gibt es nicht mehr“, sagt Falkenberg.

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Da kann man sich fragen, was eine Kneipe denn so einzigartig macht, dass sie unbedingt erhalten werden soll – trotz gegenläufiger Tendenzen und der bekannten Probleme. Hat sich dieses Angebot eines sozialen Mikrokosmos nicht mangels Nachfrage langsam überlebt? Uwe Reetz, Musiker aus Kommern, kennt eine Antwort: „Ich trete ungefähr ein Dutzend Mal im Jahr in Dorfkneipen auf. Dann singen alle zwei Stunden lang kölsche Lieder rauf und runter. Das gibt es nur in der Kneipe!“

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