Messe „50 plus“ in EuskirchenWeil 60 das neue 50 oder gar 40 ist

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„Das tut gut“: Messebesucher Peter Schmitz lässt sich von Marco Arnoldt beugen und strecken.

„Das tut gut“: Messebesucher Peter Schmitz lässt sich von Marco Arnoldt beugen und strecken.

Euskirchen – Man mag es nicht glauben, doch Peter Schmitz lächelt. „Das tut gut“, sagt der Weilerswister. Er lässt sich gerade von Eurotrainer Marco Arnoldt nach allen Regeln der Kunst strecken und beugen. Das helfe, unter anderem gegen Rückenschmerzen, erklärt mir Arnoldt. Peter Schmitz bestätigt das. Sollte ich vielleicht auch mal in Erwägung ziehen, denke ich. Dieser Gang über die „ Messe 50 plus“ sollte mir noch mehrmals vor Augen führen, dass ich seit einigen Jahren zu dieser Zielgruppe gehöre.

Die Dame, die ich danach treffe, gehört schon etwas länger dazu. Ihr Lachen nimmt einem die Angst vor dem Altern. Die Fußmassage mit Infrarot, die sie bei einem Aussteller testet, gefalle ihr, stellt sie fest. Ihr Gesichtsausdruck erinnert mich an den Untertitel der Veranstaltung: Freude am Leben. „Mich interessieren vor allem die Gesundheitsthemen“, sagt die Frau.

Kampf gegen die Sucht: Maria Surges-Brilon und Dieter Schnapka erläutern die Hilfsangebote.

Kampf gegen die Sucht: Maria Surges-Brilon und Dieter Schnapka erläutern die Hilfsangebote.

Dass sie auf dieser Messe fündig werden wird, verwundert mich nicht. Doch was macht eine Tanzschule hier? Wer’s mit 50 nicht kann, lernt's ohnehin nicht mehr, oder? Andrea van Ommen, die sich am Stand der Euskirchener Tanzschule mit Besuchern unterhält, scheint meine Gedanken lesen zu können. „Es gibt viele Menschen in diesem Altersspektrum, die gerne tanzen, deren Partner aber aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht mehr tanzt oder gar verstorben ist“, klärt sie mich auf. Daher erfreuten sich diese Angebote der körperlichen Aktivitäten und der Geselligkeit wegen zunehmender Beliebtheit. 60 ist halt das neue 50, denke ich mir. Oder gar das neue 40? Den Tanzschulen komme das entgehen, sagt van Ommen : Senioren hätten, entgegen anderslautender Vorurteile, mehr Zeit, die Kursräume könnten auch tagsüber genutzt werden.

Roboter in der Pflege

Einen Stand weiter empfangen mich Dieter Schnapka und Maria Surges-Brilon. Es wird ernster. Tablettenpackungen in Hülle und Fülle auf der einen, leere Sektgläser auf der anderen Seite des Stehtisches wecken meine Neugier. „Wir wollen auf die Hilfsangebote für Menschen hinweisen, die von Sucht betroffen sind“, erklärt mir Schnapka. Wer seinen Konsum als grenzwertig oder gar darüber hinaus einschätze, sei willkommen, fügt Surges-Brilon, die bei der Suchthilfe der Euskirchener Caritas arbeitet, hinzu. Ein paar Fragen auf zwei Tablets sollen die Hemmschwelle senken. Oft kämen auch Angehörige von Suchtbetroffenen, erzählt Schnapka. Seit Jahren engagiert er sich für die Ginko-Stiftung für Prävention. Er berichtet mir von einem alkoholkranken Mann, dessen Frau sich an die Stiftung gewandt hatte: „Er ist nun schon 25 Jahre trocken.“ Doch bereits ein einziges Glas Bier könne zum Rückfall führen.

SIE informiert: Am Stand von Senioren in Euskirchen berichtet Marie-Theres Kastenholz von Roboter Pepper.

SIE informiert: Am Stand von Senioren in Euskirchen berichtet Marie-Theres Kastenholz von Roboter Pepper.

Dass sich Senioreneinrichtungen hier präsentieren, überrascht mich nicht. Malahat Dinkelmann von Integra reicht mir einen Flyer über die Senioreneinrichtung an der Gerberstraße: 80 Plätze, alles Einzelzimmer, fällt mir beim Überfliegen ins Auge. „Ganz schön viel Konkurrenz hier“, spreche ich Dinkelmann an. Natürlich gebe es Wettbewerb, antwortet sie, aber auch Zusammenarbeit. „Wir haben ja kein betreutes Wohnen, dann weisen wir Interessenten auf Häuser hin, die das anbieten“, sagt sie. Andersherum funktioniere das auch. Wieder was gelernt.

5000 Besucher – Veranstalter zufrieden

Zum elften Mal fand die Messe „50 plus – Freude am Leben“ im Kreis Euskirchen statt, zum neunten Mal in der Stadt Euskirchen. „Das ist hier ein Selbstläufer“, sagt Veranstalter Helmut Schmitz. Im vergangenen Jahr hätten geschätzt rund 6000 Menschen die Veranstaltung besucht, dieses Jahr zeichnete sich ein ähnliches Ergebnis ab, so Schmitz: „Doch dann kam am Sonntag der Sturm, so hatten wir rund 5000 Besucher.“ Zufrieden sei er trotzdem. Der Eintritt war frei.

Rund 60 Aussteller und Referenten nutzten die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Die meisten seien zum wiederholten Male dabei: „Bereits im September hatten wir 70 Prozent aller Plätze belegt“, erklärt Schmitz. 88 Mal schon habe er seit 2010 diese Themenmesse veranstaltet , in einem Umkreis von 120 Kilometern um seinen Firmensitz Simmerath. Die Altersklasse 50 bis 65 Jahre sei bei Anbietern sehr beliebt, so der Veranstalter. Viele seien beruflich gefestigt und hätten im besten Falle ihr Eigenheim abbezahlt. Ziehe man die Fixkosten ab, stünden ihnen laut Studie im Schnitt etwa 3500 Euro zur Verfügung. Ein Teil davon werde für Versicherungen und Ähnliches gebraucht, es bleibe aber noch einiges übrig, um das Leben zu genießen, etwas für die Gesundheit zu tun oder sich Arbeiten abnehmen zu lassen, zum Beispiel in Garten oder Haus.

Auch die Vorträge, an diesem Wochenende waren es 26, träfen auf große Resonanz: Patientenverfügung, Erben, Versicherungen, Immobilien , Wellness, Gesundheit und Pflege seien beliebte Themen.

Was für die Ü 50-Zielgruppe zudem spreche, so Schmitz: Wegen ihrer „Sandwich“-Position brächten viele sowohl ihre Kinder als auch ihre Eltern mit zur Messe. (sch)

Ich komme bei Immobilienmakler Wolfgang Hassel vorbei. „Haben die über 50-Jährigen denn nicht schon ihr Eigenheim?“, frage ich ihn. „Und wenn nicht, wäre es dann nicht schon zu spät?“ Hassel gibt mir erstmal recht. „Wir haben uns aber auf die Immobilienrente spezialisiert“, sagt der Zülpicher dann aber. Er sieht meinen fragenden Blick. Es gehe um Menschen, die im Wortsinn steinreich seien. Sie haben also ein Haus, hätten aber auch gerne mehr Geld zur Verfügung. Hier komme die Immobilienrente ins Spiel, also die Möglichkeit, das Haus zu verkaufen, dennoch weiterhin darin mietfrei wohnen zu können – so lange man wolle, auch bis zum Tod. Dem Käufer falle erst danach das Nutzungsrecht zu. „Das Haus hat für ihn selbst dann noch einen Wert, wenn er 20 Jahre warten musste“, erklärt Hassel.

Während ich weiter an den Ständen vorbei schlendere , läuft mir Peter Schmitz wieder über den Weg. Er lächelt immer noch. Diese „Schmerze ade“-Maßnahme hat ihm wohl wirklich gut getan. Seine Frau Erika will bei SIE vorbeischauen, der Initiative Senioren in Euskirchen. Gute Idee, denke ich. Am Stand empfängt mich Marie-Theres Kastenholz. Sie erzählt, dass sie am Morgen im Vortrag „Digitaler Stammtisch“ per Video-Zuschaltung Pepper vorgestellt habe – einen Roboter, der in der Senioren eingesetzt werde. „Nein“, entgegnet Kastenholz meiner Skepsis, „er soll die Menschen nicht ersetzten, ihnen aber bei der Pflege helfen.“ Schade, dass ich ihren Vortrag verpasst habe. Bevor ich gehe, treffe ich nochmal die Schmitzens. Er lächelt immer noch. Ich denke darüber nach, mich auch mal von Marco Arnoldt beugen und strecken zu lassen. Vielleicht bei der Messe im kommenden Jahr...

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