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Flut-Schrott in EuskirchenMüllberge voller zerstörter Träume

Lesezeit 4 Minuten
Die Landstraße als Zwischenlager: Auf 150 Metern Länge türmt sich bei Iversheim der Flut-Müll auf, bevor er abgefahren wird.

Die Landstraße als Zwischenlager: Auf 150 Metern Länge türmt sich bei Iversheim der Flut-Müll auf, bevor er abgefahren wird.

Euskirchen – Es ist ein surrealer Anblick, der sich dem Betrachter in Vogelsang bietet: Der komplette Parkplatz zwischen dem Eingangsgebäude Malakoff und dem Kulturkino dient zur Zeit als Müllhalde. Kühlschränke, Möbel, Elektrogeräte, Gemälde und Bücher stapeln sich dort wie auf so vielen zentralen Plätzen im Kreis. Doch es sind auch Fotos, Briefe, Ausweispapiere – wie viele Erinnerungen mögen in den aufgetürmten Schuttbergen liegen? Unzählige zerstörte Zukunftsträume und vernichtete Existenzen lagern in Vogelsang, auf der Landstraße zwischen Bad Münstereifel und Iversheim, auf dem Gelände des einstigen Sägewerks in Sötenich – an so vielen Plätzen im Kreis. Wie viele Tausend Tonnen es sind? Das weiß noch niemand genau. All die zerstörten und verschlammen Dinge warten darauf, dass sie mit Lastwagen zum Abfallwirtschaftszentrum in Strempt transportiert werden.

150 Meter langer Müllberg

Auf einer Länge von rund 150 Metern türmt sich auf der L 194 bei Iversheim der Müll. „Wir haben die Hälfte schon weg. Es ist aber noch mal so viel im Dorf“, sagt der Feuerwehrmann, der in Absprache mit der Polizei die Lkw zu den Baggern lotst. Wie am Fließband geht es zu. Sobald ein Lkw voll beladen ist – was in Anbetracht der Masse an Müll nur eine Frage von Minuten ist –, rollt der nächste vom Wachendorfer Berg vorsichtig über den Bahnübergang. Der beladene Kipplaster macht sich dann über die L 194 auf den Weg zu den Abladepunkten – etwa in Mechernich.

Nach Vogelsang hat die Stadt Schleiden den Schutt der Hochwasserkatastrophe transportieren lassen, der bislang auf dem Marienplatz in Gemünd und dem Driesch in Schleiden gesammelt wurde. Doch ab dem heutigen Montag, so kündigte es die Stadtverwaltung am Freitagnachmittag an, sollen die Sammelstellen nicht mehr in Betrieb sein. Dann soll Schluss damit sein, dass die Abfälle am Straßenrand abgelagert werden können, um von der Stadt abtransportiert zu werden.

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„Es ist wichtig zu sehen, dass dies alles kontaminierter Müll ist“, sagt Schleidens Beigeordneter Marcel Wolter. Er meint damit auch Lebensmittel, die verderben, Farben und Lacke oder auch Tierkadaver. Da sei es wichtig gewesen, all diesen Müll so schnell wie möglich aus den Innenstädten herauszubringen und auch die Zwischenplätze, die nahe an Wohnbereichen gelegen hätten, aufzulösen. Das sei seitens der Stadt geregelt worden. Neben den vielen privaten Helfern und auch Landwirten, die mit angepackt und sich am Abtransport der Schuttberge beteiligt hätten, seien auch Firmen eingesetzt worden. Auch hätten sich viele Institutionen wie Bundeswehr, Erftverband, Speditionen, Bauunternehmungen, Kreisbauhof, Kreispolizei und viele mehr beteiligt. „Die Liste ist sehr lang“, sagt Wolter. Überall im Kreis gilt: Ohne all die Freiwilligen, die fast wie Ameisenkolonnen unterwegs waren, um die Haufen vor den Häusern aufzusammeln, wäre diese Mammutaufgabe gar nicht zu bewältigen gewesen.

In den Zwischenlagern sei der angelieferte, hochbelastete Müll vorsortiert worden. „Wir haben in den letzten Tagen festgestellt, dass die problematischen Stoffe größtenteils raus sind“, so Wolter. Das Bild habe sich verändert, denn die Menschen haben mit der Sanierung der Gebäude begonnen. Dementsprechend sei mittlerweile zum Beispiel auf dem Driesch vor allem Bauschutt angefallen. „Wenn wir anfangen, Bauschutt zu fahren, fahren wir noch die nächsten Jahre“, sagt Wolter.

„Wir können nicht einfach wilde Mülldeponien einrichten“

Auch bringen Leute den Müll nach Vogelsang, die gar nicht aus Schleiden seien. „Wir können es nicht kontrollieren. Wir können nicht einfach wilde Mülldeponien einrichten“, erklärt Wolter. Wie gefährlich der aufgestapelte Müll sei, habe sich etwa gezeigt, als ein Brand ausgebrochen sei. Inzwischen seien daher Brandwachen eingerichtet worden. Auch würden die Schutthaufen Umweltgefahren darstellen.

„Nach zehn Tagen müssen wir jetzt wieder in ein geordnetes, ein gesichertes System kommen“, betont Wolter. Deshalb sei die Entscheidung am Freitag angekündigt worden, damit der Müll übers Wochenende, wenn noch so viele freiwillige Helfer mit anpacken, noch entsorgt werden könne.

Die Bürger sollten nun Abfälle selbst nach Strempt bringen oder sich einen Container besorgen. Wolter betont jedoch, dass das nicht das Ende der städtischen Unterstützung ist – gerade mit Blick auf Häuser, die noch nicht betreten werden dürfen, da zunächst die Tragfähigkeit geprüft werden muss. „Wir haben in Gemünd Ecken, wo man noch nicht hinein kann“, sagt Wolter. Zum einen mache die Firma Schönmakers weiterhin Sonderfahrten. Und es sei es weiterhin möglich, die Stadt zu kontaktieren, um einen Abtransport zu organisieren, der zu Lasten der Stadt gehe. Dafür kann die Nummer der Hochwasser-Hotline, 02445/ 89470, genutzt werden oder die Mail-Adresse hochwasser@schleiden.de. Ein weiteres Thema ist der nun ebenfalls tonnenweise anfallende Bauschutt. Der kann laut Wolter problemlos gelagert werden – etwa im Garten. Dazu werde man nun Gespräche mit dem Kreis führen, um möglicherweise konzertierte Aktionen zur Abholung des Bauschutts zu starten.

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