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Flutbilanz der CaritasHilfebedarf im Kreis Euskirchen ist nach wie vor groß

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Vor Ort bei den Betroffenen: Stefanie Hoffmann zeigte Caritas-Fluthilfe-Berater Tim Hennes, wie sie und freiwillige Helfer nach der Katastrophennacht eine Eimerkette bildeten, um Schlamm und Wasser aus dem Wohnhaus zu entfernen.

Kreis Euskirchen – Ein Jahr Fluthilfe, ein Jahr lang Beratung für Betroffene, ein Jahr lang Hilfsgelder für Menschen organisieren, die alles verloren haben. Der Caritasverband des Kreisdekanats Euskirchen zieht Bilanz: Mehr als 2000 Betroffene im Gebiet Euskirchen, Bad Münstereifel, Zülpich, Weilerswist und Mechernich unterstützte die Caritas eigenen Angaben zufolge beim Ausfüllen von Fluthilfsanträgen aus Spendenmitteln, etwa 2,1 Millionen Euro Sofort- und Haushaltsbeihilfen habe die Organisation ausgezahlt.

Im Euskirchener Fluthilfebüro kümmern sich die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter neben der finanziellen Unterstützung auch um die psychosoziale Beratung der Betroffenen, berichtet Sozialarbeiterin Saskia Reder. Für die Mitarbeiter sei ein Jahr nach der Katastrophe klar: Die Flut ist für viele noch nicht vorbei, wie Matthias Schmitt, Fluthilfekoordinator vom Diözesan-Caritasverband Köln, sagt.

Nach wie vor fragten Betroffene nach psychologischer Beratung und nach Möglichkeiten, Hilfsgelder zu beantragen. „Gerade weil psychosoziale Beratungen einer unserer Schwerpunkte sind, taucht gerade mehr und mehr Bedarf auf, nach Hilfe zu rufen“, sagt Reder.

Viele Schäden blieben erst unbemerkt

Das gelte ebenso für finanzielle Hilfsgesuche, denn: Viele Schäden würden erst jetzt zutage kommen, wie Beraterin Elisa Mc Clellan erklärt. Kurz nach der Flut habe vor allem der Schock tief bei vielen Flutopfern gesessen und es sei nicht einfach, sich so früh bereits einen Überblick über entstandene Schäden zu verschaffen.

Matthias Schmitt ist sicher, dass mindestens noch zwei Jahre Bedarf für das Beratungsangebot der Fluthilfebüros bestehe. Auch deshalb wolle die Caritas nun ein Jahr nach der Flutnacht vor allem auf die Dörfer schauen, die zuvor weniger im Fokus standen. „Vergessene Orte“ nennt der Verband die Dörfer, die in der überregionalen Berichterstattung wenig Aufmerksamkeit erhielten. Einer dieser Orte sei Dürscheven, so Martin Jost, Vorsitzender der Caritas Euskirchen.

Die Caritas-Hilfe in Zahlen

Verband Euskirchen

Eigenen Angaben nach hat der Caritasverband Euskirchen Flutbetroffenen insgesamt 2,1 Millionen Euro an Sofort- sowie Haushaltshilfen ausgezahlt.

Im Gebiet des Kreisdekanats Euskirchen hätten knapp 1000 Haushalte Soforthilfe und 283 Haushalte Haushaltsbeihilfe erhalten, sagt Verbandsvorstandsvorsitzender Martin Jost.

Betroffene hätten dank der Caritas 271 psychosoziale Beratungsgespräche seit Februar 2022 wahrgenommen, zudem hätten Baufachberatungen und Kinderveranstaltungen stattgefunden. (enp) 

Traum vom Auswandern zerstört

Hier lebt Stefanie Hoffmann mit ihrem Sohn und ihren Pferden. Vor der Flut habe sie die Wohnräume auf ihrem Grundstück vermietet und sei im Begriff gewesen, auf die Insel Jersey auszuwandern. Ihr Haus in Dürscheven habe sie als Anker in der Heimat zum Pendeln nutzen wollen. Sechs Wochen vor der Flut habe sie ihren Job gekündigt. Doch die Katastrophe habe ihre Pläne durchkreuzt. „Ich wusste nicht, wie ich das alles finanziell und zeitlich stemmen sollte“, erzählt Hoffmann. Immerhin – ihre alte Arbeitsstelle habe sie wieder antreten können.

Weil sie nicht gewusst habe, dass sich unter ihrem Fußboden Dämmwolle befinde, sei der selbst ein Jahr nach der Flut nach wie vor feucht. Aktuell suche sie mit der Caritas-Fluthilfe nach Möglichkeiten, die entstandenen Mehrkosten zu finanzieren. „Oft bleibt in solchen Fällen nur der Weg über einen Anwalt“, erklärt Berater Tim Hennes.

Caritasverband selbst betroffen

Auch der Euskirchener Caritasverband sei in sieben Einrichtungen von der Hochwasserkatastrophe betroffen gewesen, wie Jost berichtet. Das habe vor allem in der Anfangszeit nach der Flut dazu geführt, dass die Mitarbeitenden teils auf Baustellen beraten mussten.

„Wir haben dann das genutzt, was da war. Wir hatten zwei Wochen keinen Strom, wir hatten, glaube ich, anderthalb Monate kein Telefon. Das heißt, die Mitarbeiter konnten keine Beratung durchführen“, erinnert sich Jost: „Aber wir haben Soforthilfen ausgezahlt. Wir haben dann umgeswitcht: Wir haben geschaut, wo wird was gebraucht. Der eine zahlt aus, der andere räumt auf. Also da auch ein Riesen-Kompliment an die Mitarbeiter, die alle mitangepackt haben.“

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Die Berater erinnern sich an die Szenen, die sich in den Caritas-Einrichtungen abgespielt hätten: Auszahlungen der 200 Euro Soforthilfe hätten teils in Campingstühlen und sogar auf einer Tischtennisplatte stattgefunden. Mit händischen Notizen habe man sich die Daten der Betroffenen notiert, Mitarbeiter-Konferenzen hätten in den verschlammten Räumlichkeiten im Stuhlkreis stattgefunden.

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