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Nach der FlutWasserverband Eifel-Rur erhält Förderung für Wiederaufbau

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Durch einen kontrollierten Überlauf der Rurtalsperre am Morgen des 16. Juli wurde in den Anliegerkommunen am Rurunterlauf – etwa in Heimbach – größerer Schaden vermieden.

Durch einen kontrollierten Überlauf der Rurtalsperre am Morgen des 16. Juli wurde in den Anliegerkommunen am Rurunterlauf – etwa in Heimbach – größerer Schaden vermieden.

Kreis Euskirchen/Düren – Mit 5,2 Millionen Euro fördert das Bundesforschungsministerium für drei Jahre ein wissenschaftliches Begleitprojekt zum Wiederaufbau in den Hochwassergebieten von NRW und Rheinland-Pfalz. Einer der 13 Projektpartner ist der Wasserverband Eifel-Rur (WVER). Projektbüros als Ansprechpartner für Anliegerkommunen sind in Aachen und in Ahrweiler geplant.

Investitionen

120 Millionen Euro will der WVER im Bereich seiner Mitgliedskommen unter anderem zur Sanierung von Uferböschungen oder der Behebung von Verklausungen an Brückenbauwerken investieren. Der Verband will auch die Betreuung, Sanierung und – wo nötig – den Ausbau kommunaler Deiche. Das teilte jetzt WVER-Vorstand Dr. Joachim Reichert mit.

Alleine sieben neue Hochwasserrückhaltebecken seien geplant. Man wolle dazu die Zahl von bislang 48 Pegeln an den Gewässern drastisch erhöhen: „Unser Ziel ist ein Pegel alle 1000 Meter“, so Reichert. (sli)

Schon bei der Wiederaufbaukonferenz in Euskirchen war Prof. Dr. Holger Schüttrumpf ein aufmerksamer Zuhörer. Was dem Leiter des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft (IWW) der RWTH Aachen unter anderem auffiel: „Es war von Wiederaufbau, wie es einmal war, die Rede. Doch je nach Örtlichkeit und Schäden muss man sich eher fragen, ob es nicht besser Neuaufbau heißen muss. Geht das hier überhaupt? Wo ist eine Grenze, wo manche Orte an der Ahr nach 1804 und 1910 zum dritten Mal untergegangen sind?“

Viele Fragen zu beantworten

Schüttrumpfs Institut wird mit dem WVER anhand eines noch bis Ende Februar terminierten Masterprojekts an Inde und Vicht mit den Städten Stolberg und Eschweiler genau untersuchen: Was hat das Hochwasserereignis verursacht? Was muss man tun, um eine Wiederholung zu verhindern? Welche Schutzmaßnahmen sind nötig? Wie und wo kann ein sicherer, nachhaltiger und resilienter Neuaufbau stattfinden? Diese Fragen sollen auch an den Hochwassergebieten an Erft und Ahr von Wissenschaftlern in Zusammenarbeit mit den Praktikern und den betroffenen Kommunen und Kreisen vor Ort gestellt und beantwortet werden.

Puffer

Die Talsperren im WVER-Gebiet haben dem Hochwasser Mitte Juli erfolgreich standgehalten. Mit einem kontrollierten Überlauf der Rurtalsperre am 15./16. Juli wurden größere Schäden entlang der Rur auch im Bereich Heimbach verhindert.

In der Spitze kam es in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli nach Angaben des Wasserverbands zu einem Zulauf von 700 Kubikmetern pro Sekunde in die Talsperren. Sie haben demnach in diesem Zeitraum um die 40 Millionen Kubikmeter Wasser aufgenommen.

Eine Welle sei durch einen kontrollierten Überlauf der Rurtalsperre „um das Siebenfache gebrochen worden“, so WVER-Vorstand Dr. Joachim Reichert. (sli)

Dafür überreichte der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Thomas Rachel , zwei Förderbescheide: 720000 Euro für den WVER, 280000 Euro für das Institut. Es sind Teilsummen des 5,2 Millionen Euro schweren Programms, an dem 13 Forschungseinrichtungen aus ganz Deutschland teilnehmen und das einen sperrigen Titel trägt: „Wissenschaftliche Begleitung der Wiederaufbauprozesse nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen: Impulse für Resilienz und Klimaanpassung“. Weshalb es KAHR abgekürzt wird.

Das Projekt soll laut Rachel wissenschaftliche Kenntnisse zum Thema Hochwasserschutz bündeln. Es soll eine enge Verzahnung mit Verantwortlichen für die Gewässer wie den WVER oder den Erftverband geben. Projektgebiet sind neben dem Masterprojekt auch Olef und Urft. „Wir müssen uns zum Beispiel fragen: Wo können wir Gewerbe- oder Wohngebiete ansiedeln, wo lassen wir besser dem Wasser seinen Lauf?“, so Rachel. Um Antworten zu finden, sollen verschiedene Disziplinen zusammenarbeiten – etwa Stadt- und Raumplaner, Fachleute für Gebäudetechnologie, Experten für Natur- und Umweltrisiken, Soziologen oder Innovations- und Systemforscher.

Kommunikation und Warnung

Für Schüttrumpf ist klar, dass es auch um die Neubewertung der Rahmenbedingungen gehen muss: „Was wir bisher kennen, sind mögliche Schäden durch ein 100-jährliches Hochwasser. Das, was am 14. und 15. Juli passiert ist, hat uns vor ganz neue Herausforderungen gestellt.“ Man müsse sich ernsthaft fragen, ob Hochwasserschutzkonzepte noch passen. Im Rahmen des Projektes sollen auf Basis der neuen Datenlage neue Risikogebietsmodellierungen stattfinden. „Da könnte als Simulation im Modell das Juli-Hochwasser neu fließen, um zu sehen, wie, wo und warum es entstanden ist“, so WVER-Vorstand Dr. Joachim Reichert.

Ein weiterer Aspekt wird die Verbesserung der Kommunikationsstruktur, auch der Bevölkerungswarnung sein. Auch hier muss nach Ansicht des WVER Grundsätzliches verbessert werden. So habe das Hochwasser offenbart, dass schon Messmethoden zu Einschätzungsdifferenzen führen können: „Wir als WVER rechnen bei den Wasserständen mit Kubikmetern pro Sekunde, bei den Katastrophenschützern vor Ort geht um die Pegelstände und Zentimeter“, so der WVER-Vorstand.

Bis Ergebnisse des KAHR-Projekts vorliegen, wird der Wasserverband an Inde, Vicht, Olef und Urft in Abstimmung mit den Anliegerkommunen Millionenbeträge in ein neues Hochwasserschutzprogramm investieren. Ob das Projekt nach drei Jahren tatsächlich abgeschlossen sein wird, ist unklar. Es könnte auch länger dauern müssen. Rachel hofft, dass das auch die neue Bundesregierung so sehen wird: „Ich appelliere da an den normalen Menschenverstand!“ Von ungefähr ist seine Anmerkung nicht, denn, so Schüttrumpf: „Gehen Sie davon aus, dass uns die Folgen dieses Hochwassers, ähnlich wie die Flut 1962 und 2002 an der Elbe, noch 30 bis 50 Jahre lang beschäftigen werden.“

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