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GutachtenJährlich müssen rund 500 Wohnungen im Kreis Euskirchen entstehen

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Rege Bautätigkeit herrscht im Kreis: Das ist auch nötig, denn es bestehe großer an Wohnungen, so die Fachleute.

Rege Bautätigkeit herrscht im Kreis: Das ist auch nötig, denn es bestehe großer an Wohnungen, so die Fachleute.

Kreis Euskirchen – Wird im Kreis genug gebaut? Wird es ausreichend Wohnraum für künftige Generationen geben? Die Diskussion ist nicht neu. Sogar ein Bündnis für Wohnen wurde ins Leben gerufen. Doch Thilo Waasem geht es nicht schnell genug. Der Chef der SPD-Kreistagsfraktion fordert mehr Anstrengungen – und beruft sich auf eine neue Studie aus dem Bau- und Heimatministerium des Landes NRW (siehe „Die Wohnungen im Kreis . . .“). Zur Sicherstellung der Nachfrage würden mit Blick auf die Bevölkerungsprognosen bis 2040 durchschnittlich 490 Neubauten pro Jahr benötigt, zitiert Waasem daraus.

Für die Jahre 2025 bis 2030 prognostiziert die Studie aus dem Hause von Ministerin Ina Scharrenbach (CDU) sogar eine noch höhere Nachfrage: 550 Wohneinheiten pro Jahr müssten dann fertiggestellt werden, um den Bedarf zu decken. Im Segment Ein- und Zweifamilienhäuser (EZFH) bedürfe es jährlich 350 Neubauten, dazu 140 Errichtungen im Bereich Mehrfamilienhäuser. Waasem ist nicht sicher, ob das reicht. „Die Zahlen in der Studie sind überholt“, sagt der Bad Münstereifeler. Eher sei der Bedarf größer. Zudem sei ein differenzierter Blick vonnöten: „Die Wohnungspolitik im Kreis Euskirchen muss die Situation in den jeweiligen Gemeinden differenziert betrachten.“

Hohe Nachfrage vor allem im Norden

Vor allem im Norden des Kreises sei die Nachfrage groß. Dorthin ziehe es Menschen, denen es in Köln zu wenig Wohnraum für zu viel Miete gibt. Aber diese Welle bewege sich nach und nach weiter in Richtung Süden. Es bestehe also Gesprächsbedarf, weshalb die SPD das Thema für den Planungsausschuss, der am Montag ab 17 Uhr im Kreishaus tagt, auf die Tagesordnung hat setzen lassen.

Die Wohnungen im Kreis sind vergleichsweise groß

Der Kreis Euskirchener an sich hat es gerne geräumig: Rund 110 Quadratmeter sind die Wohnungen hierzulande im Schnitt groß. Damit steht der Kreis landesweit auf Platz vier hinter den Kreisen Höxter, Coesfeld, Steinfurt und Borken. Am Ende der NRW-Liste steht Gelsenkirchen mit etwa 75 Quadratmetern.

„Je größer die Gemeinde oder Stadt, desto kleiner sind die Wohnungen“, lautet die Faustregel. Daher sei es nicht überraschend, dass die ländlich geprägten Kreise eine höhere durchschnittliche Wohnfläche pro Wohnung aufwiesen als die kreisfreien Städte, heißt es in dem Gutachten „Wohnungsmarktgutachten über den quantitativen und qualitativen Wohnungsneubaubedarf in

Nordrhein-Westfalen bis 2040, mit dem sich der Planungsausschuss des Kreises am Montag in seiner Sitzung beschäftigen will. (sch)

Die Politiker werden sich mit einer ziemlich komplexen Thematik befassen müssen. Mehr Wohnraum, vor allem bezahlbarer, soll her. Dafür zu sorgen, haben sich auch CDU, FDP und UWV in ihrem Kooperationspapier versprochen. „Wir stehen der Bildung von Wohnbaugenossenschaften positiv gegenüber“, heißt es dort. Eine finanzielle Unterstützung des Kreises stellen sie auch in Aussicht – „im Rahmen der Möglichkeiten“.

Wird denn zu wenig gebaut im Kreis?

Denn der Markt allein löst das Problem offenkundig nicht. Zu abschreckend, so Experten, ist die 20-jährige Mietbindung, die Voraussetzung für Zuschüsse aus dem Sozialen Wohnungsbau ist. Da bauen private Investoren lieber Wohnungen, die ihnen schneller mehr Rendite bringen, was aber für die Bewohner wiederum mehr Mietzahlung bedeutet. Hinten runter fallen dann die, die es nicht so dicke haben.

Wird denn zu wenig gebaut im Kreis? Im Moment wohl nicht. Oliver Knuth ist Geschäftsführer der Euskirchener Baugesellschaft (Eugebau), an der der Kreis, die Städte Euskirchen, Mechernich und Zülpich sowie Kreissparkasse und Volksbank Anteile haben. Zweck der Gesellschaft ist seit ihrer Gründung 1907 nicht die Gewinnmaximierung, sondern die Schaffung von Wohnraum für die, die sich keine hohen Mieten leisten können. Das tue die Eugebau, zählt Knuth derzeitige Projekte auf: „Im Jahr 2020 wurden 50 Wohnungen von der Eugebau erstellt.“

Je 840 Wohungen in den Jahren 2017 bis 2019

Im Bau befänden sich in diesem Jahr noch 16 Wohnungen. Im Januar solle mit dem Bau von weiteren 60 Wohnungen begonnen werden. In konkreter Bauvorbereitung befinden sich 81 Wohnungen. Ein erster Baustart ist für 2021 geplant. „Fast alle Wohnungen, die die Eugebau in den letzten zehn Jahren errichtet hat, wurden öffentlich gefördert“, so Knuth. 2019 zahlten die Mieter der Eugebau im Schnitt 5,60 Euro/Quadratmeter kalt im Monat, 2020 habe es keine Mieterhöhung gegeben.

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Dass die Akteure in Sachen Bauen relativ gut unterwegs sind, ist auch dem besagten Gutachten zu entnehmen. 840 Wohnungen wurden demnach im Schnitt jeweils in den Jahren 2017 bis 2019 fertiggestellt. Eine weitere Studie, die das Institut der Wirtschaft in Köln in Auftrag gegeben hat, stellt ebenfalls gute Noten aus. Demnach ist der Kreis der einzige im Kölner Umland, in dem in den vergangenen vier Jahren mehr neue Wohnungen gebaut worden seien als benötigt – Deckungsgrad: 104 Prozent („Erfolgreiche Wege für mehr Wohnungsbau“.)

„Statt vier Prozent Rendite täten es auch zwei“

Darauf dürfe man sich nun aber nicht ausruhen, mahnt Waasem. Er lobt ausdrücklich die Arbeit der Eugebau, würde aber deren Gesellschafter gerne etwas mehr in die Pflicht nehmen: „Statt vier Prozent Rendite täten es auch zwei.“ So könne mehr für den Bau von Wohnungen getan werden. „Es ist nicht Aufgabe der Geschäftsführung die Gewinnausschüttung gutzuheißen oder zu kritisieren“, sagt Knuth dazu.

104 Prozent Deckungsgrad ist ja schon mal was. Köln, so die von der IW beauftragten Gutachter, schaffe nur 46 Prozent. Gut möglich also, dass auch künftig viele Großstädter ihr Wohn-Glück hierzulande suchen werden.

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