In 130 Tagen ist SchlussIn Euskirchen macht die letzte Hauptschule dicht

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Die Leiterin der Georgschule, Sonja Kallas (r.), und ihre Stellvertreterin Alexa Türk haben bis zum letzten Schultag noch einiges zu erledigen.

Euskirchen – In 130 Tagen ist Schluss. Am 31. Juli wird Schulleiterin Sonja Kallas ein letztes Mal die schwere Tür ins Schloss fallen lassen, den Schlüssel zweimal umdrehen und über den Schulhof zu ihrem Auto gehen. Am 31. Juli endet das Kapitel Georgschule in Euskirchen und damit auch das der Hauptschulen in der Kreisstadt – ausgerechnet im 50. Jahr des Bestehens der Schule an der Stettiner Straße. „Die Stimmung ist gut, war immer gut. Allen Kollegen hat es immer Spaß gemacht. Das wird auch bis zum letzten Tag so sein“, sagt Kallas.

Wie es mit ihr und den anderen Lehrern weitergehe, stehe noch nicht abschließend fest. Jeder einzelne der verbliebenden 14 Pädagogen habe einen Versetzungsantrag gestellt, die meisten von ihnen wollen laut Kallas weiter an einer Hauptschule unterrichten: „Wir sind Überzeugungstäter. Es ist eine Schulform, die ganz nah am Schüler ist.“ Eine Schulform, bei der die pädagogische Arbeit nicht nach dem Gong aufhöre, eine für die man sich bewusst entscheide. 78 Schüler bilden den letzten Jahrgang der Schulgeschichte. Für sie ist mit der großen Entlassungsfeier am 28. Juni Schluss. Auch sie werden – wie die Jahrgänge zuvor – mit ihrem Zeugnis eine rote Rose erhalten. Während die meisten Schüler hoffen, eine Ausbildung zu finden und eine berufliche Perspektive zu haben, steht seit Jahren fest, dass die Hauptschule in der Kreisstadt keine Zukunft hat.

Seit dem Schuljahr 2014/15 werden keine Eingangsklassen mehr gebildet, die politische Entscheidung fiel einige Jahre vorher. Von der Politik war die Schulform mehrheitlich schlichtweg nicht mehr gewollt. Für Schulleitung und Kollegen war das damals ein Schock. „Ich bin davon überzeugt, dass man die Entscheidung heute anders treffen würde“, meint Kallas.

Obwohl längst feststehe, dass die Georgschule ein Auslaufmodell ist, sei sie seitens der Verwaltung nicht vernachlässigt worden. „Der Schulträger hat immer darauf geachtet, dass wir nicht die Restrampe sind. Wir haben auch von den Investitionen, die bereits für die Kaplan-Kellermann-Realschule getätigt wurden, profitiert“, berichtet Kallas. Nach den Sommerferien zieht die Realschule komplett an die Stettiner Straße. Bis dahin teilt sich der letzte Jahrgang der Georgschule die Turnhallen, Pausenhof sowie die Fach- und Klassenräume mit den Schülern der Kellermann-Schule. Ins bisherige Gebäude der letzten Realschule Euskirchens an der Kölner Straße zieht die Gesamtschule ein. Laut Kallas müsste das Kapitel Georgschule im Juli nicht enden: „In den vergangenen drei Jahren haben jeweils mindestens 17 Eltern angerufen, die ihr Kind gerne bei uns angemeldet hätten.“

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Das zeige, dass die Schulform eine Daseinsberechtigung habe, erklärt die stellvertretende Schulleiterin Alexa Türk: „ An einer Hauptschule spielt der Erziehungsauftrag wohl eine größere Rolle als der Bildungsauftrag. Wir sind ganz bewusst für die Schüler, ihre Probleme, Fragen und Herausforderungen im Alltag da.“ Ein Kern der täglichen Arbeit sei die Berufsorientierung.

Ein Schüler ist Türk besonders in Erinnerung geblieben. „Nach all den Jahren hatte er plötzlich eine Perspektive im Leben und brauchte sein Zeugnis – mit 24. Er war so stolz auf diese Schicksalsfügung, dass er uns daran teilhaben lassen wollte. Für solche Momente bin ich Lehrer – und ich glaube, meine Kollegen auch“, sagt die Diplom-Forstwirtin, die sich vor acht Jahren ganz bewusst für den Quereinstieg als Hauptschullehrerin entschieden hat.

2,7 Millionen Euro

Um das Angebot zum Hauptschulabschluss aufrechtzuerhalten, wurde an der Kaplan-Kellermann-Realschule mit Beginn des Schuljahres 2017/18 der Bildungsgang Hauptschule ab Klasse 7 eingerichtet – für maximal 15 Schüler. Für mehr reichten allein schon das Lehrpersonal und die Räumlichkeiten nicht aus, sagt Schulleiter Bernd Wessel.

Die Schüler im Hauptschulbildungsgang werden integrativ unterrichtet. Sie bleiben in ihren Realschulklassen, erhalten allerdings fünf Stunden pro Woche mehr Unterricht im Fach Arbeitslehre, weil das im Hauptschulbildungsgang so Pflicht ist. In allen anderen Fächern werden sie mit ihren Klassenkameraden unterrichtet. „Alle sechs Monate haben die Schüler die Möglichkeit, sich mit guten Noten wieder für den Realschulbildungsgang zu empfehlen“, sagt der Schulleiter.

Seit Juli 2017 investiert die Stadt insgesamt 2,7 Millionen Euro in die Gebäude. Einen Großteil verschlingt der Anbau, in dem ab Herbst Kunst, Musik und Technik unterrichtet werden. (tom)

Auch sie spricht davon, eine Überzeugungstäterin zu sein. Eine Rückkehr in ihren alten Beruf wäre für sie undenkbar. Undenkbar sei auch, dass nur einer der Lehrer nicht mit einem lachenden und einem weinenden Auge in den Wochen nach dem letzten Schultag seine Sachen packe. „Wir haben so viel miteinander erlebt, wir waren eine große Familie. So etwas gibt niemand gerne auf“, sagt Türk. Es habe so viele positive Momente gegeben, dass man bei all dem Schwermut auch stolz auf das Geleistete sein dürfe.

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