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Interview mit Günter Rosenke„Landrat sein muss man erlebt haben“

Lesezeit 16 Minuten
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Nach 26 Jahren scheidet Landrat Günter Rosenke aus seinem Amt im Kreis Euskirchen.

  • Nach 26 Jahren endet die Ära Landrat Rosenke im Kreis Euskirchen.
  • Im Interview verrät der künftige „Altlandrat“, wie der Weg ins Amt verlief, welche Höhen und Tiefen er erlebt hat, und wie er fast Bürgermeister von Weilerswist geworden wäre.
  • Redakteur Michael Schwarz hat Rosenkes Karriere begleitet und fragt: Wie lautet Ihr Fazit, Herr Rosenke?

Herr Landrat, wenn ich Sie in zwei Wochen treffe und Sie formvollendet als „Altlandrat“ ansprechen würde, zucken Sie dann zusammen?

Günter Rosenke: (lacht) Ja, ich glaube schon. Das ist ja doch etwas antiquiert. „Rosenke“ reicht dann. Ich habe aber schon Visitenkarten mit Landrat a.D. Mein Vorgänger, Josef Linden, hat sich immer gefreut, wenn ich ihn als „Altlandrat“ begrüßt habe. Aber das war auch eine andere Zeit, immerhin liegt da ein Vierteljahrhundert zwischen!

Ich habe Ihre Laufbahn mehr als 30 Jahre journalistisch begleitet. Ende der 80er-Jahre wären Sie fast Bürgermeister von Weilerswist geworden.

Ja, das stimmt. Der Bürgermeister Martin Schmitz, der mich auch für die CDU geworben hat, war verstorben und kurze Zeit später auch sein Stellvertreter Sebastian Oberle. Beide Positionen mussten neu besetzt werden und die CDU hatte die Mehrheit. Da gab es eine Fraktionssitzung, um die Posten zu besetzen. Heinrich Rosen, Hans Schumacher und ich waren zur Kandidatur bereit. Bei der Abstimmung hatte ich aber die meisten Stimmen, ich sollte Bürgermeister werden, die Fraktion hatte das so beschlossen.

Warum hat das nicht geklappt?

Ich war vielleicht einigen zu jung. Der damalige Gemeindedirektor Josef Esser sagte zu mir: ,Jung, du Bürjemester? Dann musste dir erst mal ne Buch anschaffen‘. 

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Einen Bauch haben Sie ja heute noch nicht.

Auf jeden Fall war ich denen zu jung mit Mitte 30. Das war bei den Älteren in der CDU schon im Hintergrund zu hören. Ein Bürgermeister sollte schon ein gesetztes Alter haben. Außerdem war das schon in einer Zeit, wo ein CDU-Fraktionsmitglied auf dem Absprung zur SPD war. Dann kam die ominöse Ratssitzung. Es kam zur Abstimmung und dabei wurde überraschend ein FDP-Gemeinderatsmitglied Bürgermeister.

War das eine Niederlage, die sich im Nachhinein als glückliche Niederlage erwiesen hat? Das Stahlbad „Bürgermeister in Weilerswist“ blieb Ihnen erspart. Wer weiß, ob Sie dann noch hätten Landrat werden können oder gar wollen?

Ganz ehrlich, es gab zwei Niederlagen in meinen Leben, für die ich -aus heutiger Sicht - dankbar bin. Der damalige SPD-Fraktionschef Manfred Becker und mein Freund Hans-Josef Engels hatten mal bei der Kommunalaufsicht (Oberkreisdirektor Dr. Karl-Heinz Decker) nachgefragt, ob ich Technischer Beigeordneter von Weilerswist werden könne. Es gab ein Gutachten, wonach das auch möglich gewesen wäre.

Woran ist es dann gescheitert?

Daran, dass sich der damalige Kreisdirektor Fritz Schumacher dagegen ausgesprochen hatte, weil ich seiner Meinung nach keine klassische Verwaltungsausbildung hatte. Dafür bin ich ihm heute eigentlich dankbar (lacht). Das habe ich ihm auch so mitgeteilt.

Sie wurden also nicht Beigeordneter?

Nein, zum Glück. Wäre ich es geworden, wäre ich wohl nicht noch einen Schritt weitergegangen und heute längst im Ruhestand.

1989 wurden Sie Geschäftsführer der CDU-Kreistagsfraktion

Ja, ich hatte in dem Jahr erstmals für den Kreistag kandidiert - in einem Weilerswister Wahlkreis, der knallrot war. Und diesen Wahlkreis hatte ich mit einer Stimme Vorsprung gewonnen. Daniel Wirtz war der SPD-Kandidat, Ortsvorsteher von Weilerswist, ein honoriger, bürgernaher Politiker mit einer kräftigen Stimme. Sein Wort hatte Gewicht.

Als Fraktionsgeschäftsführer war es Ihre Aufgabe, Mehrheiten im Kreistag zu sichern. 1993 hatte sich aber eine Mehrheit jenseits der CDU gebildet und Dr. Ingo Wolf als Oberkreisdirektor gegen den CDU-Kandidaten Hans Leyendecker durchgesetzt. Wie konnte Ihnen das passieren?

Peter Schüller, der damalige Bürgermeister von Mechernich, hatte schon öffentlich seine Meinung geäußert und damit war schon mal einer aus der SPD auf unserer Seite. Einen zweiten Genossen aus der SPD hatte ich auch gefunden. Nun musste ich natürlich auch die CDU zusammenhalten. Aber die Schwachpunkte in der CDU kannten andere auch und die haben dann alles getan, um diese Schwachpunkte auszunutzen.

Sie gehen also davon aus, dass nicht fraktionsscharf abgestimmt wurde?

Ja, da bin ich mir ganz sicher.

Es gab also auch CDU-Leute, die für Wolf gestimmt haben, und SPD-Leute, die ihre Stimme Leyendecker gaben?

Ja, das muss ja wohl so gewesen sein. 

Ein Jahr später bildeten Sie ausgerechnet mit Ingo Wolf die Doppelspitze: Sie als damals noch ehrenamtlicher Landrat, er als Oberkreisdirektor. Ging das gut?

Anfangs hatten wir sicher kein herzliches Verhältnis, aber das lag auch an den unterschiedlichen Rollen. Der OKD leitete die Verwaltung, die Außenwirkung lag dann beim Landrat. Aber nach und nach hat sich das normalisiert.

Wie kam es, dass Sie Landrat wurden?

Ohne Silvia Stoffels säße ich jetzt nicht hier.

Das war die Sekretärin der CDU-Fraktion…

Ja, sie hatte mitbekommen, dass ein CDU-Landratskandidat gesucht werde und mir in den Ohren gelegen, ich solle mich im CDU-internen Rennen um die Nachfolge von Josef Linden bewerben. Irgendwann, ich glaube, es war der letzte Bewerbungstag, hat sie mir ein Bewerbungsschreiben vorgelegt, das ich unterschreiben sollte.  Ich habe es überflogen und dann unterschrieben, eigentlich mehr, um Silvia Stoffels einen Gefallen zu tun.­­­­­­­­ Sie war halt angenehm  hartnäckig.

So fanden Sie sich im parteiinternen Kampf mit Josef-Urban Jülich und Dr. Dieter Pesch wieder. Waren Sie der Außenseiter?

Ja, ich glaube schon. Denn gefühlsmäßig stand für die Parteispitze eigentlich fest, dass Dr. Pesch es machen sollte. Wir hatten schon ein Duell miteinander, als 1989 ein Fraktionsgeschäftsführer gesucht wurde. Fraktionschef Werner Schumacher hatte Pesch ausgesucht, um ihn auch als Nachfolger von Landrat Linden aufzubauen. Doch dann stand Hans-Josef Engels auf und schlug mich ebenfalls vor. Stille in der Fraktion! Ich gewann und Werner Schumacher hat wochenlang nicht mit mir gesprochen. Nachdem aber die Fraktionsarbeit spürbar intensiviert wurde und neue Ideen von mir eingebracht wurden, hat sich auch die Lage verbessert.

Wie sind Sie dann Landratskandidat geworden?

Per Urwahl. Die Mitglieder der CDU-Stadt- und Gemeindeverbände haben mich gewählt.

Kurz nach Ihrer Wahl haben Sie einen Satz gesagt, den Sie 26 Jahre lang in jeder Ihrer Reden gesagt haben…

 …(lacht) Wer stehen bleibt, steht im Weg.

Woher kam dieser Satz, haben Sie den selbst verfasst?

Ja, das sind meine Gedanken. Ich bin ein Fan von Lebensweisheiten. Den Satz habe ich mir zunächst selbst als Motto gegeben, aber dann auch für meine Arbeit als Landrat. Ich halte viel von Eigenmotivation, weil nicht immer einer da ist und einem hilft.

Und wir Journalisten wissen seit 26 Jahren: Wenn er diesen Satz noch nicht gesagt hat, ist die Rede nicht zu Ende…

…auch meine Mitarbeiter verdrehen schon mal die Augen. Aber das ist in Ordnung. Dann haben sie ihn auch verinnerlicht (lacht).

1999 wurden Sie zum ersten Mal direkt gewählt, und zwar als hauptamtlicher Landrat und waren mit einem Schlag Chef von damals 600 Mitarbeitern (heute über 1000). Wie haben Sie diesen Sprung ins kalte Wasser erlebt?

Auch als Technischer Beamter hatte ich natürlich eine Verwaltungsausbildung. Zwar nicht so ausführlich im klassischen Sinne, aber in den fünf Jahren als ehrenamtlicher Landrat habe ich fast jeden Tag im Kreishaus verbracht und jede Möglichkeit genutzt, mich auch hier fort- und weiterzubilden. Ich kannte also die Abläufe in der Verwaltung, als ich hauptamtlicher Landrat wurde. Hohe Priorität hatte für mich auch, mit der wichtigsten Ressource, die ein Verwaltungsleiter hat, nämlich Personal, pfleglich umzugehen. Nur mit motivierten Mitarbeitern kann man seine Ziele erreichen. Und wenn etwas gut läuft, liegt das ja nicht nur an Rosenke, sondern an dem Team.

Sie hatten 1999 zunächst Kreisdirektor Dr. Christopher Metz als Stellvertreter in der Verwaltung. Ihr Verhältnis soll nicht ganz ungetrübt gewesen sein. Stimmt das?

Am Anfang war es sehr gut, doch dann gab es etwas, was mir missfallen hat, worüber ich aber heute nicht mehr sprechen möchte. Er ist ja dann nach Dresden gegangen.

Dann folgte Manfred Poth als Allgemeiner Vertreter. Wie kam es dazu?

Es hatten sich vorher einige beworben, denen sah man aber schon bei der Bewerbung ansah, dass sie nicht lange bleiben würden und diesen Job hier als Karriere-Sprungbrett sahen. So wurden wir der erste Kreis, der keinen Kreisdirektor, sondern einen Allgemeinen Vertreter, also einen Laufbahnbeamten aus der Verwaltung, installiert hat. Dafür kam Manfred Poth infrage, den ich zuvor vom Tiefbauamt geholt hatte, damit er mein Persönlicher Referent wird. Er hatte tiefgreifende Verwaltungskenntnisse.

Die Frage kam ja auch im jüngsten Wahlkampf auf: Muss ein Landrat oder Bürgermeister Verwaltungsjurist sein?

Diese Diskussion habe ich nicht verstanden. Wichtig ist doch, dass man das Leben kennt, Vertrauen zu seinen Mitarbeitern und Verständnis für die Belange unserer Kunden, den Bürgerinnen und Bürgern, hat.

Würden Sie mir zustimmen, wenn ich Ihre Amtszeit in drei Phasen einteilen würden: von 1994 bis 2008, dann 2009 und schließlich 2010 bis heute?

Das kann man so sehen. Was für mich aber ganz klar ist: Die letzten zehn Jahre waren die schönsten. Meine Landratskollegen sagen mir oft: ,Du hast es gut, du musst Dir nicht mehr von der Politik reinreden lassen‘. Ich antworte dann lachend: Kannst du doch auch, musst nur aus der Partei austreten (lacht). Es gibt jetzt noch einen parteilosen Landrat im Nordrhein-Westfalen und der hat sich vorher bei mir sachkundig gemacht: Dr. Sommer aus dem Kreis Steinfeld. Dem wurde gesagt, dass er ohne Partei im Rücken nicht Landrat bleiben könne. Da hat er seinen Kritikern gesagt: ,Doch, das geht, Rosenke hat es bewiesen‘.

Wie haben Sie es 2009 gemerkt, dass sich etwas zusammenbraut?

Ich hatte eine kleine Vorahnung. Doch der Kreisparteivorstand unter der Führung von Clemens Pick hatte einstimmig beschlossen, dass ich bei der Wahl 2009 wieder kandieren sollte. Clemens Pick hatte noch gesagt, die CDU wolle damit ein klares Zeichen der Geschlossenheit setzen. Da dachte ich: ,Okay, dann ist meine Vorahnung falsch‘.

Wie haben Sie dann erfahren, dass Pick CDU-intern gegen Sie antreten würde?

Über die Presse, Pick hatte sie informiert. Das war ungewöhnlich, unfair und natürlich ein Schock. Da kommt man ins Grübeln.

Sie waren bei einigen in der CDU nicht mehr gut gelitten. Haben Sie sich im Nachhinein auch etwas vorzuwerfen?

Ich bin kein Typ, um jedermanns Liebling zu sein. Das Windelweiche war nie mein Stil. Politik lebt auch von offenen Meinungsaustausch. Dass ich dem einen oder anderen - auch Bürgermeister - mal auf den Fuß getreten bin, das gebe ich zu. Ich hätte das aber nicht gemacht, wenn es keinen Grund gegeben hätte. Ich habe aber auch in diesen Dingen dazu gelernt.

Man hat Ihnen damals immer vorgeworfen, dass Sie von „meiner Verwaltung“ gesprochen haben und das mit einer Art Gutsherrenart in Verbindung gebracht. War da was dran?

Nein, absolut nicht. Ich wollte immer die Verbundenheit zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich machen und das Teamgefühl herausstellen. Das ist aber leider damals von manchen falsch ausgelegt worden – vielleicht auch manchmal bewusst.

Auf dem Nominierungsparteitag in Gemünd am 23. Januar 2009 unterlagen Sie dann Clemens Pick. Wie war das für Sie?

Ich fühlte mich richtig alleine.

In Schleiden hatte der Marmagener Pick eine Art Heimspiel, während Ihre Freunde aus Weilerswist einen weiten Weg hatten. Empfanden Sie das als unfair?

Ich weiß heute, dass vieles vor und nach der Kreisparteivorstandssitzung minutiös von einem Team um Pick geplant wurde. Ein ehrlicher Umgang war das nicht.

Man wollte Sie doch auch mal mit einer Bundestagskandidatur wegloben?

Ja, das war im August 2008, da hat man mir dieses Angebot gemacht. Ich habe aber erklärt, dass ich den Bürgern und der Partei 1999 zugesagt habe, nicht für den Landtag und nicht für den Bundestag zur Verfügung zu stehen. Ich wollte vor Ort für den Kreis Euskirchen und die Bürgerinnen und Bürger arbeiten. Alles andere war für mich ausgeschlossen.

Haben Sie sich inzwischen mal mit Clemens Pick ausgesprochen?

Ich habe ihn nie mehr gesehen.

Haben Sie sich das für die Zeit im Ruhestand vorgenommen?

Er hat mir nachher leidgetan. Was ihm und seiner Familie nach dem Parteitag von Gemünd widerfahren ist, möchte ich nicht erleben. Er hatte sich aber für viele ins Abseits gestellt.

Sie sind damals aus der CDU ausgetreten, um nochmal, dann als Parteiloser, kandidieren zu können. Gab es auch die Überlegung, alles hinzuwerfen?    

Meine Frau hat damals gesagt: ,Ich fände es ja schön, wenn du mehr zuhause wärst, aber so kannst du nicht gehen. Wie ich dich kenne, würdest du es Dir immer vorwerfen, dass Du Dich nicht einmal gewehrt hast. Meine Frau hatte Recht. Und da habe ich gesagt: Die Bürgerinnen und Bürger habe damals entschieden und sollen jetzt auch entscheiden, nicht einige Leute in der CDU.

Nachdem Sie als wieder als Landrat kandidierten, hatte Pick Kandidatur und Parteivorsitz hingeworfen. Die CDU fand keinen neuen Kandidaten und stürzte in ein Chaos, von dem sie sich bis heute nicht ganz erholt hat. Betrachten Sie das mit Genugtuung?

Nein. Mir tut es manchmal sogar sehr weh, wenn ich die fehlende Strategie der CDU sehe. Wenn man den Landrat stellen möchte, sollte man auch Strategien aufstellen können.

Sind Sie trotz Ihres Austritts im Herzen Christdemokrat geblieben?

Ich bin immer noch Mitglied der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA).

Hatten Sie mit einer Rückkehr in die CDU geliebäugelt?

Ich hatte abgewartet, wie die Partei reagiert. Und sie hat falsch reagiert und eine Panzertür zugeschlagen. Mit dem damaligen Kreissparkassen-Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Flessau hatte ich die KSK-Bürgerstiftung sowie die Sport- und Kulturstiftung gegründet, um möglichst viele Vereine unterstützen zu können. Da man mir 2009 den KSK-Verwaltungsratsvorsitz weggenommen hatte, hätte ich als Landrat immer noch dem Stiftungsrat angehört. Da war ich auch froh drüber, denn hier konnte ich vielen Vereinen, die ich aus vielen Begegnungen kennen gelernt habe, helfen. Aber dann wurde die Satzung so geändert, dass der Landrat im Kuratorium nicht mehr Mitglied ist. Damit wurde ein deutliches Zeichen gesetzt und ich hatte es verstanden!

Können sich jetzt, wenn Ihre Amtszeit vorbei ist, nicht wieder in die CDU eintreten?

Meinen Ruhestand werde ich so unpolitisch wie möglich gestalten.

Sie haben sich dann das Etikett „Bürgerlandrat“ gegeben. Sollte nicht jeder Landrat ein Landrat für die Bürger sein?

Ja, ich habe mich aber ganz einfach an der Bezeichnung Bürgermeister orientiert. Wieso dann nicht: Bürgerlandrat?

Das war immer Ihr großes Pfund. Mir hat mal jemand gesagt: Der Rosenke schafft es, wenn er 20 Termine am Wochenende hat, jedem einzelnen Gastgeber zu vermitteln, dass er sich auf dieses Treffen am allermeisten gefreut hat. Woher kommt das?

Weil es mir ganz einfach Spaß macht. Die Arbeit außerhalb des Kreishauses hat mir genau so viel Freude bereitet wie die im Kreishaus – wenn nicht sogar einen Tick mehr.  Es gibt so viele tolle Menschen in unserem Kreis, die sich um Menschen kümmern. Im sportlichen, künstlerischen und caritativen Bereichen. Da macht es Spaß, sich mit ihnen zu unterhalten, zu lachen und sie zu motivieren, weiterzumachen. Landrat, das muss man erlebt haben. Das kann man nicht beschreiben.

Streichelt es auch die Eitelkeit?

Auch das. Selbstverständlich.

Ihre Fahrer hatten also immer gut zu tun – zuletzt Werner Krebs, mit dem Sie gemeinsam in der Bülarose-Band spielen. Welcher Sender lief im Auto?

Die Nachrichten haben wir immer über Radio Euskirchen empfangen. Die Musik über WDR 4, aber das neue WDR 4. Früher war das ja der Schnulzensender, das war nicht so mein Ding. Jetzt spielen sie ja hauptsächlich Oldies, und wir haben da immer das ausgesucht, was wir mit unserer Band auch spielen können. Dann haben wir auch schon mal auf längeren Fahrten nach Berlin oder Brüssel unsere Textsicherheit geprüft oder den Wettbewerb gestartet, wer zuerst ein angespieltes Lied erkennt.

Bevor es jetzt zu kuschelig wird, müssen wir noch mal zurück zur Politik. 2015 treten Sie nochmal an und auf Grund eines Missverständnisses wird Ihr Gegenkandidat Manfred Poth, Ihr Allgemeiner Vertreter. Was war denn da los?

Missverständnis ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck, es gab kein Missverständnis.

Ich wollte höflich sein.

Es stimmt aber nicht, dass ich 2009 zugesagt habe, 2015 Schluss zu machen. Ein solches Versprechen wäre auch untypisch für mich und wenn, hätte ich eine solche Entscheidung öffentlich, der Partei gegenüber und den Bürgern mitgeteilt.

So haben andere das aber verstanden.

Es stimmt trotzdem nicht.

Sie haben auch diese Wahl klar gewonnen, Ihre Freundschaft mit Poth hat aber darunter gelitten. Wie haben Sie es dann trotzdem geschafft zusammenzuarbeiten?

Indem wir uns ausgesprochen haben. Wie sich das unter erwachsenen Menschen gehört! Ich habe ihm damals gesagt: Es bringt keinem was, wenn wir uns jetzt fünf Jahre lang aus dem Weg gehen und die erfolgreiche Arbeit darunter leiden lassen. Wir sind uns auch nicht jeden Morgen um den Hals gefallen, haben aber sehr professionell und ich finde auch weiterhin erfolgreich zusammengearbeitet. Wir haben eine Verantwortung für die gesamte Verwaltung wahrgenommen. Manfred Poth war mir als Verwaltungsfachmann eine gute Stütze.

Macht es Sie traurig, dass Sie wegen Corona Ihre geplante Abschiedsfeier absagen mussten?

Ja natürlich, das tut weh. Aber das Risiko bei einer größeren Verabschiedungsfeier wollte ich nicht eingehen. Da muss ja nur einer unerkannt infiziert sein. Nein, mit den möglichen Folgen könnte ich nicht leben.

Müssen Sie jetzt bei Ihrer Frau Versprechen einlösen, die Sie ihr für die Zeit im Ruhestand gegeben haben?

Zunächst einmal möchte ich sehr deutlich sagen, dass ich die 26 Jahre intensive Landratsarbeit nicht hätte leisten können, wenn meine Frau nicht so viel Verständnis für meinen Beruf gehabt hätte und mir in schwierigen Zeiten, die es ja durchaus auch gab, den Rücken gestärkt hat, aber auch dafür gesorgt hat, dass ich meine Bodenhaftung nicht verliere.

Wenn ich jetzt Versprechen mache, kann ich sie auch einhalten. Ich muss zugeben: Das konnte ich in den vergangenen 26 Jahren nicht immer, weil oft irgendein Termin dazwischenkam. Für das letzte Jahr hatte ich mir gedacht, alles etwas ruhiger ausklingen zu lassen. Doch dann kam Corona und ich hatte den Krisenstab zu leiten. Das war sehr anstrengend. Aber das ist in wenigen Tagen vorbei und ich bedauere, dass mein Nachfolger in einer solch schwierigen Zeit meine Nachfolge antreten muss. Für mich zählt jetzt das Familienleben. Ich möchte noch viel gemeinsame Zeit mit meiner Frau verbringen.

Wenn Sie auf Ihr bisheriges Leben zurückblicken: Sie stammen aus kleinen Verhältnissen, haben sich hochgearbeitet und konnten dadurch mit Ihrer Frau Ihren Söhnen eine gute akademische Ausbildung bieten. Macht Sie dieser Werdegang stolz?

Ja klar. Wir waren damals sechs Geschwister zu Hause, so genannte Zinkwannenkinder. Auf den Turnschuhen haben wir uns den dritten Streifen auf die Sportschuhe gemalt, damit sie wenigstens nach Adidas aussahen. Wurst oder Braten gab es einmal in der Woche. Wir sind streng, aber gerecht erzogen worden. Dafür bin ich heute sehr dankbar, in jungen Jahren habe ich das allerdings anders gesehen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass meine Frau und ich unseren Söhnen mehr bieten konnten. Und beide haben diese Chance auch erkannt und genutzt. Das ist ein schönes und beruhigendes Gefühl.

Vielen Dank für das Gespräch – und zum Schluss bitte noch einmal den Satz vervollständigen: Wer stehen bleibt…

…steht im Weg!

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