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Interview mit Landrat Markus Ramers„Die Situation ist extrem bedrückend“

Lesezeit 4 Minuten
Landrat Markus Ramers koordiniert im Krisenstab die Hilfen.

Landrat Markus Ramers koordiniert im Krisenstab die Hilfen.

Kreis Euskirchen – Sarah Brasack hat am Freitag mit dem Euskirchener Landrat Markus Ramers über die aktuelle Lage im Kreis, die Folgen der Flutkatastrophe und den möglichen Ursachen gesprochen.

Wie stellt sich die aktuelle Lage im Kreis Euskirchen?

Es gibt nach wie vor Gebiete, die noch ohne Strom sind, wie zum Beispiel Bad Münstereifel. Im Kreishaus haben wir jetzt langsam wieder ein funktionierendes Telefonnetz, aber das Internet geht noch nicht. Nach und nach fällt auf, wie viel Infrastruktur bei uns im Kreis kaputtgegangen ist. Wir sind im engen Kontakt auch mit dem Energieversorger, der auch Teil des Krisenstabs ist. Es gibt ganz viele Dörfer, die nicht mehr so aussehen, wie man sie kennt. Das sind Umstände, wie man sie sonst aus Kriegsgebieten kennt.

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Wie hoch ist die Zahl der Todesopfer und was weiß man zu den Umständen?

Ich kann aktuell 24 Todesfälle bestätigen, aber ich befürchte, dass es noch mehr werden. Die Situation ist extrem bedrückend, wir haben auch einige Vermisste, das ist auch etwas, das mich sehr belastet. Wir haben für den Kreis aber noch keine genaue Vermisstenzahl. Viele sind noch dabei, ihre Angehörigen zu erreichen. Wir arbeiten mit dem DRK an einer Auskunftsstelle für Vermisste.

Haben Sie schon einen Überblick, wo die Situation am dramatischsten war?

Die Herausforderung war, dass wir im ganzen Kreis betroffen waren. Schwerpunkte waren im Bereich der Stadt Schleiden, das Oleftal und Gemünd. Dort sieht es völlig verwüstet aus. Da haben wir auch einige Todesopfer zu beklagen. Dort ist die gesamte Infrastruktur zerstört. In Bad Münstereifel sieht es ähnlich aus. Darüber hinaus haben wir die angespannte Situation an der Steinbachtalsperre, durch die es Überschwemmungen gab, deshalb wurden Leute evakuiert. Wenn wir es hinkriegen, die Steinbachtalsperre kontrolliert wieder leer zu bekommen, können auch die Menschen aus den evakuierten Orten wieder nach Hause zurückkehren.

Viele Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren sind im Einsatz und an der Belastungsgrenze. Womit sind diese gerade beschäftigt?

Priorität hatten die Einsätze mit Menschenrettung vor den vollgelaufenen Kellern. Jetzt folgen Aufräumarbeiten, Straßen müssen frei gemacht werden. Ich wüsste nicht, wie die Situation wäre, wenn wir nicht so tolle Feuerwehren in den Kommunen hätten. Die checken auch die Statiken von Gebäuden.

Welche Unterstützung haben Sie aus der Region und NRW?

Wir hatten zu Beginn zwei Wasserrettungszüge im Einsatz im Bereich Gemünd. Es waren auch die Feuerwehr aus Gütersloh und Höxter im Einsatz und überregionale THW-Kräfte zum Beispiel aus Lippstadt. Viele Feuerwehrleute sind auch persönlich mit Häusern und Familien betroffen, das ist psychisch eine große Herausforderung. Die Feuerwehr hat ja auch Menschen gesehen, die man nicht mehr retten konnte. Deshalb brauchen wir da weiter Unterstützung, um sie zu entlasten. Ich habe geradeben auch die Info bekommen, dass die Bundeswehr im Bad Münstereifeler Bereich unterstützt und hilft, einen Überblick auch über den ganzen Kreis zu erhalten.

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Haben Sie Erklärungen, wieso der Kreis so besonders schwer getroffen worden ist?

Es ist noch zu früh, ich möchte nicht spekulieren. Ich glaube, das größte Problem ist, dass es nicht nur in den letzten Tagen so stark geregnet hat, sondern auch davor schon in den letzten Wochen. Das heißt, der Boden war massiv aufgeweicht und konnte die Wassermassen nicht mehr aufnehmen. So wie die kleinen Bäche in den Höhenlagen. Man wird von Kommune zu Kommune schauen müssen, wie das mit den Rückhaltebecken und Kanälen geklappt hat. Aber von den Mengen war das mehr als ein Jahrhundertereignis.

Welche Forderungen haben Sie nun an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet?

Ich habe mit der Staatskanzlei bereits telefoniert und erwarte, dass die Landesregierung wie die Bundesregierung uns zur Seite stehen wegen der massiven Schäden in der Infrastruktur. Uns fehlt immer noch Strom und auch Trinkwasser. Wir brauche jetzt unkomplizierte und schnelle Hilfen. Langfristig wird sich auch die Frage stellen, wie es auch mit finanziellen Hilfen aussieht. Es gibt ganz viele Baustellen, die wir allein nicht schaffen.

Das ausführliche Podcast-Gespräch finden Sie online oder indem Sie das Stichwort Kölner Stadt-Anzeiger bei einer gängigen Podcastplattform wie Spotify eingeben. Ksta.de/podcast

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