„Für mich war klar, dass ich helfen muss“Kaller unterstützt Flutopfer in der Region

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Den Schlüssel für das Auto übergaben Margarete Breiderich (l.) und Sohn Johannes im Beisein von Dieter Züll (r.) an Stephanie Schmitt.

Den Schlüssel für das Auto übergaben Margarete Breiderich (l.) und Sohn Johannes im Beisein von Dieter Züll (r.) an Stephanie Schmitt.

Kall/Köln – „Ich sehe jeden Tag, wie groß die Not ist. Da kann ich nicht zu Hause sitzen und nichts tun.“ Seit der Flutkatastrophe im Juli ist Dieter Züll im Dauereinsatz. Zurzeit betreut der 76-Jährige mehr als 30 Betroffene im Ahrtal und in mehreren Orten im Kreis Euskirchen. Dabei investiert der ehemalige Kaller, der seit zehn Jahren in Köln lebt, viel Zeit, Geld und Herzblut.

„Ich war schon am ersten Tag nach der Flut in Kall, und für mich war klar, dass ich helfen muss“, sagt Züll. Wochenlang war er anschließend im Spendenlager der Gemeinde Kall im Bauhof im Einsatz und half bei der Koordination und der Verteilung von Gütern. „Die Spendenbereitschaft war und ist immer noch groß. Hilfe kam und kommt aus ganz Deutschland“, erzählt der ehemalige Fahrlehrer. Die Schließung des Spendenlagers Anfang September kam aus seiner Sicht zu früh. Züll ist der Meinung, dass die Flutopfer weitere Hilfe benötigen. „Deshalb habe ich mit anderen freiwilligen Helfern einfach weitergemacht“, erläutert er.

Zur Person

Dieter Züll wurde am 15. Mai 1945 geboren und kam kurz nach der Geburt mit seiner Familie nach Kall. Seine Eltern, so berichtet der 76-Jährige, hatten eine Bäckerei, in der er nach seiner Lehre auch sechs Jahre gearbeitet habe.

1965 ging Züll dann für zwölf Jahre zur Bundeswehr. „Da habe ich Kfz-Mechaniker gelernt und wurde als Fahrlehrer ausgebildet.“ Nach seiner Bundeswehrzeit betrieb er dann Fahrschulen in Kommern und später in Kall, Köln und Leipzig. In der Freiwilligen Feuerwehr Kall war Züll Löschzugführer. „Nach der Wende habe ich bei der Berufsfeuerwehr in Leipzig eine Fahrschule mit aufgebaut“, so der Kaller.

Rund 30 Jahre, so berichtet Züll weiter, habe er freiberuflich für die Dekra gearbeitet. „2010 bin ich dann mit 65 Jahren Rentner geworden.“ Doch zur Ruhe hat er sich noch nicht gesetzt, wie sein Engagement für die Flutopfer beweist. (wki)

Zuerst habe er Kontakt mit Willi Greuel von der Hilfsgruppe Eifel aufgenommen. „Wir haben Betroffene besucht und Spendengelder verteilt. Dabei wurden wir auch immer wieder darauf angesprochen, dass Sachen wie Haushaltsgeräte oder Öfen fehlen.“ Deshalb intensivierte Züll wieder seine Netzwerke und versuchte, all die Geräte und Gegenstände, die von den Flutopfern benötigt wurden, irgendwo zu beschaffen.

Dieter Züll: Aktenordner mit Hilfsanträgen immer gut gefüllt

Zurzeit kümmert er sich um etwas mehr als 30 Menschen im Ahrtal und im Rhein-Erft-Kreis sowie in Euskirchen, Bad Münstereifel, Mechernich, Schleiden und Kall. „Die Zahl ändert sich immer wieder. Einige brauchen mit der Zeit keine Hilfe mehr, dafür kommen aber andere hinzu.“ Sein Aktenordner mit Notizen und Hilfsanträgen ist auf jeden Fall immer gut gefüllt. Weil Menschen aus dem Ahrtal nach der Flut im Kreis Euskirchen im Einsatz gewesen seien, helfe er jetzt auch dort einigen Betroffenen.

Zülls Handy steht nur selten still: „Ich versuche, alles möglich zu machen. Von Unterstützern wie beispielsweise dem Katastrophenschutz des Deutschen Roten Kreuzes in Gifhorn erhalte ich Lebensmittel, Kleidung, Möbel und Schuhe, die ich dann an Flutopfer verteile.“ Darüber hinaus vermittelt der 76-Jährige auch Baufirmen und Handwerker. „Mittlerweile habe ich Kontakte in ganz Deutschland. Das Netzwerk wird noch größer.“ Manchmal leitet Züll Anfragen oder Wünsche auch an andere Organisationen weiter: „Zwei Münstereifeler habe ich zum Beispiel an den Verein Potenzial in Düren vermittelt, der Flutopfer unterstützt.“ Dass von dem Verein im Rahmen des Projekts Rettungsring betriebene Spendenlager fahre er auch regelmäßig an. Aber auch von der Feuerwehr Bredenbeck und anderen hat Züll viele Sachspenden erhalten. Und wenn nötig, kann er auch ungewöhnliche Sachen beschaffen: „Einmal habe ich für eine Frau eine Industrienähmaschine organisiert, damit sie wieder von zu Hause aus arbeiten kann.“ Unter anderem nach Kall und Gemünd hat der Rentner gespendete Heizöfen vermittelt. Kürzlich konnte er den Schlüssel für ein Auto, das Margarete Breiderich aus Monschau gespendet hatte, an Stephanie Schmidt aus Kall-Golbach überreichen.

Winterkleidung, Decken und Matratzen werden benötigt

„Zurzeit werden vor allem Winterkleidung und -schuhe benötigt sowie Wolldecken, Betten und Matratzen.“ Einrichtungsgegenstände würden dagegen so gut wie gar nicht gebraucht, „weil viele Wohnungen ja noch gar nicht bezugsfertig sind“. Ein Problem sei auch, dass man kaum Platz habe, um Dinge zwischenzulagern. Deshalb sei man dankbar für die zahlreichen Helfer, die die Gegenstände dann mit ihren Privatwagen verteilen.

Nur ganz selten hat der Helfer schlechte Erfahrungen gemacht. „Für eine Familie habe ich eine Kühltruhe organisiert. Weil die dann zu wenig Körbe hatte und sie der Frau nicht gefiel, konnte ich sie wieder mitnehmen.“ Ein anderes Mal habe er einen Hilfsantrag einer Familie erhalten: „Dann stellte sich heraus, dass sie schon ausreichend Hilfsgelder bekommen hatten.“

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Immer wieder, so Züll, werde er von Betroffenen gefragt, was mit den Millionen Euro an Spendengeldern geschehen sei, von denen beispielsweise im Fernsehen berichtet worden sei: „In dem Bereich ist Transparenz sehr wichtig. Viele wollen wissen, wie die Gelder verteilt wurden oder noch werden.“

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