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Reifenhaufen in den Wald gekipptKall sucht intensiv nach dem Umweltsünder

Lesezeit 6 Minuten
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Dicke Dinger: Harald Heinen vom Kaller Ordnungsamt sucht auf einem der abgelegten Traktorreifen nach Hinweisen auf den Verursacher der illegalen Altreifenentsorgung.

  • Harald Heinenwar fassungslos, als er den Reifenhaufen sah, den ein Unbekannter dort aufgeschüttet hat.
  • Die Entsorgung des Mülls wird auf die Müllgebühren aufgeschlagen und somit den Bewohnern zulaste kommen.
  • Im gesamten Kreis kostet wilder Müll die Gebührenzahler etliche Tausend Euro.
  • Ein Überblick.

Kall-Urft – Sie lagen gut getarnt in einem Waldstück auf einem Weg, der kaum benutzt wird: Dutzende Reifen, darunter grobstollige Traktorreifen, haben bislang noch nicht ermittelte Umweltsünder bei Urft unweit der L206 entsorgt. Unter tiefhängenden Ästen, aber auch mitten auf einem schmalen Waldweg lagen die Reifen.

Harald Heinen vom Ordnungsamt der Gemeinde Kall war fassungslos, als er nach einem Hinweis aus der Bevölkerung die alten Reifen sah. „Das war mehr als nur eine Anhängerladung“, teilte er einem Kollegen der Verwaltung mit, bevor er den Bauhof verständigte, damit die illegale Reifenablagerung abgeholt und fachgerecht entsorgt werden konnte.

„Dazu brauchen wir einen Bagger oder Kran, weil die großen Reifen so schwer sind, dass wir sie mit Muskelkraft nicht anheben können“, schätzte Heinen. Zudem müsse der Bauhof mit einem Unimog anrücken, um die Altreifen wegbringen zu können.

Reifen könnten neu sein

Neben den Traktorreifen, einige mit der Größen- und Typenbezeichnung 520/70 R38 und damit recht mächtige Pneus, machten den Eindruck, als seien sie gerade erst abmontiert worden: Die Innenseiten waren noch blitzsauber. Andere Altreifen waren mit Schrauben und Drahtschlaufen versehen – ganz so, als hätte man mit ihnen jahrelang Wiesen und Koppeln geschleift, um Maulwurfshügel und andere Unebenheiten zu egalisieren. „Das sieht aus, als hätte hier ein Landwirt seine alten Reifen einfach abgekippt“, sagte Heinen.

Auch alte Schubkarrenbereifungen lagen zwischen den teilweise aufgeschnittenen Altreifen. Heinen schätzt, dass allein die Entsorgung dieses Reifenberges die Allgemeinheit einige Hundert Euro kosten kann. Jedes Jahr, so Heinen werde die Allgemeinheit in Kall durch die Entsorgung illegal abgelagerten Mülls und alter Reifen mit 4000 bis 5000 Euro belastet. Das werde dann auf die Müllgebühren aufgeschlagen.

Die Ermittler bitten um Hinweise

Jetzt suchen Heinen und die Kaller Ordnungsbehörde nach demjenigen, der den Reifenberg an dem von der Landstraße nicht einsehbaren Ort aufgeschüttet hat.

Wer verdächtige Wahrnehmungen an der L206 zwischen Güntzentalerhof und dem Abzweig nach Urft gemacht hat, der wird gebeten, sich mit der Gemeinde Kall in Verbindung zu setzen. Dabei geht es vor allem um die Waldecke an der L206 westlich des Güntzentalerhofs, wo eine Bank steht und ein Feldweg am Waldrand nach Süden abgeht. Das Kaller Ordnungsamt versucht, der Verursacher zu ermitteln und für die illegale Entsorgung kostenpflichtig zu machen.

Wilder Müll kostet die Gebührenzahler im Kreis

Am Ende müssen die Gebühren- beziehungsweise Steuerzahler das Geld aufbringen, das benötigt wird, um wilden Müll zu beseitigen. Dabei geht es um nicht unbeträchtliche Summen, wie eine Umfrage zeigt:

Bad Münstereifel: Seit einigen Jahren hat die Stadt Bad Münstereifel in jedem Jahr für die Kosten der Beseitigung des wilden Mülls einen Haushaltsansatz von 10 000 Euro vorgesehen. „Damit kommen wir in der Regel hin“, erklärt Stadtsprecherin Marita Hochgürtel. Mal liege man etwas darunter, mal leicht darüber.

Blankenheim: Dass wilder Müll die Gemeinschaft richtig viel Geld kostet, wird an der Rechnung der Gemeinde Blankenheim deutlich: 8206,26 Euro hat 2018 die Entsorgung gekostet, dazu kommen 453,75 Arbeitsstunden des Bauhofs, die mit 20 534,76 Euro zu Buche stehen, sowie 203 Maschinenstunden, die weitere 9442,76 Euro kosteten. Gesamtkosten: 29 977,21 Euro. Der Müll fiel zumeist in den Waldstücken an den Autobahnzubringern an, so die Gemeindeverwaltung.

Dahlem: Genau beziffern kann Helmut Etten im Rathaus der Gemeinde die Ausgaben nicht. „2018 haben wir für die Entsorgung wilden Mülls 765 Euro aufgewendet. Der Betrag belastet dann die Menschen, die ehrlich ihre Müllgebühren bezahlen. Jedes Jahr fallen rund 1000 bis 2000 Euro an Entsorgungsgebühren für wilden Müll an, der bei uns nach meiner Einschätzung vor allem von Durchreisenden in Waldwegen abgekippt wird.“

Euskirchen: 136 662,45 Euro hat die Stadt 2018 für die Entsorgung des illegal abgelagerten Mülls ausgegeben, 2017 waren es 138 180 Euro, 2016 sogar 143 779 Euro. Bezogen auf die Einwohnerzahl von 57 759 (Stand 30. Juni 2018) seien das rechnerisch etwa 2,37 Euro pro Bürger, teilte die Pressestelle auf Anfrage mit.

Heimbach: Auf etwa 1000 Euro pro Jahr hat sich die Position „Wilder Müll“ in der Stadt Heimbach eingependelt, sagt der Sachbearbeiter für das Abfallwesen, Sven Pütz. Die Kosten für die Leistungen des Bauhofs seien darin aber nicht eingerechnet.

Hellenthal: Im Rathaus der Gemeinde schätzt Martin Berners die Kosten für wilden Müll auf jährlich zwischen 4000 und 5000 Euro, rechne man die Personalkosten für den Bauhof dazu, verdoppele sich die Summe schnell, so der Verwaltungsmitarbeiter.

Kall: Im Kaller Rathaus beziffert Michael Heller, Vertreter von Bürgermeister Hermann-Josef Esser, die Kosten für die Beseitigung wilden Mülls auf jährlich etwa 3700 Euro. Dazu kämen aber noch Kosten für den Bauhof. Heller lobte im Zusammenhang mit dem Kampf gegen wilden Müllablagerungen das Engagement der Bürger, die sich aktiv an Frühjahrsputzaktionen beteiligten.

Mechernich: In der zweitgrößten Stadt des Kreises rechnet die Verwaltung mit jährlich 25 000 Euro für die Beseitigung illegaler Hinterlassenschaften in der Natur. Doch der Betrag schwankt: Im vergangenen Jahr, so war aus dem Rathaus zu hören, habe man „nur“ rund 20 000 Euro verbraucht.

Nettersheim: Hans-Peter Schell geht davon aus, dass die Kosten der Gemeinde Nettersheim etwa denen von Kall ähneln. Auch hier habe man – wie in Blankenheim – die meisten Probleme in der Nähe der Autobahnzubringer. Altreifen und Sperrmüll aus Wohnungsauflösungen werden demnach nicht selten illegal an den Forstwegen entsorgt. 2018 habe die Gemeinde in neun Fällen einen Unternehmer beauftragt, der 3082,12 Euro in Rechnung gestellt habe. Mindestens doppelt so oft sei der gemeindeeigene Bauhof ausgerückt. Dessen Kosten für die Beseitigung wilden Mülls habe man nicht analysiert. Weil man in einem Fall mit Hilfe der Polizei einen Verursacher ermittelt und mit den Entsorgungskosten belastet habe, habe sich das Problem der illegalen Müllablagerung geringfügig gemindert, so Schell.

Schleiden: In der Stadt Schleiden werden laut Rolf Jöbges die genauen Kosten für die Entsorgung nicht erfasst, weil der wilde Müll in Containern gesammelt und regelmäßig abgefahren wird. Aber pro Jahr fielen 300 Stunden an Personaleinsatz an. Das verursache Kosten von mindestens 12 000 Euro.

Weilerswist: Seit Jahren sieht die Gemeinde Weilerswist für die Entsorgung des wilden Mülls im Haushalt einen Posten von 22 500 Euro vor. Mit diesem Ansatz sei man in der Regel klargekommen, sagt Gemeindesprecherin Claudia Roberz.

Zülpich: In Zülpich sind 25 000 Euro für die Entsorgung des wilden Mülls vorgesehen. „Mal sind es am Ende mehr, mal weniger“, sagt Pressesprecherin Julia Schneider. Das Geld komme in Zülpich nicht aus dem Gebührenhaushalt, sondern aus dem allgemeinen Haushalt. Die Summe wäre wohl deutlich höher, wenn nicht der Enzener Ortsvorsteher Leo Wolter regelmäßig illegal abgelagerten Müll zum Bauhof fahren würde. Zuletzt entdeckte er Innereien und das Fell eines Rindes auf dem Römerweg in Enzen. (bz/mez/sch/tom) 

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