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Hochwasser in Kall-Sötenich„Wir haben den ganzen Ort in Eigenregie aufgeräumt“

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Weggerissen von den Fluten wurde ein Teil des Sötenicher Bürgerhauses, das direkt an der Urft liegt. Ortsvorsteher Thomas Müller spricht sich für einen Neubau an anderer Stelle aus.

Kall-Sötenich – „Das bisschen an Infrastruktur, was wir im Ort hatten, ist größtenteils zerstört. Ich hoffe, dass wir das wieder ändern können“, sagt Thomas Müller. Schließlich, so der junge Ortsvorsteher von Sötenich, „brauchen wir wieder etwas Leben im Ort“.

Flut beschädigt Bürgerhaus: Eventuell Abriss nötig

Doch nicht nur die wenigen Betriebe im Sötenicher Kernort sind von der Flutkatastrophe betroffen, sondern mit dem Bürgerhaus auch der Treffpunkt der Dorfgemeinschaft. Die alte Schule steht als Ausweichquartier nicht zur Verfügung, weil sie noch bis mindestens Dezember umgebaut wird. „Wir müssen einen langen Atem haben und abwarten, was Bund und Land an Hilfen zur Verfügung stellen“, erklärt der Ortsvorsteher.

Ob das Bürgerhaus abgerissen werden muss, steht noch nicht fest. „Bisher war da noch kein Statiker drin“, so Müller. Aber großes Vertrauen in das Gebäude und den Standort direkt an der Urft habe man nicht mehr. Besonders bitter: Das Bürgerhaus war gerade erst für 80.000 Euro kernsaniert worden. „Estrich, Fußbodenheizung und Elektrik sowie die Küche und die Sanitärräume waren in Eigenleistung erneuert worden“, berichtet der FDP-Politiker.

Ferner sei der Bau einer barrierefreien Toilettenanlage geplant gewesen. Doch bei der Flut ist der gemauerte Anbau an das Bürgerhaus weggerissen worden. Die Holzständerwände das Altbaus sind zwar stehen geblieben, aber total aufgequollen. „Leider hat das Gebäude keine Versicherung gegen Elementarschäden.“

Nach der Flut: Nicht alle Geschäfte in Kall-Sötenich öffnen wieder

Das Friseurgeschäft gegenüber wird wohl nicht mehr eröffnen. „Das Ladenlokal soll aber erhalten bleiben.“ Bei der Metzgerei Hammes, dem Motorradhändler „Halle 7“ sowie bei der Kneipe „Unter zwei Linden“ mit ihrem schönen Biergarten sehe es so aus, als ginge es weiter.

Der Zusammenhalt im Dorf und die enorme Hilfsbereitschaft auch aus Nachbardörfern hat Müller beeindruckt. „Wir haben den ganzen Ort in Eigenregie aufgeräumt und den Müll nach Strempt gefahren. Da können wir stolz drauf sein.“

Lediglich vom Bauhof der Gemeinde habe es etwas Unterstützung gegeben. Zwei Tage habe man eine Müllpresse der Firma Schönmackers vor Ort gehabt und alleine in dieser Zeit 60 Tonnen Müll entsorgt.

Hauptverteiler für Stromversorgung schnell repariert

Zum Glück sei die Hauptverteilstelle für die Stromversorgung neben dem Bürgerhaus schon am Tag nach der Katastrophe repariert worden. Erschwert worden seien die Aufräumarbeiten durch den starken Verkehr auf der Rinnener Straße. Auch um die Verpflegung der Helfer habe man sich gekümmert. Der Metzger habe abends warmes Essen für die Helfer vorbeigebracht. Für die Koordination der Arbeiten habe er bis zu 200 Telefonate täglich geführt, erzählt der Ortsvorsteher.

Mit einem Riesentrupp von Helfern sei man nach der Flut durch den Ort gezogen. „Es war nicht immer leicht, in die Häuser zu gehen und aufzuräumen, wenn die Bewohner immer wieder in Tränen ausbrachen.“

Einige Betroffene seien mit den Nerven am Ende gewesen. „Am Anfang standen an den Straßen auch immer wieder Leute, die mit dem Handy die Arbeiten gefilmt haben. Da drohte die Stimmung zu kippen“, sagt Müller.

Mehr als 100 Helfer packen im Ortskern mit an

Allein im Ortskern seien mehr als 100 Helfer unterwegs gewesen. Schnell kamen die auch zur alten Mühle an der Rinnener Straße, die Stefan und Steffi Horbach erst vor gut einem Jahr gekauft hatte.

Die Familie war von Eschweiler in die Eifel gezogen und hatte das Gebäude saniert und eine Ferienwohnung eingerichtet. „Dass man so empfangen wird, hätten wir auch nicht gedacht“, sagt Stefan Horbach mit Galgenhumor.

Erinnerungen an die alte Mühle

Bei der Flutkatastrophe wurde auch die Einrichtung der alten Mühle zerstört. „Als wir die Sachen auf einem Haufen abgelegt haben, schaute ein Tischbein heraus“, erzählt Stefan Horbach (Foto), der die alte Mühle vor gut einem Jahr gekauft hat. „Dann kam ein alter Mann vorbei, sah das Tischbein und war ganz betroffen. „Auf dem Tisch habe ich damals meinen ersten Lohn ausgezahlt bekommen’“, habe der Mann berichtet.

Stefan Horbach will die alte Mühle, der er vor der Flut gerade erst fertig renoviert hatte, wieder auf Vordermann bringen. (wki, Foto: Kirfel)

Er sei an dem Abend noch mit dem Löschzug Kall in Golbach im Einsatz gewesen, als ihn seine Frau angerufen habe. „Das Wasser war so reißend. Ich bin gerade noch mit dem Feuerwehrwagen nach Hause durchgekommen.“ Danach habe man zuerst die Schafe wegbringen müssen, die auf der Wiese hinter dem Haus schon im Schlamm gestanden hätten. 2,40 Meter habe das Wasser über Straßenniveau gestanden. „Es ist bei uns in die Keller und das Erdgeschoss gelaufen.

Tagelang haben wir den Schlamm mit Eimern rausgetragen“, berichtet der Hauseigentümer. Auch jetzt habe man noch viel zu tun. Erst einmal müssten die Räume jetzt trocknen. Vorübergehend werde die Familie dann in die Ferienwohnung ziehen.

Alte Mühle in Kall: „Wollen Ferienwohnung 2022 wieder vermieten“

„Unser ehrgeiziges Ziel ist es, die Ferienwohnung 2022 wieder zu vermieten“, blickt Horbach trotz allem optimistisch nach vorne. Nach zehn Tagen, so Müller, seien die Aktionen eingestellt worden, weil die Helfer am Ende ihrer Kräfte gewesen seien und die gröbste Arbeit getan gewesen sei.

Doch nicht nur im tief gelegenen Ortskern gab es Schäden. „Auch zahlreiche Häuser an den Hängen wurden beschädigt, weil dort Wasser von den Höhen hineingelaufen ist. Das ist schon seit Jahren ein großes Problem, das auch bei kürzeren Starkregenereignissen auftritt“, betont der FDP-Politiker.

Etwa alle fünf Jahre laufe den Häusern am Pferdekopf in Richtung Golbach und an dem Hang in Richtung Keldenich das Wasser in die Häuser. Das könne so nicht weitergehen. Da müsse man sich auch einmal das Kanalsystem genau anschauen. „Bei einem fünfminütigen stärkeren Regen vor einigen Tagen lief den Anwohnern das Wasser schon wieder in die Häuser. Die Leute haben bei jedem stärkeren Regen Angst.“

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Manche würden nicht mehr in Urlaub fahren, weil sie Angst um ihre Häuser hätten. An einigen Stellen seien auch schon Hangerosionen zu beobachten. „Da drohen Teile abzubrechen. Deshalb muss gehandelt werden.“ Die Gemeinde sei informiert.

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