Müllerin mit 103 Jahren gestorbenSötenicher setzen sich für Erhalt von Mühle ein

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Ein Wahrzeichen von Sötenich ist die alte Mühle.

Ein Wahrzeichen von Sötenich ist die alte Mühle.

  • Die Mühle in Sötenich steht seit 1962 und ist noch im Originalzustand erhalten.
  • Müllerin Maria Fisch-Pesch ist 2017 mit 103 Jahren gestorben. Die Mühle hat sie der NRW-Stiftung vermacht.
  • Sie wollte, dass die Mühle erhalten bleibt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Kall-Sötenich – Es ist wie ein Stück zerronnener Zeit. Wer die alte Mühle in Sötenich betritt, taucht in eine geheimnisvolle Welt ein, die die Faszination alten Handwerks ins Jetzt transportiert. Wenn jemand die alten, mürbe gewordenen Treibriemen auf die mit Rost überzogenen Antriebsräder legen würde, dann würde sie wohl kurz den Mehlstaub aus den Holzknochen schütteln und wieder losrattern – wie einst, als Maria Fisch-Pesch hier noch als Müllermeisterin das Korn der Bauern mahlte.

„Sie hat immer Wert darauf gelegt, dass alles so ist, als hätte sie ihren Arbeitsplatz gerade verlassen“, sagt Toni Mießeler. Der Ortsvorsteher von Sötenich ist ein alter Freund der Müllerin, die am 28. Dezember 2017 im Alter von 103 Jahren verstarb. „Von der Technik habe ich keine Ahnung“, wehrt er direkt neugierige Fragen nach den vielen Gängen, Sieben und Schächten ab. Seine Talente liegen woanders. Als Nachlassverwalter pflegt er die Hinterlassenschaft Fisch-Peschs – vor allem natürlich die Mühle, die mittlerweile so etwas wie ein Wahrzeichen des Ortes geworden ist.

Wie sehr die Sötenicher und die Kaller an „ihrer“ Mühle hängen, wurde am Donnerstag deutlich. Zum ersten Mal bekam die Öffentlichkeit auf Einladung von Mießeler und Kalls Bürgermeister Hermann-Josef Esser die Gelegenheit, die seit 1962 original erhaltene Mühle in Augenschein zu nehmen. 48 Interessierte kamen – so viele, dass sie kaum in die kleinen Wohnräume von Maria Fisch-Pesch passten. Staunend gingen die Besucher durch die drei Stockwerke der Mühle.

Auf den guten Zustand der Maschinen hatte die Besitzerin immer Wert gelegt, obwohl der Betrieb der Mühle 1962 bereits eingestellt worden war. Und so war es der Wunsch von Maria Fisch-Pesch, dass die Mühle erhalten bleibt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Da nach dem Tod der Tochter keine Erben vorhanden waren, beschloss sie nach Beratung durch einen Notar, die Mühle nach ihrem Tod der NRW-Stiftung zu vermachen.

Für Mießeler, der sich als Bevollmächtigter auch nach dem Tod der Müllerin ihren Wünschen verpflichtet sieht, bedeutet das eine große Aufgabe, denn die NRW-Stiftung benötigt als Partner vor Ort einen gemeinnützigen Verein, der sich um die Pflege der Mühle kümmert. Eine Aufgabe, die die Kräfte der Sötenicher Vereine im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Arbeit übersteigt, wie Esser und Mießeler bei einem Treffen des Vereinskartells erfuhren. „Dabei haben wir auch festgestellt, dass viele Leute noch nie in der Mühle gewesen sind“, sagte Esser.

Für die gab es viel zu sehen. Von dem Wohnzimmer Maria Fisch-Peschs, das immer noch so aussieht, als würde die alte, freundliche Dame gleich durch die Tür kommen, ging es in den Außenbereich, wo Stall und Turbineneinlauf besichtigt wurden. Auch von den drei Stockwerken der Mühle – vom mittelalterlichen Fußboden im Keller, dem letzten Überbleibsel des Vorgängergebäudes, bis zum Dach, wo die Kornsäcke einst angeliefert wurden – machten sich die Besucher ein Bild.

Konkrete Ergebnisse gab es nach dem Termin zwar noch nicht. „Wir sind aber hoffnungsfroh“, sagte Mießeler am Freitag angesichts der guten Resonanz. Er wolle Leute nun gezielt ansprechen, kündigte er an. Dazu bestehe etwa eine Verbindung zum Mühlenverein, der sich in Dreimühlen formiert habe.

Wer Interesse hat, sich für den Erhalt der Mühle Fisch in Sötenich zu engagieren, kann Kontakt mit Toni Mießeler aufnehmen unter Telefon 02441/7666.

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Die Geschichte der Müllerin

Wer Maria Fisch-Pesch erlebte, erinnert sich an eine ebenso resolute, belesene wie liebenswürdige Person. Bis zu ihrem Tod im Alter von 103 Jahren im Dezember 2017 lebte sie in der Mühle und wurde dort gepflegt. Ein Jahr vor ihrem Tod ließ sie sich überzeugen, nicht mehr über die verwinkelte Treppe ins Schlafzimmer im ersten Stock zu klettern. „Die Treppe kennt mich“, war sie überzeugt. In der Mühle zu bleiben und nicht in ein Pflegeheim zu müssen, war für Fisch-Pesch das Wichtigste. Sie genoss das Rauschen des Wassers, an dessen Klang sie dessen Menge und Geschwindigkeit unterscheiden konnte.

Müllermeisterin war nicht ihr erster Berufswunsch. 1952 legte sie die Prüfung ab, als einzige Frau in der weiteren Umgebung. Viel lieber jedoch hätte sie studiert, erzählt ihr alter Freund Toni Mießeler. „Sie wollte Juristin werden.“ Bis ins hohe Alter hinein interessierte sie sich für Politik und verfolgte die aktuellen Nachrichten. Ein schwerer Schlag war für sie, dass ihre einzige Tochter Karin Köttgen 2015 im Alter von 75 Jahren starb.

Eine Trickbetrügerin musste erfahren, dass alte Müllerinnen keine leichten Opfer sind. Kurz nach Fisch-Peschs 100. Geburtstag bat die unbekannte Frau die alte Dame um etwas zum Essen. Diese wollte ihr einen Weckmann geben, den sie sich gerade gekauft hatte. Doch die Frau zeigte Begehrlichkeiten und wollte doch lieber die goldene Halskette und den Armreif der Seniorin haben.

Ehrlich empört und entschlossen drängte die Müllermeisterin die Frau zur Tür und rief, wie sie damals dieser Zeitung erzählte: „Raus hier! Da ist die Tür!“ Von der Gegenwehr überrascht, suchte die Frau das Weite. „Sie war Müllerin und gewohnt, schwere Säcke zu schleppen. Die Kraft ist noch da“, zeigte sich Mießeler beeindruckt.

Die Geschichte der Mühle

1907 Clemens Fisch erwarb die aus dem 15. Jahrhundert stammende Obermühle in Sötenich. Auf einer Bahnfahrt von Wasserliesch an der Mosel nach Kall waren ihm die vielen Getreidefelder aufgefallen. In Kall erkundigte er sich, ob es eine Mühle gäbe, die eventuell verkauft werde. Er erhielt die Auskunft, dass in Sötenich der Müller Lüttgen verkaufen wolle. Fischs Bruder erwarb kurz darauf die Mühle in Dalbenden.

Am 12. Oktober 1914 wurde Maria Fisch in einem Bruchsteinhaus in Sötenich geboren, da es in dem alten Mühlenhaus keinen Wohnraum gab.

1924 wurde das heutige Mühlhaus mit Wohntrakt gebaut.

1937 wurde die Mühle vom Mühlrad auf Turbinenbetrieb umgerüstet. Die Turbine speist sich wie vorher von Wasser, das aus der Urft abgeleitet wurde. Eine Wohnung wurde 1957 an das Mühlengebäude gebaut.

1958 starb Clemens Fisch. Maria Fisch-Pesch und ihr Mann Johannes Pesch, der bei der Eisenbahn arbeitete, führten den Betrieb weiter.

1962 wurde der Betrieb der Sötenicher Mühle eingestellt. Änderungen in der Politik und der Import von amerikanischem Weizen, der von den Großmühlenbetrieben verarbeitet wurde, sorgten dafür, dass die Aufträge wegbrachen. Die Familie verlegte sich auf eine kleine Landwirtschaft. Maria Fisch-Pesch starb am 28. Dezember 2017 im Alter von 103 Jahren.

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