Vom Jäger Welsch bis zum BitzekönigHarald Wilms stellt Kalls Persönlichkeiten vor

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In der Gaststätte Gier hat sich so manche  Geschichte abgespielt, die Harald Wilms über die Jahre aufgeschrieben hat.

Kall – Kaller Sagen wie die vom „Hausbaum“ hatten schon früh das Interesse von Harald Wilms für lokale Geschichten geweckt. Später haben sie ihn animiert, selbst Geschehnisse und Anekdoten aufzuschreiben, die sich um bekannte Persönlichkeiten aus dem Ort wie den früheren Bürgermeister Werner Schumacher oder Kultwirtin Luise Gier drehen. Einige seiner Geschichten sind auch in dem 2014 erschienen Buch „Kall im Spiegel der Geschichte“ von Autor Hubert Büth nachzulesen.

Kaller durch und durch

Schon in seiner Jugend, so erzählt Wilms, habe er sich für die Sagen und Geschichten über Kall interessiert. Als junger Mann habe er dann angefangen, Anekdoten über Ereignisse aufzuschreiben, die er selbst erlebt oder von denen er gehört hatte. Wilms arbeitete nach der Schule 18 Jahre als Konstrukteur beim Stahlbeton-Unternehmen Milz in Kall. Nach dessen Schließung war er für die Architekturbüros Becker und Loosen tätig. Ehe er vor rund dreieinhalb Jahren in Rente ging, arbeitete er dann noch einige Jahre für einen Sicherheitsdienst. Mittlerweile engagiert sich der 68-Jährige für die Lebenshilfe, bei der auch seine zweite Frau arbeitet. Seit seiner Geburt hat Wilms seinem Heimatort Kall stets die Treue gehalten.

„Für meine Geschichten und Anekdoten hat sich lange Zeit niemand interessiert“, sagt der Kaller. Das sollte sich erst ändern, als Peter Berbuir im Jahr 1991 Präsident der KG Löstige Bröder wurde und nach Wegen suchte, wieder mehr Besucher in die Sitzung der Gesellschaft zu locken. „Damals traten als Büttenredner fast nur auswärtige Kräfte auf, die vor allem Witze über die hohe Politik in Berlin machten. Das zog aber nicht mehr so viele Jecken in die Sitzungen“, sagt der 68-Jährige.

Es begann mit einer Büttenrede

„In einer Bierlaune habe ich dann bei Giers an der Theke gesagt: Was die auswärtigen Kräfte können, kann ich auch“, erinnert sich der rüstige Rentner. Berbuir habe ihn dann später an diesen Satz daran erinnert. Daraufhin musste Wilms seine erste Büttenrede verfassen und diese dann bei einer Probesitzung im Saal Gier vortragen: „Nach fünf Minuten tobte der Saal.“ Seinem Auftritt bei der ersten Sitzung in der Bürgerhalle stand nun nichts mehr im Wege.

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Der Kapuzenpullover mit dem von seiner ersten Frau gezeichneten Motiv von „Huh’ß Boohm“  hat bei Wilms  einen Ehrenplatz.

Rund zehn Jahre lang stand Harald Wilms anschließend als „Et schnippische Männsche von Huh’ß Boohm“ auf der Bühne, einige Male auch mit seinem Sohn Andy. Stets trug er dabei ein T-Shirt mit einer Ansicht von „Hausbaum“, die seine früh verstorbene erste Ehefrau gezeichnet hatte. Das Motiv hatte er nicht nur wegen seiner Vorliebe für die Sage gewählt: „Von Haus Baum aus hat man einen guten Blick über ganz Kall. Man kann also von dort aus Vieles sehen.“ Bei seinen Auftritten nahm er in Eifeler Platt Ereignisse aus dem Ort auf die Schippe. So wie bei der Anekdote über Kultwirtin Luise Gier: „Wenn sich bei ihr Gäste beschwerten, dass sie lange auf ihr Pils warten mussten, hat sie nur gesagt: ,Wenn es schnell gehen soll, musst du Wasser trinken. Ein Pils dauert hier sieben Minuten.’“

"Hausbaum"

Die Sage von „Hausbaum“ berichtet   von einem unglaublichen Vorfall, der sich  im Wald oberhalb von Kall in Richtung Wintzen ereignet haben soll.  Dort stand früher ein Rasthaus, in dem vor allem Fuhrleute einkehrten, während die Pferde nach dem starken Anstieg gewechselt wurden. Während eines Sommergewitters erschien der Jäger Welsch in dem  Rasthaus und beschloss nach einiger Zeit, wegen des Gewitters Gott als Wettermacher mit einem Schuss aus seinem Gewehr vom Himmel zu holen. Das ging aber schief: Welsch wurde   vom Blitz getroffen und niemals wiedergesehen. Das Gasthaus  fing der Sage nach  Feuer und wurde bis auf die Grundmauern vernichtet. Heute steht an dem Platz  eine riesige alte Eiche. (wki)

Gerne erzählt er auch von der ungewöhnlichen Entführung einer Milchziege in den 1950er Jahren. Kaller Feuerwehrleute hatten nach dem Brand eines Gehöfts ausgiebig ihren Durst im Haus Hensch gelöscht. Dort war auch der Herr von Ameln mit einigen Jägern aus Kall zu Gast. Von Ameln wohnte auf dem Wackerberg und hielt dort auch Ziegen. Irgendwann kamen die Wehrleute auf die Idee, eine der Ziegen zu entführen und sie in die Gaststätte zu bringen.

Die Ziege mit einem Käfer zur Kneipe gefahren

„Anstatt wie geplant den Bock mitzunehmen, erwischten sie aber eine Ziege und fuhren sie mit einem VW-Käfer vom Wackerberg in die Kneipe“, berichtet Wilms. Das Tier trat wild um sich, und ihr Halter, der nach dem Vorfall den Spitznamen „Bitzekönig“ erhielt, attackierte die Wehrleute mit einem Knüppel. Die konnten im letzten Moment fliehen.

Die Anzeige von Ameln verlief schließlich im Sande, obwohl die Polizei an der Kleidung eines Feuerwehrmanns Ziegenhaare gefunden hatte. „Bei einigen Geschichten musste ich Namen oder Orte weglassen, damit sich keiner auf den Schlips getreten fühlte.“ Doch Wilms sorgte nicht nur mit seinen Büttenreden, sondern auch mit der Gruppe Chaos, zu der seine Freunde Alfi Meyer und Ferdi Reger gehörten, für Stimmung bei den Sitzungen. Wilms schrieb die Texte für das Trio, Ohrwürmer wie „Skandal im Sperrbezirk“ wurden da schon einmal auf den Bürgerhof in Kall umgemünzt.

Mundart weniger gefragt

Mit der Zeit sei das Interesse an Büttenreden in Mundart aber zurückgegangen: „Ich hatte den Eindruck, dass das Publikum bei den Sitzungen immer jünger wurde und mehr Musikdarbietungen wollte.“

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Seiner Liebe zum Schreiben und Texten tat das aber keinen Abbruch. Sogar die Corona-Pandemie hat er musikalisch verarbeitet und den Pink-Floyd-Hit „Another brick in the wall“ in einen Mundartsong verwandelt. Dabei wurde aus der bekannten Textzeile „Hey! Teacher! Leave them kids alone“ das „Hey! Löksche! Blievd mem Arsch dahem.“

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