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KommunalreformGemeinden Obere Kyll, Hillesheim und Gerolstein fusionieren

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Auch das Rathaus in Jünkerath verliert zum Jahresende seine eigentliche Funktion. Dort bleiben Bürgerbüros, die Geschicke der Großgemeinde werden künftig von Gerolstein aus geleitet.

Auch das Rathaus in Jünkerath verliert zum Jahresende seine eigentliche Funktion. Dort bleiben Bürgerbüros, die Geschicke der Großgemeinde werden künftig von Gerolstein aus geleitet.

Jünkerath/Hillesheim – „Beauftragter in der Funktion des Bürgermeisters“. Das gibt es tatsächlich – für ein Jahr in der Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll und wohl bald auch in der VG Hillesheim. Bei den rheinland-pfälzischen Nachbarn läuft gerade die erste Stufe der kommunalen Gebietsreform. Ab 1. Januar 2019 wird es die Verbandsgemeinde Gerolstein geben, mit der die Kollegen aus Hillesheim und der Oberen Kyll den Fusionsvertrag unterschrieben haben. Der Beauftragte regelt als eine Art Ersatzbürgermeister bei den beiden „Heiratswilligen“ bis dahin die Geschäfte.

Der „Beauftragte“ an der oberen Kyll ist Arno Fasen. An der gelb gestrichenen Wand vis à vis seines Schreibtischs hängt ein großformatiges Foto seines Heimatorts Schüller oberhalb von Jünkerath: Sohn Tilo, 9, blickt von der Höhe auf das Bergdorf auf der Kuppe gegenüber. Das ist schon fast alles an persönlichen Gegenständen, die der langjährige Verwaltungsfachmann und Beamte Anfang des Jahres beim Wechsel ins verwaiste Bürgermeisterbüro mitgenommen hat.

Fasen, 42, war bis Ende 2017 Leiter der Abteilung Organisation/Verwaltung der VG, ist jetzt für ein Jahr der Chef. Also bezog er seinen Posten auf der anderen Flurseite im Eckbüro.

Als „Beauftragter in der Funktion des Bürgermeisters“ ist er Statthalter einer besonderen Sedisvakanz von zwölf Monaten: Die Amtsperioden der letzten Bürgermeisterinnen in den VG Hillesheim und Obere Kyll waren zum 31. Dezember 2017 abgelaufen und aufgrund der anstehenden Fusion waren die turnusmäßigen Kommunalwahlen 2017 ausgefallen. Sie werden in diesem Herbst stattfinden.

Fasen hat Erfahrung in der Verwaltung 

An der Oberen Kyll und in Hillesheim muss jedoch jemand die kommunale Selbstauflösung und Überführung in die neue, dann sechstgrößte VG in Rheinland-Pfalz managen. Diane Schmitz und Heike Bohn, die bisherigen Bürgermeisterinnen, hatten dankend abgelehnt. Wer will schon der Abwickler eigener Verwaltungserfolge sein? So sah es zumindest Heike Bohn in Hillesheim nach zehn Jahren als Bürgermeisterin.

Laut Kommunalverfassung übernimmt der Vertreter oder die Vertreterin des Bürgermeisters die Geschäfte im Vertretungsfall. Doch in Jünkerath hat sich die ehrenamtlich tätige, 77-jährige Melitta Gray das für zwölf Monate nicht antun wollen. Also hat Landrat Heinz Peter Thiel weitergesucht – und mit Arno Fasen einen gefunden, der weiß, wie die Verwaltung in Jünkerath tickt. Schließlich stammt auch der aktuellen Doppelhaushalt 2017/18 aus der Feder von Fasen und seinem Team.

Und nun? „Die laufenden Geschäfte halten wir aufrecht“, so Fasen: „Im Sommer wird etwa noch ein letzter Nachtragshaushalt eingebracht.“ Darin geht es unter anderem um die die neue Finanzsoftware oder für Mittel aus dem Kommunalen Infrastrukturpaket 3.0. Ein Jahr Stillstand soll nicht entstehen. „Unsere Realschule + soll saniert werden“, so Fasen. Er hat aber vor allem ein Team zusammengestellt, das die Vorbereitungen der Fusion vorantreibt.

Der Beamte bekommt die Differenz zwischen seiner alten und der neuen, temporär bekleideten Besoldungsgruppe natürlich ausgezahlt. „Offiziell ist das ein Nebenverdienst“, sagt Fasen grinsend. Am 31. Dezember gibt er das Amt wieder ab: „Dann kehre ich zurück ins Glied.“

Auch Bernhard Jüngling Ersatzbürgermeister

Bernhard Jüngling, Bürgermeister von Nohn und seit vier Jahren Beigeordneter der Verbandsgemeinde Hillesheim, ist sich in dieser Frage noch nicht so sicher. Wird er bei der Bürgermeisterwahl für die neue Groß-Verbandsgemeinde im Herbst antreten? Manche Hillesheimer fänden das vermutlich selbstverständlich. Was wird denn aus dem „Hillesheimer Ländchen“ nach der Fusion? In der Verbandsgemeinderatssitzung am 22. März hat auch Jüngling, 52-jähriger Diplom-Verwaltungsfachwirt, den Titel erhalten, den Kollege Fasen schon hat: Beauftragter in der Funktion des Bürgermeisters. Während er ehrenamtlich als Beigeordneter tätig war, ist er büroleitender Beamter in der Verbandsgemeinde Adenau. Für ihn wurde eine Teilzeitlösung gefunden, so dass er bis Jahresende zwischen Adenau und Hillesheim pendelt.

Für Jüngling steht dieses Jahr etwa die Renaturierung des Hillesheimer Bachs an. Schnelles Internet ist im ländlichen Raum immer ein Thema. Dessen Ausbau „bis in jedes Haus und in jeden Betrieb“ kann die kleine VG, die rund 8800 Einwohner hat, laut Jüngling nicht alleine stemmen. Dies sei eine erste und wichtige Aufgabe der neuen VG Gerolstein. Er habe daher gemischte Gefühle, wenn er an die Fusion denke, so der Verweser. Er muss sich auch dafür einsetzen, Bestehendes nicht nur zu verwalten. Hillesheim ist Standort innovativer Arbeitsplätze im Industrie- und Gewerbepark Higis bei Wiesbaum, als selbst ernannte „Krimihauptstadt Deutschlands“ ein wichtiges Fremdenverkehrsziel in der Region mit einer ganzen Reihe schöner sanierter Dörfer unter den elf Orten. Das alles hat Gewicht. Das alles muss Jüngling mit seinem Noch-Verbandsgemeinderat in den Fusionsgesprächen selbstbewusst vertreten.

„Auch in der neuen Verbandsgemeinde Gerolstein wird Hillesheim eine herausragende Rolle spielen, da bin ich mir sicher“, meint Jüngling. Stehe die eine VG für Krimi, so die andere für Wasser, etwa schon durch den Gerolsteiner Mineralbrunnen. Beides gehöre zusammen. Wie man den Bund der ungleichen Drei aber nennen soll? Etwa „Verbandsgemeinde Oberes Kylltal“? Die Touristiker aus der Krimi- und der Wasserstadt kooperieren bereits und haben ihren gemeinsamen Webauftritt schlicht „Hillesheimer-Gerolsteiner-Land“ genannt.

Aus drei wird eins

Die Fusion der drei Verbandsgemeinden (VG) Gerolstein, Hillesheim und Obere Kyll im Landkreis Vulkaneifel ist eine „Ehe mit Hindernissen“ mit knapp zehnjährigem Vorlauf. Der Widerstand kam vor allem von der Oberen Kyll, wo 11 von 14 Orten aus historischen Gründen lieber zur Verbandsgemeinde Prüm im Eifelkreis Bitburg-Prüm gewechselt wären. Gestoppt wurde das Vorhaben vom rheinland-pfälzischen Landtag mit Blick auf die anstehende zweite Stufe der Kommunalreform mit der die Neuordnung der Landkreise. Man befürchte eine landesverfassungswidrige Vorwegnahme, hieß es.

Im Herbst dieses Jahres werden der neue Verbandsgemeinderat und der neue VG-Bürgermeister gewählt. Sitz wird ab dem 1. Januar 2019 Gerolstein sein. 32000 Einwohner wird die neue Verbandsgemeinde Gerolstein haben, die 2019 die Rechtsnachfolge der noch drei selbstständigen VG antritt.

Liquidität der Oberen Kyll gefährdet

Die Obere Kyll mit rund 8500 Einwohnern wird mit satten 11 Millionen Euro Liquiditätskrediten sowie 2,5 Millionen Investitionskrediten die ärmste der drei „Töchter“ sein. „Vier Millionen bekommen wir vom Land für die Fusion“, so Fasen zur amtlichen Hochzeitsprämie. 2,5 Millionen werden aus dem Kommunalen Entschuldungsfonds beglichen, doch rund 6,5 Millionen Euro bleiben und belasten die neue Großgemeinde. Da war aus Hillesheimer und Gerolsteiner Sicht die Obere Kyll nicht gerade der Wunschpartner. 14 Ortsgemeinden zwischen Hallschlag und Steffeln haben nun 20 Jahre Zeit, abzuzahlen. Arno Fasen vermutet, dass das wohl über eine Art Sonderumlage abgewickelt werde.

Drei Millionen Investitionskredite stehen auf der Minus-Seite des aktuellen Doppelhaushalts in Hillesheim – doch die Liquidität ist im Gegensatz zur Oberen Kyll nicht gefährdet.

Das Rathaus wird in Gerolstein sein. Doch für acht Jahre ist auch das Hillesheimer Rathaus nach Angaben von Bernhard Jüngling gesetzt. Im Gerolsteiner Verwaltungsbau ist schlicht noch kein Platz für alle Mitarbeiter. Das Gebäude muss zunächst saniert und erweitert werden. Bis dahin werde „eine zentrale Funktionseinheit“ der Groß-VG nach Hillesheim kommen. Denkbar seien etwa der Fachbereich Bauen oder Finanzen. Das Bürgerbüro bleibt – wie auch in Jünkerath – ohnehin vor Ort erhalten. (sli)

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