Krisenstab in Sorge vor vierter WelleErster Karnevalszug im Kreis Euskirchen abgesagt

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Der Karneval könnte die Zahlen im Kreis weiter in die Höhe treiben. 

Kreis Euskirchen – Der Inzidenzwert im Kreis Euskirchen hat erstmals seit dem 11. Mai die 100er-Marke überschritten – und das wenige Tage vor dem Karnevalsauftakt. Klar, dass die Diskussion darüber, wie viele „G“ richtig sind, richtig Fahrt aufgenommen hat. Nicht wenige Experten sprechen sich wegen der vermehrt auftretenden Impfdurchbrüche sogar für eine 1G-Strategie aus, da aus ihrer Sicht nur Tests wirklichen Schutz bringen.

Wie schätzt das Gesundheitsamt die Lage ein?

„Die hohen Zahlen sind bei der jetzigen Impfquote durchaus zu erwarten“, sagt Sonja Zingsheim, stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamts. Gleich mehrere Faktoren dürften laut der Expertin eine Rolle spielen: Durch die vermehrten Kontaktsituationen, insbesondere im Innenbereich, ergeben sich viele Möglichkeiten, Infektionen zu verbreiten. Auch die vermehrten Infektionen von Reiserückkehrern führt zu erhöhten Fallzahlen.

„Die Entscheidung des Landes, die Quarantäne von Kontaktpersonen auf fünf Tage bei einer Inkubationszeit von zwei Wochen zu verkürzen, mag auch einen Teil dazu beitragen“, so Zingsheim. In der aktuellen Corona-Schutzverordnung werde keine Rückverfolgbarkeit mehr verlangt, so dass die Ermittlung enger Kontakte erschwert sei.

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Besser 1G, 2G, 2G plus oder 3G?

Auch im Kreis sind die Inzidenzzahlen in den vergangenen Tagen sprunghaft angestiegen. Veranstaltungen sind gemäß der aktuell gültigen Corona-Schutzverordnung unter bestimmten Auflagen möglich. Die Anwendung strengerer Auflagen, wie beispielsweise 2G, obliegt den Veranstaltern. Der Krisenstab des Kreises wird nach Angaben von Pressesprecher Wolfgang Andres an diesem Mittwoch beraten, ob zusätzliche Empfehlungen ausgesprochen werden.

Nach Einschätzung des Kreis-Gesundheitsamtes bietet die 2G-Regelung unter den aktuellen Bedingungen die größtmögliche Sicherheit, insbesondere bei Veranstaltungen, die das Potenzial eines Superspreader-Events haben. „Geimpfte und Genesene infizieren sich seltener, sind bei einer Infektion deutlich kürzer und weniger ansteckend“, so Zingsheim. Grundsätzlich gebe die Kombination aus 2G und AHA-L-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske und Lüften) die höchste Sicherheit und verringert das Ansteckungsrisiko im öffentlichen Leben erheblich.

Wie ist die Lage in den Krankenhäusern?

Nach Angaben des Kreiskrankenhauses in Mechernich liegen dort drei Menschen mit einer Corona-Infektion auf der Intensivstation, sechs weitere Menschen werden mit geringeren Symptomen stationär behandelt. Wie das Krankenhaus mitteilte, sind alle drei Intensivpatienten nicht geimpft.

Im Euskirchener Marien-Hospital befinden sich Pressesprecherin Nicole Nettersheim zufolge zwei Patienten wegen Covid-19 auf der Intensivstation. Vier weitere Menschen werden stationär behandelt. In Schleiden sind es nach Informationen dieser Zeitung zwei Menschen, die stationär, aber nicht intensivmedizinisch behandelt werden müssen.

Welche Teststrategie ist sinnvoll?

„Was die Corona-Tests angeht, bieten Antigen-Schnelltests sicherlich eine gewisse Sicherheit“, so Zingsheim. Sie hätten aber eine geringere Zuverlässigkeit und seien nur in einem kurzen Intervall der Erkrankung aussagekräftig – bei einer hohen Viruslast, also im Akutstadium der Erkrankung – und in der Anwendung sehr störanfällig.

Wie reagieren Vereine auf die Entwicklungen?

Der erste Karnevalsverein im Kreis Euskirchen zieht die Konsequenz aus den steigenden Fallzahlen.

Besonders hoch ist die Inzidenz bei den 5- bis 14-Jährigen

Die Zahl der nachweislich mit Covid-19 infizierten Menschen im Kreis Euskirchen ist auf mehr als 500 gestiegen. Die Sieben-Tage-Inzidenz beträgt laut Robert-Koch-Institut 107,5.

59 Neuinfektionen vermeldete der Kreis Euskirchen am Dienstag, davon allein 29 in Euskirchen, gefolgt von Kall (9), Mechernich (8) und Weilerswist (7). Bei den von dieser Zeitung berechneten kommunalen Inzidenzen liegt Euskirchen mit 189,4 vor Hellenthal (166,5), Kall (153,7), Weilerswist (146,9) und Mechernich (128,2).

Laut Statistik des Landeszentrums Gesundheit NRW sind im Kreis die Altersgruppen mit den höchsten Inzidenzen die 10- bis 14-Jährigen (281,1) vor den 5- bis 9-Jährigen (249,4). Mit viel Abstand folgen die 15- bis 19-Jährigen (168,1) und die 40- bis 44-Jährigen (152,4). Am niedrigsten ist die Inzidenz in den Gruppen der 60-bis 64-Jährigen (26,4) und der 80- bis 84-Jährigen (38,8).

Von den 502 aktuell Infizierten leben 203 in Euskirchen. Es folgen Mechernich (76), Bad Münstereifel (53), Weilerswist (41) und Zülpich (38). (ets)

Der Kuchenheimer Karnevals Club hat beschlossen, sämtliche Veranstaltungen abzusagen. Dazu gehört auch der geplante Karnevalszug am 27. Februar. Auch die Sessionseröffnung findet nach Angaben des Vereins wegen der steigenden Fallzahlen nicht statt. Der Verein wolle auch keine Veranstaltungen befreundeter Gesellschaften besuchen.

Der Einzelhandelsverband Bonn-Rhein-Sieg-Euskirchen legt den Gewerbetreibenden nahe, auf die 2G-Regel zu setzen – also nur Menschen die geimpft oder genesen sind, ins Geschäft zu lassen.

Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein sagt: „Schauen wir auf die Entwicklung, halte ich es dringend für geboten, sich zeitnah Länder wie Österreich als Vorbild zu nehmen und eine flächendeckende 2G-Regelung sowie eine verbindliche 3G-Regel am Arbeitsplatz einzuführen.“

Er empfinde es als „grundsätzlich beschämend“, dass mit Blick auf die hoch infektionsgefährdete Klientel in Alten- und Pflegeeinrichtungen über eine Impfpflicht des Personals diskutiert werden müsse. Dafür sei die Lage zu kritisch.

Wäre das Impfzentrum in Marmagen eine Option?

Im Sommer hatte sich der Landkreistag NRW unter Beteiligung von Landrat Markus Ramers bei Bund und Land für eine Verlängerung der Impfzentren bis zum Jahresende ausgesprochen. Erfolglos: Das Impfzentrum in Marmagen ist zum 30. September – wie alle anderen Impfzentren auch – geschlossen worden.

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Die koordinierende Impfeinheit des Kreises Euskirchen hat ihre Arbeit im Oktober aufgenommen und den Fortschritt der Auffrischungsimpfungen bei älteren Menschen in den Blick genommen. Von den 35 Einrichtungen im Bereich Pflege- und Seniorenzentren wurden laut Andres bisher etwa die Hälfte durch niedergelassene Ärzte durchgeimpft – also inklusive der Drittimpfung. „Die übrigen Heime folgen zeitnah“, so Andres.

Sind weitere Impfaktionen geplant?

Über weitere Impfaktionen als ergänzende Angebote zu den Hausärzten wird der Krisenstab beraten. Dazu Landrat Markus Ramers: „Es ist frustrierend: Vor gut einem Monat mussten wir unser Impfzentrum schließen und jetzt merken wir, dass die Strategie der Landesregierung nicht aufgegangen ist.“

Auch im Kreishaus melden sich laut Ramers viele Senioren, die Probleme haben, zeitnah einen Termin bei ihrem Hausarzt zu erhalten. „Wir werden versuchen, mit den Ärzten im Kreis Lösungen zu entwickeln, um bei den Booster-Impfungen zügiger voranzukommen“, so der Landrat.

Wie sieht es mit Booster-Impfungen aus?

Die Impfkommission empfiehlt Auffrischungen für Menschen, die älter als 70 Jahre sind. Aufgrund des erhöhten Ausbruchspotenzials sind in Einrichtungen der Pflege auch Bewohner, die jünger sind, eingeschlossen. Die Auffrisch-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff soll laut Sonja Zingsheim frühestens sechs Monate nach Abschluss der Grundimmunisierung erfolgen, unabhängig davon, welcher Impfstoff zuvor verwendet wurde. „Bei mRNA-Impfstoffen soll möglichst der bei der Grundimmunisierung verwendete Impfstoff zur Anwendung kommen“, sagt sie. (mit jes)

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