„Defi“ an der KirchenwandMechernich macht Erste Hilfe öffentlich zugänglich

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Überzeugte die Bürger davon, für einen Defibrillator zu spenden: Jan Schäfer.

Überzeugte die Bürger davon, für einen Defibrillator zu spenden: Jan Schäfer.

Mechernich-Lessenich – Defibrillatoren retten Leben – wenn sie schnell eingesetzt werden können. Das setzt aber voraus, dass Ersthelfer auch im ländlichen Raum überall öffentlich zugängliche Defibrillatoren finden. Erkannt hat das Problem auch die Stadt Mechernich. Sie hat ein Standortkonzept für öffentliche Defibrillatoren erstellen lassen. Einem Ortsteil ging das nicht schnell genug. In Lessenich haben die Bürger das Thema selbst in die Hand genommen: „Wir sind schon einen Schritt weiter. Seit vergangener Woche hängt ein Defibrillator an der St.-Stephanus-Kirche mitten im Ort“, sagt Ortsbürgermeister Marco Kaudel.

Schnelle Hilfe

Im ganzen Kreis sind derzeit 504 Ersthelfer über die Corhelper-App registriert und freigeschaltet. Hauptsächlich sind das Ärzte, Rettungssanitäter oder Feuerwehrleute. Ziel des Kreises ist, 1300 bis 1500 Ersthelfer zu registrieren.

Nach einem Herzstillstand werden laut des deutschen Reanimationsregisters 13,2 Prozent der Patienten lebend entlassen. 2019 entsprach das im Kreis Euskirchen 22 Patienten. Im Schnitt dauert es 6,5 Minuten, bis der Ersthelfer am Unfallort eintrifft. Schon nach drei Minuten ohne Sauerstoff können bleibende Schäden am Gehirn auftreten.

Als positives Beispiel nennt Jesko Priewe das Land Dänemark. In Deutschland beträgt die Ersthelferquote etwa 40 Prozent, in Dänemark mehr als 70 – einen Herzstillstand überleben dort 31 Prozent der Patienten. Im Kreis Euskirchen könnten so jedes Jahr 30 Menschen mehr gerettet werden. (maf)

Dass der kleine Ort Lessenich mit seinen 382 Einwohnern Vorreiter in Sachen Lebensrettung ist, ist dem 24-jährigen Medizinstudenten und Krankenpfleger Jan Schäfer zu verdanken. Schäfer hatte sich im Februar als Ersthelfer bei der Corhelper-App registriert. „Dabei ist mir aufgefallen, dass in Lessenich und auch der weiteren Umgebung gar kein Defibrillator hängt“, sagt der 24-Jährige. Während jeder Reanimation könne ein Kammerflimmern auftreten. In einem solchen Fall helfe nur der Stromstoß eines Defibrillators – den es in Lessenich nicht gab. Für Schäfer war klar: Das konnte so nicht bleiben.

„Feuer und Flamme“ für das Projekt

Schäfer begeisterte andere junge Lessenicher für seine Idee, informierte sich über Geräte und deren Kosten. Danach bat er Ortsbürgermeister Kaudel und die Lessenicher Vereine um Hilfe – mit Erfolg. „Es ist seiner Hartnäckigkeit und seinem Herzblut zu verdanken, dass Lessenich nun einen Defibrillator hat“, sagt Kaudel. Schnell fand sich auch ein Platz für das Gerät an der Kirchenmauer. Kirchenvorstand Hans Linden sei direkt „Feuer und Flamme“ für das Projekt gewesen, so Kaudel. Linden habe sich zudem um einen Elektriker gekümmert, der das Gerät montiert.

Schon nach wenigen Wochen hatten die Verantwortlichen genug Spenden von den Bürgern der Orte Lessenich und Rißdorf erhalten, um das 2100 Euro teure Gerät samt beheiztem Kasten zu kaufen. Am Ende blieb sogar ein wenig Geld übrig, um Defibrillator-Schulungen für Ersthelfer zu bezahlen. Denn auch die Björn-Steiger-Stiftung hat den Kauf des Geräts unterstützt. Die Stiftung hat es sich zum Ziel gesetzt, das Rettungswesen in Deutschland zu verbessern.

Mangel im ganzen Stadtgebiet

Der Mangel an Defibrillatoren betrifft nicht nur Lessenich, sondern das ganze Stadtgebiet von Mechernich. Nur zwei Geräte sind jeden Tag rund um die Uhr verfügbar, die anderen 29 sind es nicht. Sie sind in Privatbesitz installiert, unter anderem in Unternehmen.

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Das Defibrillator-Problem haben auch CDU und UWV erkannt und einen Antrag für die Entwicklung eines Standortkonzeptes an die Verwaltung gerichtet. Die aber hatte sich bereits um ein solches Konzept gekümmert. Jesko Priewe, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes Kreis Euskirchen, stellte das Konzept im Rat vor. Die Empfehlung des Europäischen Rates für Wiederbelebung, zwei Geräte pro Quadratkilometer Stadtgebiet zu installieren, hält er für nicht geeignet: „Das mag im Ballungsraum funktionieren. In einem Flächenkreis funktioniert das nicht“, erläuterte Priewe: „Wenn wir ein Prozent der Bevölkerung als Ersthelfer gewinnen, dann sind diese in der Regel in vier Minuten am Unfallort.“ Und das müsse die Zielgröße für Defibrillatoren sein. Das bedeutet: In Mechernich müssen 34 zusätzliche Geräte angeschafft werden. Zum Vergleich: Im ganzen Kreis Euskirchen sind 38 Geräte täglich rund um die Uhr öffentlich verfügbar.

In Lessenich sollen noch dieses Jahr alle Interessierten in Erster Hilfe geschult werden. Unterstützung gibt es vom Kreis und der Björn-Steiger-Stiftung. Der Qualifikationsnachweis nach der Schulung kann auch zur Registrierung bei der Corhelper-App genutzt werden.

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